
Sachsen Was die neue Intendantin für Leipzigs Jugendtheater plant
Im September beginnt die Spielzeit am Theater der jungen Welt in Leipzig unter der Leitung der neuen Intendantin Miriam Tscholl. Am Mittwoch hat sie dafür ihre Pläne vorgestellt. Neben dem Stadttheaterbetrieb ist ihr "Mitmachen" wichtig – also eine Art junge Bürgerbühne, wie Tscholl sie bereits erfolgreich in Dresden aufgebaut hat.
- Die neue TdJW-Intendantin Miriam Tscholl will in Leipzig partizipative Theaterformen stärken.
- Dazu sollen verschiedene Klubs gegründet werden, die sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen.
- Damit möchte Tscholl nicht nur in der Innenstadt präsent sein, sondern auch an den Rändern und im Umfeld der Stadt.
Das traditionsreiche Theater der Jungen Welt (TdJW) in Leipzig hat ab der Spielzeit 2025/26 eine neue Intendantin: Miriam Tscholl. Sie ist keine Unbekannte hierzulande, kommt aus Dresden, wo sie am Staatsschauspiel viele Jahre lang die Bürgerbühne geleitet hat. Und sie hat eigene Pläne für das älteste professionelle Kinder- und Jugendtheater Deutschlands.
Insgesamt neun Premieren plant Tscholl für ihre erste Spielzeit. Für die Regie kommen interessante Künstlerinnen und Künstler ans Haus. Tscholl ist offenkundig gut vernetzt und kann diesen Vorteil hier ausspielen. Viele Stücke werden aber auch übernommen. Das klassische Profil eines Kinder- und Jugendtheaters, zu dem z. B. auch Klassiker gehören, die Schulstoff sind, liegt Miriam Tscholl am Herzen. Zudem setzt sie auf neue Formate und Strukturen.
Junge Bürgerbühne für Leipzig
Da die neue Intendatin von der Bürgerbühne kommt, hat sie in Leipzig etwas Ähnliches vor: Eine Art junge Bürgerbühne, für die es ein extra Spielzeitheft, "Mitmachen im TdJW", gibt. Dieses Extraheft ist ein Statement, quasi eine zweite Flanke neben dem traditionellen Theaterbetrieb.
Zwei Projekte die hier entstehen, sollen auch im regulären Spielplan zu sehen sein: In "Und endlich" stehen junge und alte Leipziger auf der Bühne. Es gehe um Dinge, die man "noch nicht" oder "nicht mehr" machen kann, so Tscholl. In einem weiteren Projekt geht es um einen "Social-Media-Trip", für den das Ibsen-Stück "Peer Gynt" umgearbeitet werden soll.
Theater als Proberaum für die Demokratie
Für Tscholl ist Theater "ein Frei- und Denkraum, ein empathischer Proberaum für das Leben." Demokratie und Grundrechte sind für Tscholl ein "sehr, sehr wichtiges Thema" für die Bühne – Theater in Krisenzeiten "darf aber auch Spaß machen."
Die neue TdJW-Intendantin Miriam Tscholl (Zum Ausklappen)
Die neue TdJW-Intendantin Miriam Tscholl wurde 1974 in Freiburg im Breisgau geboren und hat Architektur und Kulturwissenschaften studiert. Danach arbeitete sie am Institut für Theater der Uni Hildesheim sowie als Regisseurin, bevor sie 2009 nach Dresden ans Staatsschauspiel ging, um dort die Bürgerbühne zu gründen und sie bis 2018 erfolgreich zu leiten.

Soll noch partizipativer werden: Das Theater der Jungen Welt in Leipzig.
Die Dresdner Bürgerbühne fand europaweit viele Nachahmer. 2015 hatte Tscholl unter dem Dach der Bürgerbühne mit dem "Montagscafé" auch einen Begegnungsort für Geflüchtete und Einheimische geschaffen, den es bis heute gibt.
Klubs für Erfahrungswelten
Ein Theaterpädagoge und vier Theaterpädagoginnen werden in der neuen Mitmach-Sparte insgesamt zwölf, perspektivisch 14 Klubs betreuen. Diese Klubs richten sich an unterschiedliche Altersstufen und geben teilweise Themen vor, beispielsweise Frechheit, Mut, Schwärmerei oder Bildung. In einem der Klubs geht es beispielsweise um die queere Seite bei Shakespeare, die entdeckt werden will.

In einem der neuen Klubs sollen die queeren Facetten in Shakespeares Stücken erkundet werden.
Immer geht es aber auch um spielerische Grenzüberschreitungen. Am 14. September fällt bei einem "Mitmach-Sonntag" der Startschuss für die Klubs. Eine Probebühne des Theaters wird zum Ort für diese Klubs umgebaut, damit für die junge Bürgerbühne ein neues Heimatgefühl entstehen kann.
Auch an die Ränder Leipzigs gehen
Interessant ist, dass das TdJW auch mit den Klubs Kooperationen in bisher wenig beachteten Stadtteilen und in umliegenden Orten plant, beispielsweise mit Wurzen oder Zwenkau. Tscholl sieht Leipzig hier in der Pflicht, denn sie nimmt ein Stadt-Land-Gefälle wahr. In Leipzig sei man "privilegiert" – diese "Ungerechtigkeit" müsse man ausgleichen.
Derzeit läuft die Akquise von Fördermitteln. Von der Idee her ist die Einbeziehung des Umlands so etwas wie das Projekt "X-Dörfer", das Tscholl zuletzt in Dresden geleitet hatte. Die Idee ist hier, partizipative Kulturprojekte in einem Umkreis von 60 km, in Orten mit maximal 40.000 Einwohnern, zu entwickeln.

Aktive des Bürgerprojektes "X-Dörfer" in Riesa. Bei Bürgerbühnen können sich alle Teile der Gesellschaft beteiligen, nicht nur die Theaterprofis.
Die Projekte mussten nicht Theater im engeren Sinne sein. In Pirna gab es beispielsweise ein Projekt, bei dem Stadtbewohner über ihre Stadt geschrieben hatten. In Riesa versuchte man leere Geschäftshäuser in der Innenstadt neu zu beleben. Nachhaltigkeit spielt dabei immer eine Hauptrolle, die Projekte sollen keine Eintagsfliege bleiben, sondern Kultur grundsätzlich in Bewegung setzen.
Neue Begegnungsorte für Sachsen schaffen
Das Know-how für "X-Dörfer" kam von den Profis am Dresdner Staatsschauspiel. Tscholl fände es überlegenswert, mit den Theatern in Dresden, Leipzig und Chemnitz ein flächendeckendes Netz für diese partizipativen Kulturprojekte in ganz Sachsen aufzubauen. Sie sieht in diesen Projekten ein großes Potential, der auseinanderdriftenden Gesellschaft neue Begegnungsorte zu geben.
Quelle: MDR KULTUR (Stefan Petraschewsky), Theater der Jungen Welt
Redaktionelle Bearbeitung: op