
Berlin Holocaust-Überlebende Margot Friedländer gestorben
Margot Friedländer ist tot. Die Holocaust-Überlebende starb am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin. An diesem Tag hätte sie eigentlich das Große Bundesverdienstkreuz entgegennehmen sollen.
Die Holocaustüberlebende Margot Friedländer ist tot. Sie starb am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin, wie die Margot-Friedländer-Stiftung mitteilte. "Mit ihrem Tod verliert Deutschland eine bedeutende Stimme der Zeitgeschichte", so die Stiftung.
Friedländer gehört zu den bekanntesten Zeitzeuginnen. Sie versteckte sich während der nationalsozialistischen Judenvernichtung in Berlin im Untergrund, wurde aber verraten und in ein Konzentrationslager verschleppt. Sie überlebte, ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder wurden im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Letzter öffentlicher Auftritt bei Gedenken an 80 Jahre Kriegsende
Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte Friedländer in die USA aus. Erst 2010 entschied sie sich im Alter von 88 Jahren, in ihre Geburtsstadt Berlin zurückzukehren. Sie habe sich "unermüdlich für Versöhnung und Erinnerung" engagiert, so die Stiftung. Für ihr Engagement wurde Friedländer zur Berliner Ehrenbürgerin ernannt.
Hunderte von Schulen besuchte die Holocaust-Überlebende. Sie wurde zu Podiumsdiskussionen und Gedenkfeiern eingeladen. Ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte die 103-Jährige am Mittwoch im Roten Rathaus in Berlin zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren. Sie hatte dort aus ihren Erinnerungen gelesen und war vor allem mit einem Satz in Erinnerungen geblieben: "Das, was ich Euch bitte zu tun: Seid Menschen. Danke."
"Was war, können wir nicht mehr ändern, aber es darf nie wieder geschehen"
Am Freitag sollte Friedländer das Große Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehen werden. Es ist die höchste Ehrung, die Steinmeier als deutsches Staatsoberhaupt verleihen kann. Friedländer habe aber kurzfristig um eine Verschiebung gebeten, wie Steinmeiers Sprecherin am Freitag sagte. 2011 und 2023 hat Friedländer bereits niedrigere Ordensstufen des Bundesverdienstkreuzes erhalten.
Eine ihrer Botschaften war: "Was war, können wir nicht mehr ändern, aber es darf nie wieder geschehen."

Politik würdigt Friedländers Menschlichkeit
Bundespräsident Steinmeier würdigte Friedländers Verdienste für Versöhnung und ihren Einsatz gegen Menschenfeindlichkeit. "Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt - trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein", erklärte Steinmeier am Freitag. Ihr Tod erfülle ihn mit tiefer Trauer. Nie habe sie angeklagt. Margot Friedländer habe jeden, der ihr begegnete, mit ihrer Wärme, ihrer Zugewandtheit, ihrer ungeheuren Kraft beeindruckt, betonte Steinmeier. Ihre tiefe Menschlichkeit habe ihn im Innersten berührt.
Ähnlich äußerte sich der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU). Friedländer sei ein großes Vorbild gewesen, schrieb er auf der Plattform Bluesky. "Ihre Erinnerungsarbeit, ihr Einsatz gegen das Vergessen, ihr Engagement in Schulen oder Universitäten, ihre Gespräche mit Jugendlichen waren für uns von einem unschätzbaren Wert. Margot Friedländer mahnte uns, nicht zu vergessen. Sie zeigte uns, was Menschlichkeit bedeutet."
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigte sich vom Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer "tief erschüttert". Der SPD-Politiker dankte ihr für "großes Wirken für Demokratie, Freiheit und vor allem Mitmenschlichkeit, für ihre Augen und Herzen öffnenden Gespräche mit Jugendlichen".
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezeichnete Friedländer auf der Plattform X als eine "der stärksten Stimmen unserer Zeit". Sie sei für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen eingetreten.
Zentralrat der Juden: Menschsein war zentralese Anliegen
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat Friedländer als mutige und starke Frau gewürdigt. "Eine Gesellschaft ohne sie ist für mich kaum vorstellbar", erklärte Schuster am Freitagabend in Berlin. Friedländer habe das Menschsein zu ihrem zentralen Anliegen gemacht. "Sie war nicht nur eine mahnende Stimme unserer Zeit, sondern besaß auch die Gabe, stets das Beste in ihrem Gegenüber zu sehen", betonte Schuster. Sie habe den Glauben an eine gerechte, friedliche Welt niemals aufgegeben. "Ehren wir sie, indem wir diesen Glauben weitertragen."
Auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz trauert um Margot Friedländer. "Sie war eine der eindrücklichsten Stimmen gegen das Vergessen - und eine für das Leben. In unzähligen Begegnungen, Gesprächen und Vorträgen hat sie uns Anteil gegeben an ihrer Geschichte und ihrer Hoffnung", erklärte Bischof Christian Stäblein in Berlin. "Gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus wieder wächst und demokratische Grundwerte infrage gestellt werden, war ihre Stimme ein Licht. Wir sind dankbar für das, was sie uns gegeben hat: Erinnerung, Mut, Humanität und Versöhnung", stellte der Bischof fest.
Sendung: rbb24 Abendschau, 09.05.2025, 19:30 Uhr