
Berlin Wettbewerb: Fachjury zum Tempelhofer Feld entscheidet mehrheitlich auf Pläne ohne Randbebauung
Seit langem wird um die Nutzung des einstigen Flughafenareals gestritten. Der Berliner Senat, der eine Randbebauung favorisiert, hat einen Wettbewerb gestartet – dessen Ergebnis eher die Bebauungsgegner zu stärken scheint. Von Sebastian Schöbel
Bunte Architektenentwürfe mit Computergrafiken, die die Fantasie anregen, gehören in der Regel zum angenehmeren Teil der Stadtentwicklungspolitik. Nicht so beim Tempelhofer Feld: Bei der Vorstellung von sechs Konzepten zur Weiterentwicklung des Feldes merkt man vor allem der Wortwahl von Bausenator Christian Gaebler an, wie aufgeladen das Thema inzwischen ist.
Von "Schützengräben" und einem "nicht ganz einfachen Umfeld" spricht der SPD-Politiker, eine Anspielung auf die seit Jahren andauernde Debatte über die Frage, ob das Feld nun doch bebaut werden soll, trotz des Volksentscheides von 2014 dagegen. Man habe jetzt endlich "ernsthafte" Ideen auf dem Tisch, so Gaebler – und erwähnt dabei explizit auch die Randbebauung, die der schwarz-rote Senat anstrebt. "Alle, die sagen, es darf sich nichts ändern, sind hiermit, glaube ich, eines Besseren belehrt."
Und Gaebler lobt die Dialogwerkstätten, in denen der Senat 275 zufällig ausgewählte Berliner:innen über Ideen für das Feld nachdenken ließ. Dass die am Ende mehrheitlich gegen eine Bebauung votierten und der Senat daraufhin den Wettbewerb für Feld-Konzepte anpassen musste, erwähnt Gaebler nicht.

Zwei Entwürfe sehen Randbebauung vor
Und so spiegeln die sechs Ideen, die nun in die engere Auswahl gekommen sind, die ganze Bandbreite der "Feld-Debatte" wider: Von umfangreicher Bebauung bis hin zur Gestaltung eines fast komplett freien Landschaftsparks ist alles dabei. Eine Rangfolge gebe es nicht, heißt es. Und ein "Realisierungsversprechen" gebe es ebenfalls für keines der Konzepte – eben wegen des Tempelhofer-Feld-Gesetzes.
Am weitesten den Senatsplänen entgegen kommt wohl die Idee des dänischen Architekturbüros Schønherr in Kopenhagen. Demnach soll entlang des Tempelhofer Damms und auf fast der gesamten Länge des südlichen Feldrandes, parallel zur Autobahn und Ringbahn, ein Stadtquartier namens "Tempelhöfe" entstehen. Angedacht ist eine Art "Labor", das zur Spielwiese für neue, experimentelle Bauverfahren etwa mit Lehm oder recycelten Materialien werden soll. Auch Platz für Sportplätze und kleine Gewerbe soll es geben, etwa Fahrradwerkstätten oder Coffeeshops.
Auch der Entwurf der Stadtplaner von "De Zwarte Hond" aus Berlin sieht eine Randbebauung vor, spart dabei aber den südlichen Rand des Feldes aus. Dafür soll dort unter anderem ein neuer S-Bahnhof entstehen. Beide Entwürfe enthalten zahlreiche neue Park- und Freizeitflächen auf dem Feld, wollen Wälder pflanzen und alte Gebäude reaktivieren, etwa für Kunst und Kultur.

Bäume, "Feldflitzer" und eigene Tram-Strecke
Die anderen vier Entwürfe, die von der Jury ausgewählt wurden, unterscheiden sich davon aber dennoch merklich: Sie alle verzichten komplett auf eine Randbebauung mit Wohnungen oder Gewerbe. Am konsequentesten fällt der Entwurf der "bbz Landschaftsarchitekten" aus, die das Feld mit einem dichten Waldring umgeben wollen, das innere Feld selbst aber fast komplett unangetastet lassen würden. Einen sehr ähnlichen Plan hat der Berliner Landschaftsarchitekt Franz Reschke, der das Feld in verschiedene, themenbezogene "Haine" unterteilen würde, die öffentliche Gärten, Sportanlagen oder Spielplätze enthalten, stets umsäumt von Bäumen.
Auch die Berliner Architekten des "Some Place Studio" wollen vor allem Bäume pflanzen, aber zumindest Bestandsgebäude wie die ehemalige Ballonhalle umbauen und weiter nutzen, etwa für Veranstaltungen. Zudem träumen sie von autonom fahrenden, elektrischen "Feldflitzern" als Fortbewegungsmittel. Die verkehrliche Erschließung des Feldes selbst denkt das Studio "Raumlabor" am weitesten, mit einer eigenen Tram-Strecke auf dem Tempelhofer Feld. Dazu kommen unter anderem großangelegte Spielplätze, eine Wasserrutsche, ein kleines Freibad direkt neben dem Columbiabad und eine neue Akademie für Bürgerschaftliches Engagement.
Kritik an Wettbewerb: Geldverschwendung
Zwei Entwürfe mit Bebauung, vier ohne: "Das ist sehr eindeutig", sagt Anita Möller von der Initiative "100% Tempelhofer Feld", die damals den Volksentscheid initiiert hatte. Möller wertet das Ergebnis des Wettbewerbs als Erfolg ihrer Initiative und als "Votum für den Erhalt des Tempelhofer Feldes". Dass der Senat drei Millionen Euro in den Dialogprozess investiert hat, sei allerdings unnötig gewesen, so Möller. "Das Geld hätte in das Feld gesteckt werden können."
Ähnlich sieht es der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze. "Das ist ein Schlag ins Gesicht des Senats, der versucht hat, über einen Wettbewerb eine Bebauung zu legitimieren." Damit habe die Fachjury genauso entschieden wie die Berlinerinnen und Berliner, die an der Dialogwerkstatt des Senats teilgenommen haben. Sämtliche Bebauungspläne müssten nun gestoppt werden, so Schwarze. Der Stadtentwicklungsexperte der Linken, Michael Efler, sieht es genauso: Der Wettbewerb sei "Steuergeldverschwendung" gewesen und sämtliche Bebauungspläne gehörten ad acta gelegt. "Die Berlinerinnen und Berliner wollen keine Bebauung des Feldes", so Efler.
Doch der Diskussionsprozess ist längst nicht abgeschlossen. Die nun prämierten Entwürfe sollen ab Mitte Juli in einer weiteren Dialogwerkstatt besprochen werden. Im September werden die Konzepte dann auch öffentlich ausgestellt. Was danach passiert, ist allerdings offen: Das Verfahren ist für den Senat rechtlich nicht bindend. Das Tempelhofer-Feld-Gesetz könnten CDU und SPD auch einfach ändern – was politisch allerdings äußerst heikel ist, angesichts des starken Widerstandes in Teilen der Bevölkerung. Diesen Widerstand sollte der Ideenwettbewerb eigentlich abschwächen, mit positiven Visionen – die aus Sicht des Senats auch eine Randbebauung enthalten sollten. Ob das geklappt hat, ist fraglich.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.06.2025, 19:30 Uhr