
Berlin Deutscher Filmpreis wird am Abend vergeben: Lola-Gala zwischen Feierlaune und Neuausrichtung
Thriller, Musikfilm, Milieustudien – die Nominierten der diesjährigen Lola-Gala zeigen die Bandbreite des deutschen Kinos. Wenn sich die Branche am Freitagabend in Berlin selbst feiert, liegt Glamour in der Luft. Doch hinter den Kulissen rumort es. Von Ula Brunner
Es ist ein Abend, an dem sich das deutsche Kino selbst in Szene setzt: die glanzvolle Lola-Gala im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz. In diesem Jahr ist Tim Fehlbaums "September 5" mit zehn Nominierungen Spitzenreiter. Der Thriller über das Olympia-Attentat von 1972 erzählt die Ereignisse aus der Perspektive eines US-Fernsehteams – als Katastrophenprotokoll, Medienreflexion und politisches Kammerspiel. Schon bei den Oscars war das Werk für das beste Originaldrehbuch nominiert.
Ebenfalls unter den Favoriten: Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde", ein intensives Porträt der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi. Sieben Nominierungen, darunter Liv Lisa Fries als beste Hauptdarstellerin, unterstreichen die Kraft des Films. Mit Mohammad Rasoulofs "Die Saat des heiligen Feigenbaums" steht ein weiteres Werk im Rennen, das Repression im Iran eindrucksvoll schildert – der Regisseur lebt inzwischen im Exil. Sein Film war in diesem Jahr bereits für den Oscar für den besten Auslandsfilm nominiert.

Komplettiert wird das Spitzenfeld durch Ido Fluks Musikfilm "Köln 75" über das legendäre Konzert des Jazz-Pianisten Keith Jarrett, Jan-Ole Gersters Psychothriller "Islands" sowie "Vena", eine Milieustudie der Nachwuchsregisseurin Chiara Fleischhacker. Alles in allem: eine thematisch und stilistisch vielfältige Auswahl der rund 2.300 Mitglieder der deutschen Filmakademie.

"In Liebe, eure Hilde": Liv Lisa Fries als Hilde Coppi und Johannes Hegemann als ihr Mann Hans
Regie, Drehbuch, Hauptrollen: Dichte Konkurrenz
Auch in der Regie-Kategorie treffen drei sehr unterschiedliche Handschriften aufeinander: Tim Fehlbaum, Mohammad Rasoulof, Andreas Dresen. Ihre Filme stehen ebenfalls in der Drehbuchkategorie auf der Shortlist. Laila Stieler, langjährige Weggefährtin Dresens, ist für das Buch zu "In Liebe, eure Hilde" nominiert - sie wurde 2024 bereits mit dem Silbernen Bären geehrt.
Bei den männlichen Hauptrollen sticht Sam Riley hervor. Der Brite zeigt in gleich zwei Filmen seine darstellerische Bandbreite: als visionärer Choreograf in "Cranko" und als gestrandeter Tenniscoach in "Islands". Konkurrenz bekommt er nur von Misagh Zare, der in "Die Saat des heiligen Feigenbaum"“ einen innerlich zerrissenen Imam spielt. Auch Alexander Scheer ist doppelt nominiert - als Nebendarsteller in "Hilde" und "Köln 75".

Im dokumentarischen Wettbewerb reicht das Spektrum vom internationalen Krisenblick ("Hollywoodgate") über ein Politikerinnen-Porträt ("Petra Kelly – Act Now!") bis zur analytischen Annäherung an die Ikone der NS-Filmästhetik: "Riefenstahl" von Andres Veiel.
Systemwechsel mit Symbolkraft
Man darf also gespannt sein, wer in diesem Jahr eine Lola mit nach Hause nimmt. Doch hinter dem Glanz der Gala steht eine Branche im Wandel. Zum ersten Mal seit ihrer Einführung wird die Lola in diesem Jahr ohne Preisgeld verliehen. Rund drei Millionen Euro, die bisher direkt an Gewinnerfilme flossen, wandern in die kulturelle Filmförderung des Bundes. Künftig wird stattdessen mit Referenzpunkten gearbeitet: Wer gewinnt, profitiert indirekt – über verbesserte Chancen bei der nächsten Fördervergabe.
Der Vorwurf, die Akademie verteile öffentliche Mittel elitär und intransparent, war zuletzt unüberhörbar geworden. Nun wird entflochten.

Filmförderung im Umbau: Hoffnung mit Hürden
Die Neujustierung ist dringend nötig. Denn der deutsche Film steckt in einer Krise: Marktanteile sinken, Produktionen wandern ab, selbst Traditionshäuser wie Studio Babelsberg kämpfen ums Überleben. Das neue Modell belohnt künftig nicht mehr mit Geld, sondern mit Referenzpunkten für kommende Förderentscheidungen.
Parallel dazu ist 2025 ein reformiertes Filmförderungsgesetz in Kraft getreten: Kriterien wie Nachhaltigkeit, Diversität und Relevanz sollen stärker gewichtet, Kinos gezielter gefördert werden. Produktionen können bis zu 30 Prozent der Kosten erstattet bekommen – ein Schritt in Richtung internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Doch nicht alle sind begeistert. Kleine Kinos und Arthouse-Verleiher fühlen sich an den Rand gedrängt. Wichtige Reformbausteine wie Steueranreize für internationale Produktionen oder Investitionspflichten für Streamingdienste stehen noch aus.
Ein Abend zwischen Glamour und Grundsatzfragen
"Sobald man über Geld spricht, kippt die Stimmung", sagte Schauspielerin Vicky Krieps, die die Akademie dieses Jahr gemeinsam mit Florian Gallenberger leitet. "Jetzt sind wir nur hier, um Filme zu feiern." Vielleicht ist dieser Abend der Anfang von etwas Neuem – auch wenn noch vieles offen bleibt.
Sendung: Radioeins, 09.05.2025, 5 Uhr