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Rechtsschutzversicherung Gut abgesichert streiten?

Stand: 21.05.2025 07:28 Uhr

Eine Rechtsschutzversicherung kann bei Streitigkeiten im Privaten, mit dem Vermieter, bei Unfällen oder im Beruf hilfreich sein. Doch es gibt einige Haken. Worauf Verbraucher achten sollten.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Zu streiten und sein Recht durchzusetzen - das kann in Deutschland schnell teuer werden, selbst bei Kleinigkeiten. Über 70 Prozent der Deutschen würden einer GDV-Umfrage zufolge aus Angst vor hohen Kosten durch Anwälte, Gerichtskosten oder Gutachter auf einen Rechtsstreit verzichten. Dazu kommt, dass sich jeder Zweite in einer rechtlichen Auseinandersetzung überfordert fühlt und nicht weiß, was er eigentlich tun soll. Da setzt die Rechtsschutzversicherung an. Doch ist diese wirklich sinnvoll?

Vier große Bausteine

Die Rechtsschutzversicherung übernimmt - abzüglich einer Selbstbeteiligung - die Kosten bei einem Rechtsstreit. Dazu zählen die Honorare für den Rechtsanwalt und das Gericht, Entschädigungen für Zeugen, Kosten für Sachverständige oder Gerichtsvollzieher. Außerdem zahlt die Versicherung die Reisekosten zu einem ausländischen Gericht, die Kosten für eine außergerichtliche Einigung und die Auslagen der Gegenpartei, falls man den Prozess verliert.

In der Rechtsschutzversicherung gibt es vier große Bereiche. Der Privatbereich deckt Streitfälle im privaten Umfeld ab - zum Beispiel bei mangelhaften Reparaturen, Vertragsfragen, Steuerrückzahlungen, Online-Shopping oder Problemen mit der Versicherung. Die Berufsrechtsschutzversicherung unterstützt bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber über Abmahnungen, Kündigungen oder fehlerhaften Gehaltsabrechnungen. Dazu kommen noch die Verkehrsrechtsschutzversicherung, die sich um Streitfälle im Straßenverkehr kümmert, und der Bereich Wohnen, also Auseinandersetzungen mit Nachbarn oder Vermietern wie die Nachzahlung von Nebenkosten oder Mieterhöhungen.

Rechtsschutzversicherungen sind nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Verbraucherinnen und Verbraucher können aus den genannten Bausteinen wählen. Zusätzlich gibt es häufig noch Erbrechts-, Familienrechts- und Unterhaltsrechtsschutz. Genau diese drei Bereiche sind im Privatrecht nämlich ausgeschlossen - genauso wie Beratung in der Geldanlage, Klagen auf einen Schul- oder Studienplatz und Streit im Zusammenhang mit Immobilien.

Passive Rechtsschutzversicherung mit Haftpflicht

Was generell ausgeschlossen ist bei der Rechtsschutzversicherung, sind Schadensersatzansprüche anderer Personen. Diese wichtige Rechtsschutzkomponente liegt in einer anderen Versicherung - der Haftpflichtversicherung. "Mein Haftpflichtversicherer schuldet mir auch die sogenannte Abwehrdeckung, wenn ich zu Unrecht in Anspruch genommen werde. Dann muss mich mein Haftpflichtversicherer verteidigen und die Verteidigungskosten übernehmen", erklärt Oliver Brand von der Uni Mannheim im Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" der ARD-Finanzredaktion.

Deshalb zählt der Rechtswissenschaftler die Rechtsschutzversicherung auch nicht zu den essenziellen Versicherungen. "Ehrlich gesagt brauche ich die in den meisten Fällen eher im Aktivprozess, wenn ich etwas fordern will. Und jetzt muss man sich fragen, sind wir tatsächlich in einem Land, wo man Aktivprozesse führen muss, um zu seinem Recht zu kommen?" Seine persönliche Sorge habe immer eher im Passivprozess gelegen, sprich: dass er verklagt wird. "Da war ich sehr beruhigt, in frühen Jahren zu lernen, dass mein Haftpflichtversicherer das übernimmt."

