
Brandenburg Katherina Reiche - die "harte Nuss" aus Luckenwalde
Am Kabinettstisch des künftigen Kanzlers Merz wird mit Katherina Reiche auch eine Brandenburgerin sitzen. Hinter der ersten Bundeswirtschaftsministerin liegt eine ungewöhnliche Karriere, vor ihr ein Berg an Herausforderungen. Wofür steht sie? Von Hanno Christ
Sie ist noch gar nicht im Amt, doch Anerkennung bekommen hat Katherina Reiche bereits viel. Etwa, eine durchsetzungsstarke Frau vom Fach zu sein, eine selbstbewusste Machtpolitikerin oder nicht zuletzt die erste Frau an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums - und dann auch noch aus Ostdeutschland.
Gerade in der CDU, die Wirtschaft stets als ihre Kernkompetenz versteht, will all das etwas heißen. Das Wirtschaftsministerium begreift die Partei gerne für sich so sehr als ihr Revier, wie die Bündnisgrünen das Umweltministerium oder die Sozialdemokraten das Arbeitsministerium. Das dürfte also nicht jeder oder jede bekommen. Bevor Katherina Reiche überhaupt in ihr Büro im Ministerium einzieht, scheint diese Frau also schon ziemlich viel richtig gemacht zu haben. Vor allem schwingt bei vielen Beobachtern Respekt mit, dass sie es soweit gebracht hat.

Der "Brandenburger Schlachteplatte" entkommen
Wer einen Blick auf die Karrierekurve der heute 51-jährigen Luckenwalderin wirft, der sieht, dass sie fast ohne Knicke immer nach oben zeigte. Dabei hätte es auch anders kommen können.
1992 tritt die Chemie-Studentin, Tochter eines Kunststoff-Unternehmers, in die Junge Union ein. Schon 1998 zieht sie als jüngste Abgeordnete für die CDU als Potsdamer Abgeordnete in den Bundestag ein. Dort wird sie 17 Jahre lang sein, dazu auch zwischendurch stellvertretende Fraktionsvorsitzende und ab 2009 auch Parlamentarische Staatssekretärin zuerst im Umwelt- und dann im Verkehrsministerium.
Frühe politische Wegbegleiter wie der heutige CDU-Kreisvorsitzende von Potsdam-Mittelmark, Christian Große, beschreiben Reiche als "hartnäckige Kämpferin". "Sie ist durchsetzungsstark. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann will sie es durchsetzen", so Große.
Reiches Verankerung auf Bundesebene bewahrte sie wohl auch, ein frühes Opfer der berüchtigten "Brandenburger Schlachteplatte" in der Brandenburger CDU zu werden. Die vielen langjährigen Fehden im Landesverband – oft mittendrin auch Reiches damaliger Mann Sven Petke - kosten damals manche ihre Karriere. Reiche gelang es, sich im Hauen und Stechen weitgehend schadlos zu halten und sich weiter nach oben zu arbeiten.
Reiche als Merkels politische Ziehtochter
2002 beruft sie Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber in sein Kompetenz-Team, verantwortlich für Familienpolitik. Dass es danach nicht gleich weiter rasch nach oben geht, liegt an der Niederlage Stoibers bei der Bundestagswahl. Doch auch danach hält Reiche engen Kontakt zu den Mächtigsten der Republik, etabliert sich als exzellente Netzwerkerin und gehört etwa zu den Frauen mit einem Duz-Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Reiche gilt als Ziehtochter der Kanzlerin.
Sie zählt nicht zu den Politikerinnen, die den Konflikt auf offenem Feld suchten, gibt sich in Interviews stets vorsichtig und wählt ihre Worte mit Bedacht. Inhaltlich orientiert sie sich stets eher reibungsarm an den aktuell gehandelten Positionen der CDU-Spitze. So tritt sie etwa für die Zulassung von Gentechnik in der Landwirtschaft ein, verteidigt die Kernenergie so lange, bis auch Merkel nach der Katastrophe von Fukushima den Ausstieg ankündigt. Unklar ist, ob sie ihre einst kritischen Positionen zu gleichgeschlechtlichen Familienmodellen bis heute beibehalten hat.
