Demonstranten protestieren in Tel Aviv gegen die Regierung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu und fordern die Freilassung der israelischen Geiseln, die während des tödlichen Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 entführt wurden.

Proteste in Israel Geisel-Angehörige fordern Ende des "Albtraums"

Stand: 25.05.2025 02:29 Uhr

Wieder haben Hunderte in Israel für eine Freilassung der Geiseln protestiert. Im Gazastreifen selbst gab es erneut viele Tote bei israelischen Angriffen, darunter Kinder. Kritik am Vorgehen Israels kommt auch aus Deutschland.

Hunderte Menschen haben in Tel Aviv für ein Ende des Gaza-Krieges und die sofortige Freilassung der Geiseln demonstriert, die sich noch immer in der Gewalt der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen befinden.

"Wir wissen, dass sie leben, und wir wissen, dass die Zeit ausläuft", sagte Liran Berman, dessen Brüder bei dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt wurden. Das mache die Entscheidung der israelischen Regierung, das Verhandlungsteam aus Katar zurückzurufen, so verstörend. "Jeder Tag ohne Gespräche ist ein Tag, an dem wir riskieren, sie zu verlieren", sagte er.

Ein Demonstrant hält ein Schild hoch, auf dem der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und Pablo Escobar abgebildet sind.

Ein Demonstrant hält ein Schild hoch, auf dem Israels Ministerpräsident Netanjahu und Pablo Escobar, berüchtigter Drogenboss und Schwerverbrecher, abgebildet sind. Daneben ist ein Schild auf dem "Trump, rette uns vor Bibi" steht - so nennen die Israelis ihren Ministerpräsidenten.

"Wie können Sie in den Spiegel schauen?"

Einav Zangauker, deren Sohn weiterhin in der Gewalt der Hamas ist, wandte sich während der Demonstration öffentlich an die Regierung von Benjamin Netanjahu: "Sagen Sie mir, Herr Ministerpräsident: (...) Wie können Sie in den Spiegel schauen in dem Wissen, dass Sie 58 Geiseln im Stich lassen?"

Nira Scharabi, deren Mann in Geiselhaft ums Leben kam und dessen Leiche sich weiterhin im Gazastreifen befindet, sagte, ihre Töchter bräuchten einen Abschluss zum trauern. Doch solange ihr Mann nicht einmal ein Grab habe, dauere die Hölle an. "Ich appelliere von hier an die israelische Regierung: Lassen Sie diesen Albtraum enden."

Bei dem Massaker hatte die Hamas mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer befinden sich 58 Geiseln im Gazastreifen, die Mehrheit von ihnen lebt nicht mehr.

Viele Tote im Gazastreifen

Auch die Zivilbevölkerung im Gazastreifen leidet weiter unter der katastrophalen humanitären Lage und den anhaltenden Angriffen Israels. Im südlichen Chan Yunis sind neun von zehn Geschwistern einer Familie getötet worden. Die Kinder waren sieben Monate bis zwölf Jahre alt, sagte Ahmed al-Farra, der Leiter der pädiatrischen Abteilung des Nasser-Krankenhauses, der Nachrichtenagentur AP. Die Mutter, eine Kinderärztin, habe in der Klinik gearbeitet, als sie von dem Angriff auf ihr Haus erfahren habe. Das einzige überlebende Kind, ein elfjähriger Sohn, schwebe noch in Lebensgefahr. Auch ihr Ehemann sei schwer verletzt worden.

Allein am Samstag starben nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 79 Palästinenser bei israelischen Angriffen. Seit Beginn des Krieges wurden demnach im Gazastreifen mehr als 53.800 Menschen getötet.

Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. Die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen und Experten halten die vom Gesundheitsministerium übermittelten Daten aber grundsätzlich für weitgehend korrekt. Die Gaza-Gesundheitsbehörde unterscheidet bei ihren Zahlen allerdings nicht zwischen Zivilisten und Hamas-Terroristen.

Antisemitismusbeauftragter kritisiert Israel

Auch aus Deutschland kommt mehr Kritik am Vorgehen Israels im Gazastreifen. Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, forderte eine ehrliche Debatte über den Begriff "Staatsräson". "Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Sicherheit Israels und der Juden weltweit zu bewahren. Aber wir müssen auch klar sagen, dass das keine Rechtfertigung für alles ist", sagte Klein der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Palästinenser auszuhungern und die humanitäre Lage vorsätzlich dramatisch zu verschlimmern, habe nichts mit der Sicherung des Existenzrechts Israels zu tun. "Und es kann auch nicht deutsche Staatsräson sein."

Mit Blick auf Israels Offensive im Gazastreifen sagte Klein, das Land dürfe sich gegen den "genozidalen Hass" der Hamas verteidigen. Ziele der Armee seien die Bekämpfung von Hamas-Terroristen, die die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschild missbrauchten, sowie die Befreiung der israelischen Geiseln. "Die Verhältnismäßigkeit darf dabei durchaus infrage gestellt werden."

Guterres: "Vor den Augen der Weltöffentlichkeit"

Israel hatte wochenlang den Zugang von Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert. Vor wenigen Tagen hob die Regierung die Blockade auf und ließ neue Lkw mit Hilfen in das Gebiet. Die Verteilung der Güter lief laut den Vereinten Nationen aber schleppend.

Die UN hätten alle logistischen Voraussetzungen, um die Menschen zu versorgen, sofern Israel dies zulasse, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. "160.000 Paletten stehen bereit, genug, um fast 9.000 Lastwagen zu füllen." Die gesamte Bevölkerung Gazas sei von einer Hungersnot bedroht. "Familien müssen hungern und ihnen wird das Nötigste vorenthalten - und das alles vor den Augen der Weltöffentlichkeit."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 25. Mai 2025 um 04:53 Uhr.