
Brandenburg Berlin KZ Sachsenhausen und Ravensbrück: Gedenken an Befreiung der Konzentrationslager vor 80 Jahren
Im Frühjahr 1945 fanden die Befreier der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück das Grauen vor. Die Erinnerung birgt wichtige Lehren für heute. Daher wurden an beiden Orten am Sonntag zentrale Gedenken veranstaltet.
- Präsidentin Ravensbrück-Komitee, deren Mutter KZ überlebte: Verpflichtung, sich für gerechtere Welt einzusetzen
- Kulturstaatsministerin Roth: Erinnerungskultur müsse sich den Geschichtsvergessenen entgegenstellen
- Noch wenige Zeitzeugen beim Gedenken mit dabei
- Vertreter Russlands waren nicht eingeladen
- Zentrales Gedenken in Sachsenhausen: Woidke warnt vor Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus
Mit zentralen Veranstaltungen in den ehemaligen Konzentrationslagern von Sachsenhausen und Ravensbrück wurde am Sonntag in Brandenburg an den 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus erinnert.
Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, würdigte im rbb Ferhsehen die Anwesenheit der wenigen noch lebenden betagten Zeitzeugen. Diese Menschen machten sich große Sorgen, dass in Deutschland, in Europa und darüber hinaus wieder Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit um sich greifen, so Drecoll. Deswegen wollten sie unbedingt ihre Geschichten erzählen.
Dass es irgendwann keine Holocaust-Überlebenden mehr geben wird, bezeichnete er als großen Verlust. Das stelle auch die Arbeit der Gedenkstätten vor Herausforderungen. Die Zeitzeugen seien wichtige Bezugspunkte ihrer Arbeit. Es gebe aber auch eine gesamtgesellschaftliche Dimension, denn diese Menschen hätten eine moralische Autorität. "Es wird ihnen zugehört und sie haben ja auch sehr viel zu sagen. Das wird uns fehlen."

Gedenkstätte Ravensbrück
Unter den Gästen waren auch neun ehemalige Häftlinge aus Ungarn, Israel, Polen und Deutschland.
Vertreter Russlands wurden nicht eingeladen, seit das Land 2022 die Ukraine überfallen hat. Auch AfD-Politiker waren nicht erwünscht. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten begründete das damit, dass die Partei versuche, die NS-Geschichte umzudeuten und Werte wie Solidarität und Respekt nicht teile.
Claudia Roth: "Erinnerungskultur müsse sich den Geschichtsvergessenen entgegenstellen"
Die Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees, Ambra Laurenzi, deren Mutter das KZ Ravensbrück überlebt hatte, sagte in ihrer Rede, Geschichte dürfe nicht vergessen werden. Es sei eine Verpflichtung, sich "im Andenken an unsere Mütter" für eine bessere Kommunikation zwischen den Staaten und für eine gerechtere Welt einzusetzen.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte bei der Gedenkveranstaltung, die Erinnerungskultur müsse sich den Geschichtsvergessenen entgegenstellen. "Wir brauchen diese Erinnerung als aktives Erinnern für die Zukunft unserer Demokratie und für eine Gesellschaft, zu der Vielfalt gehört."
Sie verwies auf Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Roth würdigte auch die Arbeit der Gedenkstätte Ravensbrück. Sie sei wichtig für die Demokratie in Deutschland, die wieder von Rechtsextremen angegriffen werde. "Wir müssen die Demokratie verteidigen, beschützen und stärken", so Roth.
In Ravensbrück ließ die sogenannte Schutzstaffel der Nazis 1939 das größte deutsche Frauen-Konzentrationslager errichten, in das später auch Männer kamen. Zwischen 1939 und 1945 waren laut Gedenkstätte mehr als 120.000 Frauen, 20.000 Männer und etwa 1.000 weibliche Jugendliche dort inhaftiert. Zehntausende wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheit oder durch medizinische Experimente. Ende April 1945 trieb die SS Zehntausende Häftlinge auf Todesmärsche. 3.000 zurückgelassene Kranke wurden am 30. April 1945 von der Roten Armee befreit.
Gedenkstätte Sachsenhausen
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat zum 80. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen vor einer Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten gewarnt. Manche Geschichtsleugner wollten vom Holocaust nichts mehr wissen, erklärte Woidke am Sonntag bei einer Gedenkveranstaltung in Oranienburg in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Aber "weder Erinnerung noch historische Verantwortung kennen einen Schlussstrich".
Woidke betonte, es gebe immer weniger Zeitzeugen, die von den grausamen Bedingungen der Inhaftierung und Tötung tausender Menschen hinter den Mauern der Lager berichten könnten. "Deshalb ist es an uns, ihre wahrhaften Geschichten und die historischen Orte der NS-Verbrechen wachzuhalten", betonte der brandenburgische Ministerpräsident vor mehr als 700 Gästen, darunter vier Überlebende des KZ Sachsenhausen aus Polen, Israel und der Ukraine.
Begonnen hatten die Veranstaltungen am Sonntag mit einem interreligiösen Gottesdienst, gefolgt von einem Zeitzeugengespräch und Angeboten für die Angehörigen der NS-Verfolgten. Unter den Gästen waren Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner (CDU) sowie Abgeordnete und Botschaftsangehörige zahlreicher Staaten.
Am 22. und 23. April 1945 erreichten sowjetische und polnische Soldaten das KZ Sachsenhausen, das vorher von den Nationalsozialisten geräumt worden war. Sie fanden im Lager nach Angaben der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten noch rund 3.000 kranke Häftlinge. Mehr als 30.000 Häftlinge waren auf einem Todesmarsch in der Gewalt der SS. In Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, mindestens 55.000 starben laut Stiftung an unmenschlichen Haftbedingungen oder wurden Mordopfer der SS.

Bereits in den vergangenen Tagen fanden Gedenkfeiern in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, in der Todesmarsch-Gedenkstätte im Belower Wald bei Wittstock und am Ort eines ehemaligen KZ-Außenlagers am Bahnhof von Grüneberg statt. Am 5. Mai ist im ehemaligen KZ-Außenlager Klinkerwerk in Oranienburg ein weiteres Gedenken geplant.
Am Sonntag um 18:00 Uhr berichtet das rbb Fernsehen von den Gedenkveranstaltungen in Ravensbrück und Sachenhausen. Überlebende erzählen ihre Erlebnisse, von Folter und dem Kampf ums Leben im Lager. Gesprächsgast ist unter anderem Gedenkstättenleiter Axel Drecoll.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 03.05.2025, 19:30 Uhr