Hohe Beiträge

Generell ist die Wahrscheinlichkeit, mal an einem Gerichtsprozess beteiligt zu sein, nicht besonders hoch: Nur 23 Prozent der Bevölkerung waren in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich an einem Prozess beteiligt - als Zeuge, Kläger oder auch als Beklagter. Zudem hilft bei Rechtsstreitigkeiten oft schon eine kostenlose Rechtsauskunft. Und selbst eine umfangreichere Erstberatung durch einen Anwalt ist in der Regel noch bezahlbar.

Wer dennoch eine Rechtsschutzversicherung abschließen will, sollte sich überlegen, in welchen Situationen er einen Anwalt braucht - und was es kostet, wenn man ihn selbst bezahlen müsste. Meistens geht es um ein überschaubares finanzielles Risiko. Eine Rechtsschutzversicherung ist dagegen relativ teuer. Dem Geldratgeber Finanztip zufolge liegen die Beiträge für die Bereiche Privat, Beruf und Verkehr für Singles bei jährlich 240 bis 680 Euro. Es kann deshalb sinnvoll sein, auf einzelne Leistungen zu verzichten - zumal viele Bereiche vermutlich ohnehin nicht gebraucht werden.

Gold und Asche
Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung"
Schritt für Schritt das Wichtigste aus der Welt der Versicherungen - mit Hintergründen und dazu unabhängig, verständlich und auf den Punkt gebracht. Zusammen mit Expertinnen und Experten beleuchtet die ARD-Finanzredaktion in neun Folgen die wichtigsten Fragen: Welche Versicherungen sind ein Muss - auf welche kann man verzichten? Und was muss man dabei beachten?  
 
Den Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" gibt es ab dem 9. April 2025 wöchentlich in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Folge 1: Sozialversicherungen - Grundlagen und Grenzen (9. April)
Folge 2: Gesetzliche vs. private Krankenversicherung (9. April)
Folge 3: Haftpflicht, Kfz & Haustier - Was ist Pflicht, was ist sinnvoll? (16. April)
Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken - Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern - von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Wenn der Versicherer nicht zahlt - Risiken vermeiden, Rechte nutzen (offen)

Teilbereiche absichern günstiger

Wer zum Beispiel kein Auto fährt, kann den Bereich Verkehr weglassen. Mietern in einem Mieterschutzbund stehen kostenlose Beratungen bei Problemen zu. Der Beitrag in einem Mieterverein kostet je nach Stadt 50 bis 100 Euro pro Jahr und ist damit deutlich günstiger als eine Rechtsschutzversicherung. Auch den Baustein Beruf braucht es für einige nicht, wenn es über Gewerkschaften oder Berufsverbände Absicherungen bei Rechtsfragen gibt.

Als Mitglied im ADAC oder einem anderem Automobilclub habe man außerdem darüber oft schon eine Rechtsschutzversicherung oder könne dort eine nur für den Bereich Verkehr abschließen, sagt Henriette Neubert von Finanztip. Von einem Komplettpaket raten Fachleute daher ab. Sie empfehlen stattdessen eine bedarfsgerechte Versicherung. Wer sich unsicher ist und rundum abgesichert sein möchte, kann eine Rechtsschutzversicherung aber natürlich auch als Gesamtpaket abschließen.

Welche Aspekte wichtig sind

Wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher dafür entscheiden, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, sollten sie auf ein paar Aspekte achten. Zunächst einmal auf eine ausreichend hohe Versicherungssumme: Die Verbraucherzentralen sagen, mindestens 300.000 Euro. Finanztip rät zu fünf Millionen Euro oder mehr. Im Idealfall ist die Versicherungssumme unbegrenzt.

