
Sachsen Dresden: Staatliche Kunstsammlungen beleuchten estnisch-deutsche Kultur von Caspar David Friedrich bis Arvo Pärt
Eine jahrhundertelange Geschichte verbindet Deutschland und Estland. Wie eng dabei auch die kulturellen Beziehungen zwischen den Ländern waren, wie stark sich deutsche und estnische Künstlerinnen und Künstler in den unterschiedlichsten Epochen gegenseitig beeinflusst haben, damit beschäftigt sich jetzt eine Sonderausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. "Spiegel im Spiegel" heißt die bisher größte Schau zu estnischer Kunst in Deutschland und wird am Mittwoch eröffnet.
- Am Mittwochnachmittag wird an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine Sonderausstellung zu estnischer und deutscher Kunst eröffnet.
- Das Kooperationsprojekt zwischen Dresden und Tallinn soll auf die wechselseitige Inspiration der Künstler in beiden Ländern hinweisen.
- Dabei entstanden teils überraschende Verbindungen zwischen Kunstgrößen und hierzulande unbekannten Künstlern.
Manchmal ändern sich Pläne. Das musste auch Marion Ackermann erfahren, als sie 2023 nach Estland reiste, um dort erste Ideen für eine Ausstellung zur Kunst der Baltischen Länder zu entwickeln. Die Kolleginnen und Kollegen dort waren allerdings wenig begeistert. Zu klischeebehaftet, zu stereotyp empfanden sie diesen überkommenen Begriff für die drei Staaten.

Marion Ackermann leitete bis vor kurzem noch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Stereotype über "das Baltikum"
"Das hat man sofort nachvollziehen können. Wenn man dort zum Beispiel die Werke des 19. Jahrhunderts betrachtet, dann sieht man ganz viele so stereotype Bilder", erklärt Ackermann, die bis vor kurzem noch Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden war. Großgewachsene deutsch-baltische Männer sehe man da zusammen mit den drei baltischen Schwestern, meistens gemalt als dralle Blondinen in verschiedenen Trachten.

Jahrhunderte verbinden die beiden Länder Estland und Deutschland, in der Geschichte wie in der Kunst.
"Da wird einem klar, dass es fast ein koloniales Auftreten war", reflektiert Ackermann, die jetzt designierte Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist. Das Ergebnis in der Ausstellung ist daher ein anderes: eine Begegnung deutscher und estnischer Kunst und Kultur auf Augenhöhe. Auftakt ist dabei die Künstlerfreundschaft zwischen dem Maler Gerhard Richter (*1932) und Arvo Pärt (*1935), dem estnischen Komponisten.
Komponist aus Estland trifft Maler Gerhard Richter
Darauf verweißt auch der Titel der Ausstellung, "Spiegel im Spiegel", der sich auf eine Komposition von Arvo Pärt bezieht. Zum ersten Mal getroffen haben sich die beiden großen Gegenwartskünstler 2013 in Dresden. Die Begegnung hat Folgen, denn in einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt präsentierten und interpretierten sie sich gegenseitig. Richters Zyklus "Birkenau" und das Werk "Doppelgrau" trafen auf das Chorstück "Drei Hirtenkinder aus Fatima" von Pärt.

Der estnische Komponist Arvo Pärt: Eine seiner Kompositionen lieh der Ausstellung in Dresden íhren Namen.
Ihr künstlerischer Dialog wurde zum Prinzip der neuen Ausstellung in den Staatliche Kunstsammlungen erhoben, erläutert Marion Ackermann: "Wir merken plötzlich, wie die Geschichten miteinander verflochten sind. Es gibt in Dresden Spuren, die wir aufdecken konnten, zum Beispiel, die der Familie Kügelgen. Es gibt hier ja auch ein Kügelgenhaus, aber auch Freundescliquen rund um Otto Dix. Und plötzlich sehen wir hier noch nie gesehene Bilder, die quasi eine Art Ergänzung zu dem bilden, was wir hier in unseren Sammlungen haben."
Was Caspar David Friedrich und August Matthias Hagen gemeinsam haben
Blickfang im Lipsiusbau, in dem die Ausstellung ihren Platz gefunden hat, ist eine Art Kapelle, in der erstmals handschriftliche Partituren von Arvo Pärt außerhalb von Estland gezeigt werden. Es sind nicht nur musikalisch, sondern auch grafisch faszinierende Meisterwerke. Die erste von zwölf so genannten Begegnungen in der Schau, in der die Sammlungen aus Dresden und Tallinn vom Mittelalter bis in die Gegenwart gespiegelt werden.

Blickfang der Ausstellung "Spiegel im Spiegel" der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist eine Art Kapelle.
Da gibt es auf der einen Seite zum Beispiel Werke der Landschaftsmaler Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus, auf der anderen Seite die von August Matthias Hagen. Sein sphärisches Nordlicht-Gemälde mit einer Gruppe Menschen, die den Betrachterinnen und Betrachtern den Rücken zudrehen, zeigt die engen kunsthistorischen Verflechtungen.
Dialoge zwischen Dix und Wiiralt, Beuys und Sooster
"Es gibt so viele Zusammenhänge zwischen Künstlern und Stilen. Da kann man ein Spiel daraus machen: Wie gut kennt man die Sammlungen der SKD und kennt man die deutschen Bilder – und welche Bilder können dann die estnischen Bilder sein, wenn man alle zusammenhängt", erklärt Kadi Polli, die Direktorin des KUMU, des Estnischen Kunstmuseums in Tallinn, über die eng an eng gehängten Bilder in einem der Kabinette.
Zusammen mit Marion Ackermann hat sie die Ausstellung kuratiert und künstlerische Dialoge entspinnen lassen. Entstanden sind Verbindungen zwischen Otto Dix und Eduard Wiiralt, Max Pechstein in Nachbarschaft zu Konrad Mägi oder auch Joseph Beuys mit Ülo Sooster. Wobei die Namen der estnischen Künstler hierzulande kaum bekannt sind.

In Dresden zu sehen: Ülo Sooster: Fear, aus dem Jahr 1954.
Chance für estnische Kunst in Deutschland
Die Estin Kadi Polli hofft, "dass man unsere Kunst mehr zeigen kann, denn alle diese wissenschaftlichen und Forschungskontakte mit Leuten in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in unterschiedlichen Museen" könnten weitere Ausstellungen anregen.
Wir merken plötzlich, wie die Geschichten miteinander verflochten sind. Marion Ackermann | Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Gemessen an der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte, die Estland und Deutschland verbindet, kann die Ausstellung "Spiegel im Spiegel" also nur ein Anfang sein, auf jeden Fall ein fulminanter.
Mehr Informationen zur Ausstellung
Sonderausstellung: "Spiegel im Spiegel – Estnische und deutsche Kunst von Lucas Cranach bis Arvo Pärt und Gerhard Richter"
8. Mai bis 31. August 2025
Adresse
Kunsthalle im Lipsius-Bau
Georg-Treu-Platz 1
01067 Dresden
An der Eröffnungszeremonie am 7. Mai nimmt neben dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer auch Estlands Staatspräsident Alar Karis teil.
Redaktionelle Bearbeitung: tis, lk