
Brandenburg FAQ | Verfassungsschutz und AfD: Wie läuft die Einstufung als Verdachtsfall und gesichert rechtsextrem ab?
"Gesichert rechtsextrem" lautet die nachrichtendienstliche Einordnung, die der Brandenburger Verfassungsschutz der Landes-AfD gibt. Aber wie arbeiten hier Politik, Justiz, Nachrichtendienst und andere Behörden zusammen? Wer hat welche Kompetenz? Ein FAQ von Christoph Hölscher
Gehört der Verfassungsschutz zum Innenministerium?
Ja. In Brandenburg ist der Verfassungsschutz eine Abteilung des Innenministeriums. Das ist im Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetz so geregelt. Auch in vielen anderen Bundesländern gehört der Verfassungsschutz zum Innenministerium bzw. -senat, etwa in Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Niedersachsen. Einige Bundesländer haben aber auch eigenständige Verfassungsschutzämter, etwa Sachsen, Bayern, Hamburg, oder Baden-Württemberg.

Wie hängen die verschiedenen Verfassungsschutzbehörden Bund/Länder zusammen?
Die 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz arbeiten autark und sind gegenüber dem Bundesamt nicht weisungsgebunden. Allerdings sind sie gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Dazu gehört, dass sie relevante Informationen wechselseitig austauschen. Dabei gibt es eine Arbeitsteilung: Die Landesbehörden sind dafür zuständig, Informationen über extremistische oder sicherheitsgefährdende Bestrebungen in ihren Bundesländern zu sammeln und auszuwerten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sammelt und ergänzt Informationen über Aktivitäten, die gesamtstaatlich bedeutsam oder darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden, vorzubereiten oder zu unterstützen.

Wer genau entscheidet über eine Einstufung als Verdachtsfall oder gesichert extremistische Bestrebung?
In Brandenburg hatte bis vor kurzem der Abteilungsleiter für Verfassungsschutz das Recht, eigenständig über eine Einstufung als Verdachtsfall bzw. als gesichert extremistische Bestrebung zu entscheiden – also der jetzt in den einstweiligen Ruhestand versetzte Jörg Müller. Das hatte der ehemalige Innenministers Michael Stübgen (CDU) im November 2023 in einer Dienstanweisung so festgelegt. Damit änderte er die bis dahin geltende Regelung, wonach die Entscheidung von der Hausspitze getroffen werden musste, also dem Minister oder der Ministerin. Mit diesem Schritt wollte Stübgen deutlich machen, dass der Verfassungsschutz unabhängig von politischen Vorgaben des Ministeriums handeln könne. Innenministerin Katrin Lange (SPD) setze die Dienstanweisung jetzt jedoch außer Kraft und verfügte die Rückkehr zur alten Praxis: Von nun an darf sie als Ministerin wieder die finale Entscheidung auf Grundlage der Verfassungsschutzgutachten treffen.
Wie ist der offizielle Ablauf einer Einstufung?
Bereits 2020 hatte der Brandenburgische Verfassungsschutz den Landesverband der AfD als "rechtsextremen Verdachtsfall“ eingestuft. Seitdem wurde geprüft, wie belastbar dieser Verdacht ist. Auf Grundlage der gesammelten Informationen und Erkenntnisse wurde offenbar schon Mitte April 2025 entschieden, die AfD als "gesichert rechtsextreme Bestrebung" einzustufen. Diese Entscheidung konnte der Abteilungsleiter für Verfassungsschutz, Jörg Müller, allein treffen. So sah es die bis vor kurzem geltende Dienstanweisung vor. In "Fällen von besonderer Bedeutung" war die Ministerin bzw. der Minister sowie die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) zu informieren, anschließend auch die Öffentlichkeit. Ob der Abteilungsleiter dieser Pflicht korrekt nachgekommen ist, ist derzeit Gegenstand der politischen Kontroverse. Wie genau das Verfahren jetzt geregelt ist, seit die Dienstweisung aufgehoben wurde, ist nicht bekannt.