Im Sozial-, Steuer- und Verwaltungsrecht zahlen viele Versicherer außerdem erst, wenn der Rechtsstreit vor Gericht geht. Eine gute Rechtsschutzversicherung sollte aber auch die Anwaltskosten für das vorgeschaltete Widerspruchsverfahren übernehmen. Denn man kann man zum Beispiel erst Klage einreichen, wenn ein Widerspruch gegen eine behördliche Entscheidung zurückgewiesen wurde.

Auch die Klausel "Verzicht auf die Einrede der Vorvertraglichkeit" sollte im Vertrag stehen. Das bedeutet, dass auch Verträge, die bereits vor dem Abschluss der Rechtsschutzversicherung geschlossen wurden, abgedeckt sind. Voraussetzung ist meistens, dass sie schon länger als fünf Jahre bestehen. Ein Klassiker ist zum Beispiel der Streit um die Auszahlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn die Versicherung vor dem Abschluss der Rechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde.

Wichtig ist zudem, dass zum Vertragsbeginn noch kein Rechtsstreit vorliegen oder absehbar sein darf. Die Ursache darf grundsätzlich erst nach Ablauf einer Wartefrist von meistens drei Monaten ab Vertragsbeginn eintreten - mit einer Ausnahme: Der Verkehrsrechtsschutz gilt ab sofort. Man sollte also auf jeden Fall versuchen, beim Abschluss eine kurze oder gar keine Wartezeit im Vertrag stehen zu haben. Und auch wenn der Tarif oder der Versicherer gewechselt wird, sollte kein Tag zwischen den Verträgen liegen. Sonst riskiert man neue Wartezeiten und ist für diese Zeit nicht abgesichert.

Oft Streitigkeiten wegen der Rechtsschutzversicherung

Falls man den Beitrag für eine Rechtsschutzversicherung etwas drücken will, kann eine Selbstbeteiligung vereinbart werden. In den meisten Tarifen ist sie standardmäßig enthalten und beträgt normalerweise 150 Euro. Maximal sollte sie bei 250 Euro liegen. Wie bei vielen anderen Versicherungen ist es aber generell sinnvoll, nicht jeden kleinen Fall zu melden.

"Die Rechtsschutzversicherer sind mittlerweile knallhart dabei zu kündigen, was sie nach einem Schaden oder nach dem zweiten Schaden auch dürfen", sagt Meike Voß, Teamleiterin Beratung beim Bund der Versicherten. Auch darüber hinaus gibt es bei der Rechtsschutzversicherung immer wieder Probleme für Verbraucherinnen und Verbraucher.

"Eine sehr problematische Sparte"

Laut dem Tätigkeitsbericht der Verbraucherschlichtungsstelle, an die man sich im Streitfall mit Versicherern kostenlos wenden kann, gab es im Jahr 2024 die meisten Streitbeilegungsverfahren in genau dieser Sparte: In über 3.300 von insgesamt 20.000 Fällen ging es um Rechtsschutzversicherungen. Besonders die Definition eines Leistungsfalls, unklar formulierte Ausschlüsse und die Vorvertraglichkeit führen immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Versicherten und Versicherungen. "Das ist wirklich eine sehr problematische Sparte. Häufig deckt sich die Erwartungshaltung, welcher Leistungsfall genau versichert ist, nicht mit den Voraussetzungen des Versicherers", so Voß. Das werde dann erst im Schadensfall klar.

Oft gehe es um komplexe Fälle, bei denen im Vorhinein nicht klar sei, ob sie versichert sind, sagt die Expertin. "Trotz all dem kann ich natürlich schon mit einer guten Beratung im Vorwege ein bisschen mehr darüber aufklären - dass zum Beispiel Familienrechtsthemen nicht versichert sind."

Darüber hinaus kann der Versicherer die Übernahme der Kosten auch wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnen. Auch das können Versicherte durch ein Schiedsgutachten oder einen Stichentscheid aber anfechten. Beide Verfahren sind bindend, für Kunden ist jedoch der Stichentscheid besser, weil die Versicherung die Kosten übernehmen muss - unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt. Dafür muss der Anwalt in einer Stellungnahme die Erfolgschancen beschreiben.