
EU-Gelder für Atomenergie Umweltminister Schneider dementiert deutsche Kehrtwende
Gibt Deutschland seinen Widerstand gegen einen Pro-Atom-Kurs in der EU auf? Äußerungen von Wirtschaftsministerin Reiche deuteten darauf hin. Nun widerspricht Umweltminister Schneider mit deutlichen Worten.
Soll Atomkraft für die Energieversorgung genutzt werden? Darüber herrscht bei den Mitgliedsstaaten der EU Uneinigkeit. Unter anderem geht es um die Frage, ob diese Form der Energiegewinnung als "nachhaltig" eingestuft wird und mit EU-Mitteln gefördert werden darf.
Und offenbar ist auch die Bundesregierung in diesem Punkt nicht einer Meinung. Gestern hieß es, Deutschland habe seinen Widerstand gegen den Pro-Atom-Kurs aufgegeben. Doch dem widerspricht nun der neue Bundesumweltminister Carsten Schneider mit deutlichen Worten.
Äußerungen zu neuer Offenheit "sind Privatmeinungen"
Die Bundesregierung lehne eine Einstufung von Atomenergie als nachhaltig auf EU-Ebene auch weiterhin klar ab, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Und er fügte hinzu: "Äußerungen von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung, es gäbe hier eine neue Offenheit, sind Privatmeinungen."
Damit dürfte Schneider vermutlich Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche meinen. Denn sie hatte sich in Brüssel offen dafür gezeigt, "neue Technologien" mittels EU-Geldern zu fördern. Gemeint war die Forschung an sogenannten kleinen modularen Kernreaktoren (SMR), die kleiner, dafür aber flexibler einsetzbar sind als herkömmliche Atomreaktoren.
Vor allem Frankreich und Schweden treiben die Forschung voran. Deutschland hatte es bisher abgelehnt, diese Forschung zu fördern. Reiche hatte nun betont: "Fakt ist aber, dass jede Tonne CO2, die wir einsparen können, gut ist. Hier müssen wir technologieoffen sein."
Deutsch-französischer Neustart in Sachen Energiepolitik?
Reiches Aussagen ging Anfang des Monats ein gemeinsames Papier der deutschen und französischen Regierung voraus. Frankreich fährt in Sachen Atomkraft einen ganz anderen Kurs als Deutschland und hat sie als emmissionsarm und daher klimafreundlich eingestuft.
In dem Papier hieß es, man werde einen deutsch-französischen Neustart in der Energiepolitik durchführen. Der solle "auf Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität" beruhen. Das bedeute etwa, die Gleichbehandlung auf EU-Ebene aller emissionsarmen Energien sicherzustellen.
Doch trotz ihrer Offenheit gegenüber einer EU-Förderung auch für Forschung in Zusammenhang mit Kernenergie betonte Wirtschaftsministerin Reiche in Brüssel auch, dass der Fokus der schwarz-roten Koalition weiterhin darauf liege, sich für EU-Mittel für Erneuerbare Energien einzusetzen. Das sei "die Pflicht" der neuen Bundesregierung.
Schneider: Gute Gründe für den Atomausstieg
Aus Sicht von Umweltminister Schneider spricht die CDU-Politikerin mit ihren Aussagen zur möglichen Förderung von Technologien zur Nutzung von Atomenergie nur für sich, keinesfalls für die gemeinsame Koalition. "Eine Positionierung der Bundesregierung gibt es nicht und wird es mit der SPD auch künftig nicht geben", mahnte der Umweltminister.
Deutschland habe sich aus guten Gründen für den Atomausstieg entschieden. "Die Atomkraft ist deutlich teurer als die erneuerbaren Alternativen, bei deren Ausbau Deutschland bereits weit vorangekommen ist und die auch wirtschaftlich ein erfolgreicher Standortfaktor sind", so Schneider. Und zudem bringe Atomkraft "unkalkulierbare Risiken" mit sich - "mit Blick auf Unfälle und die Verbreitung radioaktiven Materials".
Er könne eine solche Technologie "nicht ernsthaft als nachhaltig bezeichnen", hieß es von Schneider weiter. Die Bundesregierung lehne die Finanzierung von Atomanlagen aus EU-Mitteln weiterhin ab und ebenso sämtliche Versuche, "Atomstrom mit nachhaltiger Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energie gleichzusetzen".
Regierungssprecher: "Dazu laufen Gespräche"
Und wie hält es die neu Bundesregierung nun insgesamt mit der Einstufung der Atomkraft? Der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille sagte dazu: "Dazu laufen Gespräche auf europäischer Ebene mit unseren europäischen Partnern, mit der Europäischen Kommission und auch innerhalb der Bundesregierung"
In Deutschland waren Mitte April 2023 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen. Das Aus für die Atomenergie war vor allem von Politikern der Union kritisiert worden. Und noch im Wahlkampf vor der Bundestagswahl hatte die CSU für eine Reaktivierung stillgelegter Atommeiler als Option geworben. In dem gemeinsamen Koalitionsvertrag von Union und SPD schaffte es das Thema Atomenergie aber letztendlich nicht.