Impressionen von einem Kino

Thüringen Eines der ältesten DDR-Studiokinos feiert 50. Geburtstag

Stand: 06.05.2025 03:00 Uhr

Das Kino am Erfurter Hirschlachufer war eines der ersten Studiokinos der DDR. Es hat stürmische Zeiten er- und überlebt. Bis heute ist es ein Magnet für Liebhaber besonderer Filme, ob arthouse oder in Originalfassung. Im Vorjahr zählte das kleine Kino mit nur einem Saal und nur 60 Plätzen rund 41.000 Besucher. Und der Vorspann für die Zukunft läuft bereits: Der Bau eines zweiten Standortes.

Von Antje Kirsten, MDR Kulturdesk

Mit einem tiefen Gong beginnt jede Vorführung. Der Gong gibt nicht nur das Signal, mit dem Reden aufzuhören, er hüllt den Raum auch wie in eine Kuscheldecke ein. Schon vor 50 Jahren gab es einen Gong. "Der ist geblieben", sagt der Geschäftsführer des Kinoklubs, Ronald Troué, "wie auch das Kino und das grenzt fast an ein Wunder. Das Kino stand mehr als einmal auf der Kippe."

Impressionen von einem Kino

Ronald Troué ist Geschäftsführer des Kinoklubs.

Eines der ersten DDR-Studiokinos

1975 wurde es als eines der ersten Studiokinos der DDR, als sogenannte "Abspielstelle" der Bezirksfilmdirektion Erfurt, eröffnet. Am 6. Mai lief der tschechoslowakische Film "… und ich grüße die Schwalben" von Jaromil Jireš als erster Film über die Leinwand. Schon damals gab es, sagt Troué, einen Besucherrückgang, und die Kulturbosse der DDR suchten nach anderen Kinoformaten.

Impressionen von einem Kino

Gemütliche Atmosphäre statt Massenkino: Schon bei der Gründung 1975 wollte man ein anderes Kinoformat bieten.

Es entstanden Studiokinos und Visionskinos, die mit einer Glasscheibe abgetrennt vom normalen Kinosaal, noch eine Bar mit Couchsesseln hatten. Gegründet wurde das inzwischen älteste Kino Erfurts mit der Intention, dem Publikum besondere Filme jenseits des Mainstreams in einem kleineren, exklusiveren Rahmen anzubieten. Das ist bis heute so geblieben.

50 Jahre Kinoklub in Erfurt

Nach dem Ende der DDR stand auch das Kino vor dem Aus. Schnell gründete sich ein Verein. Der wollte es zunächst als kommunales Kino mit der Stadt weiterführen. 1991 schließlich übernahm der Verein das Kino dann doch selbst. Mit der Initiative Kinoklub e.V. gehört es seitdem den Erfurtern, und die nutzen es rege. Sie haben es in den letzten Jahren saniert, Geld dafür gesammelt und sind immer da, wenn Filmfeste oder das sommerliche Open-Air zu stemmen sind.

Impressionen von einem Kino

Ob arthouse, Klassiker oder Filme in Originalvertonung: Das Kino am Hirschlachufer bietet Streifen jenseits des Mainstreams.

Kino stand kurz vor dem Aus

Susanne Putzmann leitet den Verein und ist – natürlich – Filmfan: "Ich bin auch eine Erste-Reihe-Sitzerin, weil ich es liebe, die anderen auszublenden. Ich mach dann die Beine lang und tauche ab. Ich mag Filme, die mich herausfordern, die mich total überraschen in ihrer Erzählung, aber auch, wie erzählt wird, also in der Art, wie Filme geschnitten werden, wie Rückblenden, Traumsequenzen eingebaut werden", so Putzmann. Sie möge eben Filme, die sie "ein bisschen überfordern" und über die man noch ein oder zwei Wochen nachdenke.

Kino ist wie Butter und Brot. Das will ich einfach vor Ort haben. Susanne Putzmann | Leiterin des Kinovereins

Für ihr Programmkino hat sie zusammen mit den rund 70 Vereinsmitgliedern immer wieder streiten müssen. 2010 wurde es erneut brenzlig, als im Rathaus der Rotstift bei der Kultur angesetzt wurde. "Ich kann mir vorstellen, dass man fürs Theater nach Jena, Weimar oder Berlin fährt. Ich kann mir vorstellen, dass man für ein Sportereignis in eine andere Stadt fährt," erinnert sich Putzmann, "aber ich konnte mir nicht vorstellen, fürs normale Kinogehen in eine andere Stadt zu fahren. Kino ist so was wie Butter und Brot. Das will ich einfach vor Ort haben."

Finanzspritze aus der Erfurter Stadtkasse

Die damalige Kinochefin Dagmar Wagenknecht war längst zur Powerfrau der Kinowelt geworden, war Jury-Mitglied bei der Berlinale und so hatte ihre Stimme Gewicht. Die Stadt kam am Kinoklub nicht vorbei und stellte ihn finanziell auf stabileren Boden. Das Kino bekommt seit dem eine jährliche, institutionelle Förderung durch die Stadt. Die 60.000 Euro seien zwar nur ein kleiner, aber ein wichtiger Finanzbaustein, sagt Ronald Troué.

Impressionen von einem Kino

Kleines Haus mit unscheinbarem Eingang: Das Kino am Hirschlachufer ist das älteste Kino Erfurts.

Das Kino ist klein geblieben. Aber der Saal hat neue Stühle, das Bistro und die Bar wurden umgebaut und haben einen gemütlich-roten-weißen Farbanstrich erhalten. Neue Sanitäranlagen wurden eingebaut und digitale Filmtechnik angeschafft. Das Programmprofil umfasst damals wie heute Dokumentarfilme,  Regieportraits, Filmreihen, Vorträge und so manchen besonderen Film.

Zwei neue Kinosäle im Kulturquartier

"Allerdings können wir längst nicht alle Anfragen berücksichtigen, und es kommen ja auch so viele Filme jede Woche neu ins Kino, die wir gern zeigen würden. Wir wollen künftig gern auch Filme zum Bundesstart zeigen. Deshalb bauen wir zwei neue Kinosäle an einem zweiten Standort", blickt Troué in die nahe Zukunft. Das alte Schauspielhaus wird gerade von Thüringens erster Kulturgenossenschaft zum Kulturquartier umgebaut. Da kommt das Kino mit rein.

Wir wollen künftig gern auch Filme zum Bundesstart zeigen. Ronald Troué | Geschäftsführer des Kinoklubs

Eigentlich sollte zum 50. Geburtstag des Kinoklubs dort in fertigen Sälen der erste Film über die Leinwand laufen. Das Projekt hat sich aber unter anderem durch die Corona-Pandemie verzögert. Ende 2026 oder Anfang 2027 soll es nun soweit sein. Gefeiert wird zum Fünzigsten dennoch vor Ort, nämlich auf der Baustelle.

Die beiden neuen Kinosäle werden 50 und 80 Plätze haben. Eines gibt es aber nicht: Popcorn. "Das gibt es bei uns nicht", lacht Troué: "Uns fehlt das nicht! Es gibt, glaube ich, auch genug Zuschauer, die genau das mögen, dass eben nicht das ganze Kino von so einem Waber-Popcorn-Geruch überzogen ist."

Redaktionelle Bearbeitung: tis, lm