
Brandenburg Analyse zeichnet Perspektiven für Brandenburger Gesundheitssystem auf
Die Krankenhaus-Landschaft in Brandenburg ändert sich: weil die bundesweite Krankenhausreform stärkere Spezialisierung fordert, aber auch weil sich die Patientengruppen ändern. Eine Analyse zeigt nun, wie sich der Bedarf bis 2030 entwickeln dürfte. Von Stephanie Teistler
Die eindrücklichsten Zahlen, die diesen Mittwoch im Gesundheitsausschuss vorgestellt werden, haben mit der Krankenhaus-Planung erst auf den zweiten Blick zu tun: In Cottbus sind 54 Prozent der Hausärzte und Hausärztinnen schon über 60 Jahre alt. In Spree-Neiße, der Prignitz, in Elbe-Elster und Frankfurt (Oder) sind immerhin noch fast die Hälfte der Hausärzte Ü60.
Die Zahlen gehören zur sogenannten Versorgungsbedarfsanalyse für Brandenburg [mgs.brandenburg.de]. In Auftrag gegeben hat sie das Gesundheitsministerium im Jahr 2023. Durchgeführt haben sie das Iges-Institut und die Agenon-Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen. Zusammengefasst in fünf Versorgungsgebiete analysiert der Bericht, wie Gesundheitsversorgung in Brandenburg momentan aussieht und wie sich der Bedarf bis 2030 entwickeln dürfte. Die Daten sollen als Grundlage für die Krankenhaus-Planung dienen – und welche Rolle die Hausarztpraxen dabei spielen.

Wie ausgelastet sind die Brandenburger Krankenhäuser?
Bei der Versorgungskapazität zeigen sich laut Analyse teilweise große Unterschiede im Flächenland Brandenburg. Beispiel Bettenauslastung: Der Landkreis Oberspreewald-Lausitz hat mit 45 Prozent die geringste Auslastung, die höchste hat Brandenburg an der Havel mit einer 74 Prozent. Allerdings: Die Bettenauslastung orientiert sich jeweils an den geplanten, nicht an den real aufgestellten Betten. Fast alle Krankenhäuser im Land haben weniger Betten, als sie maximal betreiben dürften. Die tatsächliche Auslastung dürfte also fast überall höher ausfallen.
Auch über die Patientenströme geben die Daten Auskunft. Wenig überraschend: In Ballungszentren, also etwa in den kreisfreien Städten, bleiben die meisten Krankenhaus-Patienten innerhalb der Stadtgrenze. So bleiben 82 Prozent der Frankfurter in Frankfurt, um im Krankenhaus behandelt zu werden. In Brandenburg an der Havel, Potsdam und Cottbus sind die Raten ähnlich. Anders sieht es in den Landkreisen aus. Drei von fünf Patienten aus Märkisch-Oderland werden in einem Krankenhaus außerhalb des Landkreises behandelt. Schlusslicht in dieser Statistik ist Potsdam-Mittelmark - 88 Prozent der Patienten aus Potsdam-Mittelmark verlassen für eine Krankenhausbehandlung den Landkreis.
Daraus lässt sich allerdings nicht unbedingt ablesen, dass die Krankenhäuser in Potsdam-Mittelmark generell bei Patienten unbeliebt sind. Denn ein Blick auf die Patientenströme zeigt auch, dass 65 Prozent der in Potsdam-Mittelmark behandelten Patienten von außerhalb kommen. Ähnlich hoch sind die Patientenströme von außerhalb in die kreisfreien Städte. In die Uckermark und nach Teltow-Fläming kommen mit jeweils 15 Prozent die wenigsten Krankenhaus-Patienten aus anderen Kreisen zur Behandlung.
Wie viele Patienten wird es im Jahr 2030 geben?
Das Gutachten schaut aber nicht nur auf den Ist-Zustand der Brandenburger Krankenhauslandschaft, sondern wagt auch Prognosen für deren Zukunft. Und zwar unter zwei Grundannahmen, von denen die erste lautet: Der demografische Wandel hin zu einer älteren Bevölkerung schreitet voran. Für die meisten Landkreise und kreisfreien Städte geht die Analyse davon aus, dass im Jahr 2030 der Bedarf an stationären Aufenthalten im Krankenhaus leicht zunehmen dürfte.
Am stärksten könnte der Bedarf demnach in Dahme-Spreewald (+ 8 %) steigen. In Cottbus (+ 0,4 %) und Brandenburg an der Havel (+ 0,5 %) bleibt der Bedarf in etwa gleich. Sinken könnte er in Ostprignitz-Ruppin (- 0,6 %), der Prignitz (- 3,1 %), der Uckermark (- 2, 6%), Spree-Neiße (- 3 %), Elbe-Elster (- 3,6 %) und Oberspreewald-Lausitz (- 4,7 %).
