Aufnahme von Schweinen, nach Ariwa-Angaben im Innenbereich eines Stalls mit Tierwohllabel.

Missstände trotz Tierwohllabels? Schweine "zentimetertief in ihren Exkrementen"

Stand: 23.05.2025 14:41 Uhr

Tierschutzaktivisten haben in mehreren Betrieben, die mit artgerechter Haltung für ihre Produkte werben, gravierende Missstände angeprangert. Den Vorwurf belegen sie mit verdeckt aufgenommenen Videos.

Die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) hat auf Missstände in der Schweinehaltung hingewiesen - auch in Betrieben, die mit artgerechter Tierhaltung werben. Die Aktivisten veröffentlichten verdeckt aufgenommene Videos aus Ställen einer Reihe von Betrieben, die auch nach Einschätzung von Experten verschiedene Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zeigen. 

"Die über mehr als sechs Monate gesammelten Beweise zeigen verletzt und unbehandelt am Boden liegende Schweine, gewaltsames Treiben mit Schlägen und verdreckte Ställe, in denen Tiere teils zentimetertief in ihren Exkrementen stehen", erklärte Anna Schubert von Ariwa. Offene Verletzungen etwa, die nicht behandelt würden, seien ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, fügte die von Ariwa beauftragte Tierärztin Sophie-Madlin Langner hinzu.

Anzeigen gegen zwölf Betriebe

Die Aktivisten erstellten nach eigenen Angaben verdeckte Aufnahmen in 21 zufällig ausgewählten Betrieben. Die Ställe waren danach unter anderem in den Haltungsformen drei und vier kategorisiert. Fünf ist die beste Haltungsform. Das Fleisch der Betriebe wird in Supermärkten wie REWE, Edeka und Aldi verkauft. In zwölf der 21 Betriebe seien Gesetzesverstöße festgestellt und zur Anzeige gebracht worden, erklärte Ariwa.

Die untersuchten Betriebe "stehen exemplarisch für die ganze Branche", führten die Aktivisten aus. Die auf den Videos erkennbaren Missstände seien "typische Probleme" der Schweinehaltung, sagte auch Langner. Die Ariwa-Recherchen zeigten vor allem, dass die Haltungsform "nichts Grundlegendes an der Realität der Schweine" ändere. Das Leid der Tiere "wird weiterhin mit eingeplant".

Kritisch sei auch, dass der Umbau der Ställe politisch "extrem" gefördert werde, sagte Schubert. Das Tierwohl werde als politische Priorität hervorgehoben, nicht zuletzt vom neuen Bundeslandwirtschaftsminister Alois Reiner (CSU). Doch die Realität in diesen Ställen sehe dann häufig ganz anders aus als in den Werbevideos. "Das Prinzip Tierwohl funktioniert einfach nicht", befand Schubert. Ariwa fordert deshalb den gänzlichen Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung.

Mehr Menschen achten auf Tierwohllabel

In Deutschland achten Konsumenten bei Lebensmitteln stärker als noch in früheren Jahren auf Tierwohl, Regionalfenster oder das EU-Bio-Siegel. Für den Ernährungsreport "Deutschland, wie es isst" befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai letzten Jahres rund 1.000 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren.

Dabei achteten fast doppelt so viele Menschen wie noch 2015 beim Einkauf auf das Tierwohllabel: Ihre Zahl hat sich von 36 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Beim EU-Bio-Siegel stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 47 auf 59 Prozent. Mit 39 Prozent kaufen auch deutlich mehr Menschen öfter vegetarische oder vegane Alternativen zu tierischen Produkten. 2020 lag dieser Wert bei 29 Prozent.

Freiwillige und staatliche Kennzeichen

Das Label "Haltungsform" gehört zu den freiwilligen Tierwohl-Kennzeichen, das in fünf Stufen die Haltungsbedingungen der Tiere aufzeigt. Stufe drei steht etwa für Freiluftstall, Stufe vier für Auslauf und Weide. Als fünfte und höchste Stufe "Bio" dürfen sich dagegen nur die Produkte bezeichnen, die nach der EU-Ökoverordnung oder der ökologischen Anbauverbände zertifiziert wurden. Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer freiwilliger Tierschutz-Siegel wie "Neuland" oder "Für mehr Tierschutz".

Es gibt aber auch ein staatliches Tierhaltungskennzeichen, das ebenfalls in fünf Stufen kategorisiert, ob die Tiere zum Beispiel auf einer Weide oder in einem Stall gehalten wurden. Ab August dieses Jahres gilt die Kennzeichnung für frisches Schweinefleisch aus Deutschland verpflichtend.