Karriere in der Wirtschaft
2015 wechselt Reiche abrupt die Spur von der Politik in die Wirtschaft - manchen zu abrupt. Ohne Rücksicht auf Übergangszeiten legt sie 2015 mitten in der Legislatur ihr Mandat nieder und wechselt zum Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dem Lobbyverband für rund 1.500 Stadtwerke. Die Kritik an diesem - für sie lukrativen - Wechsel lässt Reiche damals an sich abperlen. Danach wird es eher still um sie, aus dem grellen Rampenlicht der Politik ist sie vorerst raus.
2020 dann der nächste Karriereschritt: Reiche wird Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers Westenergie, einem Tochterunternehmen des Energieriesen Eon. Reiche ist nunmehr Chefin von 11.000 Mitarbeitenden und gehört damit zu den sehr wenigen Frauen aus dem Osten der Republik, die im Westen Karriere gemacht haben. Sie erarbeitet sich den Ruf einer erfolgreichen Managerin, in ihrer Zeit steigert sich der Umsatz des Unternehmens deutlich.
Sie selbst beschreibt sich als "harte Nuss", die viel verlangt. Gleichzeitig sieht sie sich als Unternehmerin, die ein Umfeld schaffen möchte, in dem Menschen gerne arbeiten, und in dem Familie und Beruf gut zu vereinbaren sind.
Reiche muss es wissen: Sie ist selbst Mutter von drei Kindern, lebt vom Vater ihrer Kinder, dem einstigen CDU-Politiker Petke, aber getrennt. Mittlerweile hat sie eine Beziehung zum ehemaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg öffentlich gemacht.

Profitiert Reiche von der Vorarbeit der Vorgängerregierung?
Das Amt der Wirtschaftsministerin wirkt nun wie ein nahezu logischer Folgeschritt in der Lebensplanung der gebürtigen Brandenburgerin, auch wenn er von manchen - wie dem Verein Lobby Control - als zu fließend kritisiert wurde. Der Verein vermisst die Distanz zwischen Unternehmen und Regierung und befürchtet Interessenkonflikte. Reiches Schritt aber vereint ihr großes Netzwerk in der CDU und der Wirtschaft mit einer erfolgreichen Bilanz als Managerin. Dass Reiche noch dazu eine Frau aus Ostdeutschland ist, dürften Kirschen auf der Sahnetorte der Koalition von SPD und Union sein.
Es spricht einiges dafür, dass das neue Amt für sie kein Karrierekiller ist. Die Stimmung in der Wirtschaft ist gerade auf einem Tiefpunkt, aber genau das könnte ihr in die Karten spielen. Denn irgendwann dürften auch drei Jahre schrumpfende Wirtschaft einmal eine Talsohle erreicht haben und es bergauf gehen. Die Vorgängerregierung der Ampel hatte zwar einen schlechten Ruf, zugleich aber auch denkbar ungünstige Rahmen-Bedingungen: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine legte schonungslos die große Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energie-Importen offen. Eine Bürde im Amt, die Reiches Vorgänger, der Bündnisgrüne Robert Habeck, nicht so schnell los wurde. Vom fortan beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energie und die Erschließung neuer Energie-Importquellen dürfte aber auch Reiche enorm profitieren.
Reiche übernimmt Wirtschaftsministerium mit weniger Aufgaben
Ein weiterer Grund, dass Reiche Erfolg haben könnte: Ihr Ministerium ist nicht mehr das, was es unter ihrem Vorgänger Habeck einmal war. Teile des Ministeriums, wie etwa der Klimaschutz, sind künftig anderen Häusern zugeordnet. Sie ist keine Vize-Kanzlerin, ihr Ministerium ist nicht mehr so politisch aufgeladen, weniger Schaltstelle der Macht.
Fraglich, wie ernst Reiche es künftig mit der Energiewende hin zu mehr Klimaschutz noch meint. Auf ihrem Aufgabenzettel stehen nun vor allem die Senkung der Stromkosten, der Aufbau eines funktionsfähigen Wasserstoffnetzes und eine Strategie im Umgang mit der US-Zollpolitik. Am Ende muss sie ein dickes Plus im Wirtschaftswachstum vorweisen - und dass sie es besser kann als ihr Vorgänger.
Sendung: Antenne Brandenburg, 05.05.2025, 18:00 Uhr