
Brandenburg Was die Entlassung des Brandenburger Verfassungsschutzchefs bedeutet
Mitten in der Debatte um ein AfD-Verbot feuert die Brandenburger Innenministerin Lange ihren renommierten Verfassungsschutzleiter - und verkündet offiziell die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch". Das politische Manöver lässt viele Fragen offen - und sendet fatale Signale. Von Hanno Christ
Jetzt also doch: Die AfD in Brandenburg wird als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Was intern im Ministerium schon länger die Runde machte, ist nun seit Mittwoch offiziell, wenngleich sich die SPD-Innenministerin Katrin Lange damit sichtlich schwer tat. Im Innenausschuss bestätigte sie, was bislang nur Medien erzählten: Dass die Verfassungsschutz-Abteilung zu diesem Schluss gekommen sei. Das gelte jetzt vorerst so, sagt sie. Fragen, ob sie das befürworte, ließ sie unbeantwortet.

Weiß Lange mehr als sie zugibt?
Lange gibt recht unverstellt zu erkennen, dass sie von derlei Einstufungen nicht viel hält. Sie hatte sie zuletzt eher kritisiert. Die neue Einstufung im Land ist ein - von ihr ungeliebtes - Erbe ihres nun geschassten Verfassungsschutzchefs Jörg Müller. Der soll Lange zufolge bereits Mitte April die AfD in Brandenburg als gesichert rechtsextremistisch besiegelt haben, die Innenministerin aber vermeintlich erst am Montag davon in Kenntnis gesetzt haben. Sie selbst will die Materialsammlung noch nicht einmal studiert haben. Keine Zeit, meint sie. Eine Darstellung der Ministerin, an der Zweifel angebracht sein dürften.
AfD-Neubewertung schon länger Thema
Bereits seit Dezember vergangenes Jahr gibt es Berichte, wonach die AfD auch in Brandenburg als erwiesen rechtsextremistisch hochgestuft werden sollte, dies aber mit Rücksicht auf Wahlen zurückgestellt wurde. Es war also klar, dass die Neubewertung der AfD eine der Hauptaufgaben der neuen Innenministerin Lange werden würde. Es fällt schwer zu glauben, dass sie sich damit mehr als fünf Monate nicht beschäftigt haben will, zumal eine Entscheidung fallen musste.
Seit fast fünf Jahren gilt die AfD in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall. Damals war Brandenburg das erste Bundesland, in dem das passierte. Juristisch muss dieser Schwebezustand allerdings irgendwann entschieden werden. Ist die AfD nun eine rechtsextremistische Partei oder nicht? Brandenburg hat sich lange um eine Antwort gedrückt – bis jetzt.

Indizien, dass Müller überparteilich einen guten Job machte
Am Freitag vergangener Woche teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, die AfD im Bund nun auf Grundlage eines mehr als 1.100-seitigen Gutachtens als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Brandenburg war fortan unter Zugzwang, auch seinen Landesverband entsprechend einzustufen, zumal in dem nicht-öffentlichen Gutachten des Bundesamtes die AfD Brandenburg eine gewichtige Rolle spielen soll.
Eine treibende Rolle bei der Anhäufung von Beweismaterialien kam dabei dem damaligen Leiter des Verfassungsschutzes Müller zu. Der machte nie einen Hehl daraus, dass er die AfD für immer extremistischer und auch gefährlich hielt. Dass nun ausgerechnet er seinen Schlapphut nehmen muss, ist für die AfD ein Geschenk, verschnürt und überreicht von seiner einstigen Vorgesetzten Lange.
Dabei galt Müller als verlässlicher Beamter. Er arbeitete einst als Büroleiter des damaligen SPD-Innenministers Karl-Heinz Schröter, wurde danach unter einem CDU-Innenminister zum Leiter des Verfassungsschutzes berufen - alles Indizien, dass der Mann überparteilich einen guten Job gemacht haben muss. Nur die Chemie zwischen Lange und Müller stimmte offenbar nicht.
Vorwurf politischer Einflussnahme
Der machtbewussten Lange ist die Hackordnung innerhalb ihres Hauses wichtig, nach außen hin richtet sie mit der Entlassung großen Schaden an. Wichtige politische Entscheidungen trifft fortan wieder die Ministerin, nicht mehr der Verfassungsschutzchef im Alleingang. Devise fortan: kurze Leine.
Den Kritikern des Verfassungsschutzes hat Lange nun neue Nahrung gegeben, Instrument der Regierenden zu sein – ein Lieblingsargument von AfD wie Linken. Lange stellt damit nicht nur ihre eigenen Leute, sondern auch deren Arbeit infrage. Das Gegenteil müsste der Fall sein: Die Verfassungsschutzabteilung hat offenbar über Jahre immer mehr Material über die AfD gesammelt. Die Politik muss ihre konsequenten Schlüsse daraus ziehen und handeln. Sonst ist die Arbeit umsonst.

Wie politisch relevant ist die Einstufung durch den Verfassungsschutz?
Der Verfassungsschutz, seine Arbeit und seine Befugnisse werden immer wieder kritisch gesehen, nicht nur in Brandenburg. Auch die Einstufung von Organisationen oder Parteien als extremistisch durch die Behörden werden immer wieder hinterfragt, können aber auch gerichtlich geprüft werden. Politisch gesehen ist im Fall der AfD fraglich, ob die Einstufung durch den Verfassungsschutz der Partei womöglich sogar in die Karten gespielt hat. Die oft wiederholte Erzählung der AfD vom „Regierungsschutz“ passt jedenfalls bestens in ihre Erzählung von der Anti-Eliten-Partei. Die Wahlergebnisse geben ihr Recht. Sie zeigen, dass sich die Wählerinnen und Wähler nicht von Urteilen des Verfassungsschutzes abschrecken lassen, auch dann nicht, wenn sie gerichtlich bestätigt sind. Die AfD erfreut sich regen Zuspruchs in Ost wie West.
SPD hadert mit Müller-Entlassung
Nun grätscht Lange einen der anerkanntesten Mitarbeiter ihres Hauses weg, mitten in der Debatte um den künftigen Umgang mit der AfD. Die einen fordern ein Verbot, die anderen eine reine Auseinandersetzung mit politischen Mitteln. Lange glaubt, dass es weder Verbote noch Einstufungen braucht. Sie gilt in der SPD als erzkonservative Politikerin, die zum Beispiel mit einer beinharten Migrationspolitik punkten möchte.
Damit eckt sie aber in ihrer SPD an, einer Partei, von der sich Lange vielleicht auch einmal zur Ministerpräsidentin küren lassen möchte. Die Prignitzerin wird immer wieder als Nachfolgerin von Dietmar Woidke gehandelt. Doch in der SPD kommt ihr konservativer Rechts-Kurs nicht überall gut an. Die Entlassung des Verfassungsschutzchefs bringt die Genossen nun noch mehr auf. Woidke hat Lange freie Hand gelassen zu haben, hat die Entlassung mitgetragen. Dabei hatte Woidke noch im Wahlkampf die SPD als Bastion gegen Rechtsextremismus gelobt. Wie passt das zusammen, wenn die Regierung einen renommierten Beamten feuert, der sich immer gegen Extremismus stark gemacht hatte?
Für ihre Personalentscheidung hat Lange bereits viel Beifall bekommen - von der AfD. Ironie der Geschichte: Einst hatte die AfD in einer Sitzung des Innenausschusses offen gedroht, wenn die AfD erst an der Macht sei, wäre Jörg Müller seinen Posten sofort los. Diesen Job hat nun eine SPD-Ministerin besorgt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.05.2025, 19:30 Uhr