Das tschechische Kernkraftwerk Dukovany

Mini-AKW und neue Reaktoren Wie Tschechien die Atomkraft ausbaut

Stand: 13.06.2025 11:00 Uhr

Tschechien macht Tempo beim Ausbau der Atomkraft: Nach langem Tauziehen hat die Regierung einen Vertrag über zwei neue Reaktoren unterschrieben. Es ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Landes.

Es war der Aufmacher in allen tschechischen Nachrichtensendungen: Der Vertrag zum Ausbau des Atomkraftwerks Dukovany ist in trockenen Tüchern. Eigentlich hatte Regierungschef Petr Fiala den Plan schon aufgegeben, den Auftrag noch in seiner Amtszeit zu vergeben. Denn der unterlegene Bieter, der französische Konzern EDF, hatte Erfolg mit einer Klage. Nach wochenlanger Verzögerung gab das höchste Verwaltungsgericht vergangene Woche aber grünes Licht.

"Weg zu mehr Energieunabhängigkeit und Sicherheit"

"Es geht nicht nur um die Unterzeichnung eines Vertrags. Es ist ein wirklich großer Schritt auf dem Weg zu mehr Energieunabhängigkeit und Sicherheit", so der konservative Premierminister Fiala. Es handelt sich um das größte Projekt in der jüngeren Geschichte Tschechiens.

Das Geschäft im Wert von umgerechnet mehr als 16 Milliarden Euro hat sich das südkoreanische Unternehmen KHNP gesichert. Das Angebot sei in allen wesentlichen Punkten deutlich besser gewesen als das der Franzosen, hieß es zur Begründung.

Der Atomriese EDF legte Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Der französische EU-Kommissar Stéphane Séjourné schrieb einen Brief an Prag - für die tschechische Regierung eine eindeutige Grenzüberschreitung.

Karte: Tschechien mit den geplanten Atomreaktoren in Dukovany, Temelin und Tusimice

Kritik von Umweltschutzorganisationen

Trotz der verspäteten Vertragsunterzeichnung soll der erste von zwei neuen Reaktorblöcken im Süden Tschechiens 2036 ans Netz gehen. "Ich freue mich, dass das Projekt weiterlaufen kann", erklärte der Rechtsaußenpolitiker Radim Fiala. Denn die energetische Zukunft Tschechiens sehe nicht gerade rosig aus. "Daher verstehe ich, dass der tschechische Energiekonzern ČEZ den Vertrag schnell unterschrieben hat."

Auch sonst kommt aus der Opposition keine Kritik am Ausbau der Kernkraft. In einer EU-weiten Umfrage sind die Tschechinnen und Tschechen am atomfreundlichsten. Lediglich einige Energieexperten und Umweltschutzorganisationen äußern Zweifel - so etwa Edvard Sequens von der Umweltschutzorganisation Kalla. Tschechien solle lieber Energie einsparen und die Erneuerbaren ausbauen, als sich in der Atomkraft zu verschanzen.

"Der Steuerzahler wird außerdem die gesamte Investition stemmen. Und dann wird der Stromverbraucher das jahrzehntelang abbezahlen", sagt Sequens. "Wir rechnen mit deutlich höheren Kosten und langen Verzögerungen. Denn Südkorea hat noch nie so einen Reaktor gebaut. Das wird ein Prototyp."

Drei Standorte im Erzgebirge

Prototypen sind derweil auch an der Grenze zu Sachsen geplant. Im Erzgebirge will Tschechien an bis zu drei Standorten modulare Mini-AKW bauen. Daran arbeitet die teilstaatliche ČEZ zusammen mit dem britischen Unternehmen Rolls Royce. Bis 2050 sollen zehn Anlagen entstehen, unter anderem dort, wo Tschechien bis 2033 Kohlekraftwerke abschaltet und in Temelin - rund 70 Kilometer von Bayern entfernt.

"Die CEZ hat für den ersten Standort in Temelin im November das Vorprüfverfahren eingeleitet", erklärte Petr Tresnak vom Industrieministerium. Der Block solle 2035 den Betrieb aufnehmen. Für Tusimice im Erzgebirge wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung im Mai gestartet. Ein erster Block ist für 2040 geplant. Bis zu sechs Blöcke können entstehen. "Das Kraftwerk soll nicht nur Strom, sondern auch Wärme erzeugen", so Tresnak.

Anteil am Energiemix soll 50 Prozent erreichen

Tschechien will seinen Anteil an Atomstrom von rund 40 auf 50 Prozent steigern. Erneuerbare Energien machen nur rund 15 Prozent aus. Pro Kopf verbraucht Tschechien mehr Energie als Deutschland. Die tschechischen Energiepreise für die Industrie wie für Endverbraucher sind oft höher. Die Mini-Atomreaktoren sollen günstiger sein als konventionelle Blöcke - außerdem sicherer.

In Bayern und Sachsen sehen das nicht alle so. Beim tschechischen Umweltministerium sind bereits Dutzende Stellungnahmen eingegangen, bestätigt deren Sprecherin Veronika Krejci: "Wir haben uns an das Bundesumweltministerium gewandt sowie an die Umweltministerien in den beiden Bundesländern. Sachsen wird alle weiteren Schritte für Deutschland koordinieren. Zu dem neuen Kernkraftwerk im Erzgebirge kann sich jeder äußern, auch die Öffentlichkeit."

Die Frist für Eingaben zu möglichen Umwelt- und Gesundheitsfolgen sollte eigentlich an diesem Freitag ablaufen. Nach Kritik aus Deutschland hat sie Tschechien um einen Monat bis Mitte Juli verlängert.