Kann die Innenministerin die Einstufung aufheben?
Theoretisch schon. Sie - und nicht mehr der Abteilungsleiter - hat jetzt das letzte Wort, auch bei möglichen Entscheidungen über eine "Rückstufung" bzw. Aufhebung der Beobachtung. Allerdings müsste sie dafür wohl überzeugende Argumente anführen. Die Einstufung der AfD Brandenburg als gesichert rechtsextrem wurde ja aus fachlichen Gründen und anhand vorliegender Erkenntnisse vorgenommen. Sollte diese Entscheidung wieder aufgehoben werden, müsste die Ministerin wohl auch erklären, warum sie zu einer anderen Einschätzung kommt als ihr ehemaliger Abteilungsleiter. Allerdings hat Ministerin Lange angekündigt, die Einstufung nicht ändern zu wollen.
Wer hat Einblick in das Gutachten zur Einstufung?
Bislang ist das als vertraulich eingestufte, gut 140 Seiten lange Gutachten lediglich Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzabteilung bzw. des Innenministeriums bekannt. Auch der Parlamentarischen Kontrollkommission liegt es nach Angaben von Mitgliedern noch nicht vor. Die Innenministerin hat jedoch angekündigt, das Gutachten veröffentlichen zu wollen – möglicherweis ohne die Passagen, die geheimdienstliche Informationen enthalten. Die Prüfung dafür habe sie bereits in Auftrag gegeben. Eine Entscheidung solle bis Anfang der kommenden Woche fallen.

Wie sind die Erfolgsaussichten der AfD, die Einstufung juristisch zu verhindern?
Das ist unklar, wie bei jeder gerichtlichen Entscheidung. Die AfD Brandenburg hatte bereits 2021 gegen die Einstufung als Verdachtsfall Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam eingereicht. Das hat bislang noch nicht entschieden. Die Klage des Bundesverbands der AfD gegen ihre Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall wurde 2024 in zweiter Instanz vom zuständigen Oberverwaltungsgericht Münster abgewiesen. Gegen diese Entscheidung versucht die AfD noch, vor dem Bundesverwaltungsgericht vorzugehen.
Nun hat die Bundes-AfD auch gegen ihre Anfang Mai erfolgte Einstufung als erwiesen rechtsextreme Bestrebung Klage eingereicht. Bis diese entschieden ist, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die Einstufung aus Respekt vor dem Gericht ausgesetzt. Das heißt, die Einstufung wird bis dahin nicht mehr öffentlich kommuniziert und sie wird nicht praktisch angewandt - etwa durch einen verstärkten Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.

Was sind die Folgen einer Einstufung? Werden jetzt alle AfD-Beamten entlassen?
Nach Einschätzung von Fachleuten hat die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem gegenüber dem Verdachtsfall nur graduelle Auswirkungen. Die Hürden etwa für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel – z.B. Telefonüberwachung – seien etwas niedriger als beim "Verdachtsfall". Auch werde es dadurch einfacher, die AfD beispielsweise von der Teilnahme an Veranstaltungen oder der Vergabe von öffentlichen Räumen auszuschließen.
Welche Auswirkungen die Einstufung für deren Mitglieder im Staatsdienst hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Beamte sind grundsätzlich verpflichtet, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Wenn ihr Engagement in einer extremistischen Partei daran Zweifel aufkommen lässt, könnte es dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Entlassung geben. Das muss allerdings im Einzelfall gründlich geprüft werden. Grundsätzlich sind Beamte z.B. nicht verpflichtet, eine Parteimitgliedschaft anzugeben. Nach Einschätzung von Fachleuten würden Disziplinarmaßnahmen deshalb wohl nur herausgehobene AfD-Kader mit besonders extremen Ansichten treffen.
Sendung: