
Berlin Rechtsextremismus: Was die Einstufung der Bundes-AfD für den Berliner Landesverband bedeutet
Die Bundes-AfD und der Brandenburger Landesverband werden bereits als gesichert rechtsextrem eingestuft. Für den Berliner Landesverband gilt das nicht - wie genau der Verfassungsschutz hier denkt, ist aber unklar. Von Sebastian Schöbel
Postalisch sind der Berliner Landesverband der AfD und die Bundes-AfD bereits unzertrennlich: Beide teilen sich die gleiche Reinickendorfer Adresse. Doch geht es nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, ist die AfD im Bund insgesamt gesichert rechtsextrem - während ihr regionaler Ableger in Berlin diese Einstufung bislang nicht hat.
Das unterscheidet die Berliner AfD auch von der Brandenburger, die seit Mitte April ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird.
Wie der Berliner Verfassungsschutz die AfD in der Bundeshauptstadt tatsächlich einschätzt, ist bislang nicht bekannt. Anders als in anderen Bundesländern darf die Sicherheitsbehörde hier nicht einmal öffentlich erklären, ob sie die Partei als Verdachtsfall beobachtet. Das Berliner Verfassungsschutzgesetz erlaubt die öffentliche Nennung von Verdachtsfällen nur, wenn die Verfassungsfeindlichkeit eindeutig nachgewiesen ist.

Brinker weist Vorwurf des Bundesverfassungsschutzes zurück
Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker hätte allerdings auch gar nichts dagegen, wenn der hiesige Verfassungsschutz öffentlich Stellung beziehen würde. "Nur wenn ich weiß, was uns vorgeworfen wird, dann kann ich natürlich auch intern agieren und Probleme lösen, wenn denn welche da sind", so Brinker im rbb-Interview. Allerdings weist Brinker den Vorwurf, ihre Partei sei rechtsextrem, ohnehin pauschal zurück. "Das stimmt einfach nicht, diese Einordnung", sagt sie.
Der Bundesverfassungsschutz habe laut der bislang bekannt gewordenen Teile des vertraulichen Gutachtens vor allem Aussagen einzelner Funktionäre der AfD unter die Lupe genommen, so Brinker. "Die sind aus meiner Sicht von der Meinungsfreiheit gedeckt." Zwar seien manche Aussagen "nicht immer appetitlich, auch überspitzt", aber aus Brinkers Sicht "bei weitem nicht rechtsextrem". Solche Zuschreibungen würden auch Wähler:innen der AfD diffamieren. Brinker kündigte an, rechtliche Schritte einzuleiten, sollte der Berliner AfD-Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden.
Grünen-Fraktionschef Graf findet Berliner AfD "genauso schlimm"
"Die tun immer so scheinheilig, aber in Wahrheit sind die genauso schlimm wie alle anderen auch", erwidert Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Für ihn gibt es längst keinen Zweifel mehr, dass auch die Berliner AfD die Einstufung als rechtsextremistische Partei verdient habe. So sei etwa der neue innenpolitische Sprecher, Thorsten Weiß, ein Vertrauter des Thüringer Faschisten Björn Höcke, und Landeschefin Brinker sei nur mit Hilfe des extrem rechten Flügels ihrer Partei gewählt worden.
Die Einstufung auf Bundesebene sei ein Signal, "dass wir sie aus unserem Beamtentum rauskriegen". Graf verweist auf den Verfassungsstreue-Check für Beamte, den das Nachbarland Brandenburg bereits eingeführt hat, um vor allem Polizeidienststellen und Schulen vor der Unterwanderung durch AfD-Mitglieder zu schützen. Und Graf fordert, dass nun ein Verbotsverfahren eingeleitet wird. "Wir müssen als Staat endlich einen Schlussstrich ziehen."
Auch für SPD-Verfassungsschutzexperte Jan Lehmann ist das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes ein Schritt in diese Richtung. Allerdings müsse bei einem entsprechenden Antrag ein "aggressiv-kämpferisches Verhalten der AfD" nachgewiesen werden.

CDU ist skeptisch in Bezug auf Verbotsverfahren
Auf den Berliner AfD-Landesverband lasse sich das Gutachten der Bundesbehörde nicht so einfach herunterbrechen, so Lehmann. Er verwies auf die geplante Reform des Verfassungsschutzgesetzes. Es soll der Berliner Sicherheitsbehörde die Möglichkeit geben, offen zu kommunizieren, welche Gruppierungen beobachtet werden und warum. Nach rbb-Informationen soll die Reform schon bald im Senat beschlossen und noch vor der Sommerpause im Parlament beraten werden. Er selbst aber sei überzeugt, dass die AfD insgesamt rechtsextrem ist: "Wie hat Hape Kerkeling so schön gesagt? Wenn man ein wenig Mist in ein Glas Wasser gibt, ist das ganze Wasser ungenießbar."
Bei Lehmanns Koalitionspartner CDU ist man da vorsichtiger. Deren Sprecher für Verfassungsschutz, Stephan Lenz, sieht bei der Berliner AfD durchaus andere Akteure als auf Bundesebene. Auch beim Thema Verbotsverfahren ist der gelernte Anwalt zurückhaltend. "Meines Erachtens lagen bislang die Voraussetzungen dafür nicht vor", so Lenz. Die Entscheidung, eine Partei – noch dazu die aktuell größte Oppositionspartei – zu verbieten, sei heikel. "Stellen Sie sich vor, es ist nicht erfolgreich", sagt Lenz. Auch Meinungen, die man nicht vertritt, müssten in einer Demokratie ihren Platz haben – sofern die Grenzen der Verfassung nicht verletzt werden. Allerdings könnte der Bericht des Bundesverfassungsschutzes durchaus die Grundlage sein, so Lenz, das im Fall der AfD neu zu bewerten.
Keine Konsequenzen für verbeamtete AfD Mitglieder in Berlin
Konsequenzen für Beamte im Berliner Landesdienst, die Mitglieder der AfD sind, hat die Einstufung der Partei auf Bundesebene zunächst keine. "Gemäß dem Landesbeamtengesetz ergibt sich die Pflicht zur Neutralität und Verfassungstreue für die Beamtinnen und Beamten", teilte die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen dem rbb mit. Verstöße würden geprüft und gegebenenfalls geahndet, allerdings stets als Einzelfallentscheidung. "Eine Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Parteimitgliedschaft mitzuteilen, besteht jedoch nicht", heißt es.
Auch der Sprecher der Berliner Polizei, Florian Nath, verwies auf den Diensteid sowie weitere Verhaltenspflichten. "Disziplinar- oder beamtenrechtliche Maßnahmen setzen individuelle Verfehlungen und Pflichtverletzungen voraus", so Nath, "die ausschließliche Mitgliedschaft in einer Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft wurde und nicht verboten ist, begründen diese nicht automatisch."
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.05.2025, 19:30 Uhr