Kühltürme des Kernkraftwerks von Electricite de France (EDF) in Golfech am Rande der Garonne (Frankreich).

Energiepolitik in der EU Deutschland gibt Widerstand gegen Pro-Atom-Kurs auf

Stand: 22.05.2025 13:26 Uhr

Investitionen in Atomkraft gelten nach EU-Regeln als klimafreundlich. Deutschland war bisher anderer Meinung - gibt seinen Widerstand nun aber auf. Am Atomausstieg hierzulande dürfte die Neubewertung nichts ändern.

Die Bundesregierung hat in einem jahrelangen Streit um EU-Gelder für Atomkraft einen Schritt auf Frankreich zu gemacht. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zeigte sich am Rande eines Treffens der EU-Wettbewerbsminister in Brüssel offen für eine Förderung der Forschung an sogenannten kleinen modularen Kernreaktoren (SMR) aus dem EU-Haushalt. Deutschland hatte dies bislang abgelehnt.

"Es geht darum, neue Technologien zu fördern", betonte Reiche - im Unterschied zu einer Förderung bestehender Kraftwerke. SMR sind kleiner, dafür aber flexibler einsetzbar als herkömmliche Atomreaktoren. Bislang sind sie in der EU noch nicht im Einsatz, insbesondere Frankreich und Schweden forschen aber an der Entwicklung. "Wir gehen hier einen anderen Weg als Frankreich", erklärte die Ministerin mit Blick auf das Nachbarland, das anders als die Bundesrepublik stark auf Atomkraft setzt. "Fakt ist aber, dass jede Tonne CO2, die wir einsparen können, gut ist. Hier müssen wir technologieoffen sein", fügte sie hinzu.

Bundesregierung: Weiter Mittel für Wind- und Solarenergie

Die Bundesregierung werde sich in Verhandlungen über EU-Gelder ihrerseits dafür einsetzen, dass weiter Mittel für Wind- und Solarenergie fließen. "Wir werden jetzt darauf achten, dass auch wir unsere neuen Technologien, die auf erneuerbaren Energien beruhen, dass wir die in Zukunft auch förderfähig halten", sagte Reiche. "Das ist unsere Pflicht."

Deutschland hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach dagegen ausgesprochen, Atomkraft in EU-Gesetzen als grüne Technologie einzustufen und damit bei der Vergabe von Fördermitteln wie erneuerbare Energien zu behandeln. Diese Position konnte sich zuletzt aber nicht mehr durchsetzen. So wurde Deutschland in den Verhandlungen über eine Reform des europäischen Strommarktes überstimmt.

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Taxonomie sorgt für Diskussionen

Nun also vollzieht Deutschland einen radikalen Kurswechsel in der Energiepolitik auf EU-Ebene. In einem Anfang des Monats veröffentlichten gemeinsamen Papier der Regierungen in Paris und Berlin heißt es, man werde einen deutsch-französischen Neustart in der Energiepolitik durchführen, "der auf Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität beruht". Das bedeute etwa, die Gleichbehandlung auf EU-Ebene aller emissionsarmen Energien sicherzustellen.

In der sogenannten Taxonomie sollten Technologien, die kein CO2 ausstoßen, beziehungsweise CO2-arm sind, bevorzugt werden, sagte Bundeswirtschaftsministerin Reiche. Darin listet die Europäische Union Bereiche auf, in die investiert werden kann, um den Klimawandel zu bekämpfen. Auch bestimmte Investitionen in Gas- oder Atomkraftwerke werden dort als klimafreundlich eingestuft. Das sorgt seither für Diskussionen und Kritik, da bei der Nutzung von Atomenergie radioaktiver Müll entsteht.

Frankreich arbeitet an Atom-Ausbau

Die vorige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte die klimafreundliche Einstufung von Investitionen in Atomkraftwerke kritisiert. Frankreich ist ein klarer Befürworter von Atomstrom und arbeitet am Ausbau.

Die schwarz-rote Bundesregierung plant zwei Jahre nach dem Atomausstieg keine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland. Dazu gebe es einen gesellschaftlichen Konsens, sagte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) vor Kurzem. Auf Belgiens Abkehr vom eigenen Atomausstieg reagierte sein Ministerium mit Skepsis.

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte, die neue Bundesregierung gebe ihre Verhandlungsposition gegenüber Frankreich ohne Not und ohne Gegenleistung auf. "Damit werden die Interessen der Erneuerbaren Energien der französischen Atomlobby geopfert." Es dürfe kein naives Verscherbeln zentraler Interessen für die Energiewende und einen gerechten Wettbewerb geben, sagte er.