Wie werden sich die Pateientengruppen verändern?
Auffällig dabei: Egal, ob in einem Kreis der Bedarf unterm Strich steigt oder sinkt – in der Altersgruppe zwischen 65 und 80 Jahren steigt er in allen Kreisen deutlich, teilweise um mehr als ein Drittel. Der Fakt, dass diese Patientengruppe eher betreuungsintensiv ist, speist auch die zweite Grundannahme der Analyse: Um das Gesundheitssystem nicht durch steigende Kosten zu überlasten, müssten mehr Behandlungen ambulant statt stationär durchgeführt werden.
Die Analyse hat deshalb ermittelt, wie viele der heute noch im Krankenhaus behandelten Fälle auch ambulant behandelt werden könnten. Beispiele dafür sind etwa Mandel-OPs oder Polypen-Entfernungen, nach denen man nicht mehr im Krankenhaus bleiben müsste. In den fünf definierten Versorgungsgebieten sieht die Analyse Potentiale zwischen 25 und 29 Prozent zur sogenannten Ambulantisierung.
Ärztliche Versorgung wird "stambulant"
Aber, so betont Gesundheitsministerin Britta Müller (parteilos), dabei handele es sich nur um theoretische Potentiale. In Gesprächen mit den Krankenhäusern habe sie zu diesen Zahlen teils kritische Rückmeldungen bekommen. "Man muss auf jedes Krankenhaus individuell schauen. Welche Strukturen braucht es, um tatsächlich mehr ambulant zu behandeln und was bedeutet das dann für die übrige Gesundheitsversorgung der jeweiligen Region?", so Müller.
Zusammenfassend kommt die Analyse dennoch zu dem Schluss, dass der Bedarf zur stationären Versorgung perspektivisch deutlich zurückgehen werde. Der medizinisch-technische Fortschritt ermögliche mehr ambulante Behandlungen, etwa durch minimalinvasive Eingriffe. Das Ministerium setzt deshalb darauf, dass die ärztliche Versorgung in Brandenburg zukünftig "stambulant" sein müsse – also eine stärkere Kombination aus stationärer und ambulanter Versorgung.
Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser müssten stärker kooperieren
Hier kommen auch wieder die Zahlen zur Demografie der Haus- und niedergelassenen Fachärzte ins Spiel. Denn die sind bisher schließlich erste Anlaufstelle für ambulante Versorgung. Doch auch hier herrscht in Teilen des Landes Fachkräftemangel – viele Praxen finden keine Nachfolge, Nachwuchs fehlt etwa in der Chirurgie und Urologie.
Aus dem Ministerium kommt deshalb der Vorschlag, dass die Krankenhäuser ambulante Behandlungen auch selbst erbringen sollen. Das Land befinde sich dazu auch in Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Vertretung der niedergelassenen Ärzte im Land. Die ist wohl nicht an einer Konkurrenz durch Krankenhäuser für die niedergelassenen Ärzteschaft interessiert. Aus Ministeriumskreisen heißt es aber, dass auch die KV wisse, dass sie sich vor dem Hintergrund des regionalen Hausärztemangels für eine Zusammenarbeit öffnen müsse. Am Ende werde es darum gehen, das System in beide Richtungen flexibler zu gestalten.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Analyse ist nun Grundlage für die weitere Krankenhaus-Planung. Die erfolgt auch vor dem Hintergrund der bundesweiten Krankenhaus-Reform, die eine veränderte Finanzierung und eine stärkere Spezialisierung der Häuser vorsieht. Kritiker befürchten, dass kleine, wenig spezialisierte Kliniken im ländlichen Raum deshalb schließen könnten.
Aus den Daten der "Versorgungsbedarfsanalyse" könne man allerdings nicht ablesen, ob einzelne Standorte schließen müssten, so die Gesundheitsministerin. Zumal die neue Krankenhaus-Planung nicht mehr von Betten, sondern von sogenannten Leistungsgruppen ausgehe. Die Krankenhäuser stehen in Brandenburg erst noch vor der Aufgabe, diese beantragen. Das heißt, die Kliniken geben an, welche Leistungsgruppen sie zukünftig erfüllen wollen und können, ob sie zum Beispiel genug Fachärztinnen und -ärzte für einen Bereich haben. Erst dann wird man wissen, welche Stationen tatsächlich wegfallen könnten.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version wurde aufgrund eines redaktionellen Fehlers beim Bearbeiten von Stephanie Teistlers Text der Ministerin Britta Müller eine falsche Partei zugeordnet. Richtig ist: Sie ist parteilos. Wir bitten das zu entschuldigen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.05.2025, 19:30 Uhr