Besucher stehen auf der Aussichtsterrasse des Flughafens Hahn.

Luftverkehr Regionalflughäfen immer tiefer in der Krise

Stand: 24.05.2025 16:28 Uhr

Viele deutsche Regio-Airports schreiben seit Jahren rote Zahlen. Das war schon vor Corona so - nun hat sich der Trend verschärft. Doch es wird weiter Steuergeld investiert.

Es ist kurz vor Mitternacht, als Tamara und Dieter König am Flughafen Erfurt-Weimar mit einem Bier anstoßen. Die beiden Rentner freuen sich auf ihren Flug nach Antalya in den Urlaub. "Es ist gemütlich hier", sagt Dieter König. Denn in der Abflughalle des Regionalflughafens ist nicht viel los. Keine langen Warteschlangen oder Gedränge. Es fliegen gerade einmal drei Flugzeuge in dieser Nacht hier ab - dabei ist nachts die Hauptbetriebszeit dieses Airports.

Vor 20 Jahren gab es am Thüringer Flughafen mal über eine halbe Million Passagiere: 2004 waren es 526.000. In den Folgejahren wurden es sukzessive immer wenig. 2018 waren es noch 263.000. Durch die Insolvenz der deutschen Fluggesellschaft Germania brachen die Fluggastzahlen in Erfurt danach weiter ein.

"Auf Dauer nicht überlebensfähig"

Und dann kam auch noch die Corona-Pandemie dazu, die alle deutschen Flughäfen schwer getroffen hat. 2024 waren es hier nur noch knapp 170.000 Fluggäste. "Früher haben wir hier im Hotel am Flughafen übernachtet, aber das ist auch schon zu", erzählt Urlauberin Tamara König.

Der Flughafen Erfurt-Weimar sei "auf Dauer absolut nicht überlebensfähig", erklärt Alexander Eisenkopf vom Zeppelin-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik. "Man sollte vielleicht die Steuergelder woanders reinstecken als in den Flughafen", urteilt der Universitätsprofessor. 95 Prozent des Regionalflughafens gehören dem Land Thüringen, die restlichen fünf Prozent der Stadt Erfurt.

Millionenschwere Investitionen

Von 2012 bis 2024 hat das Land Thüringen insgesamt knapp 158 Millionen Euro in seinen Flughafen investiert, das meiste davon für Ausbaumaßen. In diesem Jahr folgt erneut ein Zuschuss von 4,8 Millionen Euro, dazu kommen noch Investitionsbeihilfen von 900.000 Euro.

Immerhin sollen die bereitgestellten Gelder in den kommenden Jahren sinken. "Das sieht erst einmal nicht nach einer Win-Win-Situation und nach einem Mega-Hype auf diesen Flughafen aus", weiß auch Thüringens Infrastruktur-Minister Steffen Schütz vom Bündnis Sahra Wagenknecht.

Großes politisches Interesse

Doch der politische Wille, den Flughafen zu erhalten, ist groß. Schütz verweist auf die 1.700 Mitarbeitenden des Airports und beruft sich auf vom Land in Auftrag gegebene Studien, die auch fiskalische Folgeeffekte des Flughafenbetriebs mit einrechnen - also Steuereinnahmen, die dadurch für die Region entstehen.

"Die Gelder, die wir rausziehen, sind mehr, als die, die wir investieren", rechnet Schütz vor. Mehr als zehn Millionen Euro jährlich würde das Land durch den Airport an Steuereinnahmen generieren, sowie "nochmal 3,3 Millionen Euro Steuermittel für die anliegenden Kommunen".

Flughafen-Experte Alexander Eisenkopf sieht Studien dieser Art, die es etwa es auch für andere angeschlagene Airports wie Kassel-Calden gibt, äußerst kritisch. "Es werden häufig umfangreiche regionalwirtschaftliche Effekte von Regionalflughäfen berechnet, die meistens sehr vage sind", sagt Eisenkopf.

Geldgeber und Flughäfen wehren sich

Doch auch die Geschäftsführerin des Flughafens Erfurt-Weimar, Susanne Hermann, verteidigt die hohen Investitionssummen. Der Airport sei schuldenfrei, und in diesem Jahr solle die Passagierzahl auf 200.000 steigen. Der Flughafen erfülle "Lieferkettenfunktionen, ist Standort für Unternehmensansiedlungen und hat eine hohe Bruttowertschöpfung", so Hermann.

Allerdings befindet sich der Flughafen in einer ohnehin strukturschwachen Region. Und in einer Entfernung von unter 200 Kilometern nach Erfurt befinden sich mit Kassel-Calden, Leipzig/Halle und Dresden gleich drei weitere Regionalflughäfen. Die Bahnanbindung sind gut, nach Leipzig sind es aus Erfurt von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof gerade einmal 42 Minuten Fahrtzeit.

"Zu viele Regionalflughäfen in Deutschland"

"Wir haben deutlich zu viele Regionalflughäfen in Deutschland", urteilt daher auch ARD-Luftfahrtexperte Michael Immel. Zu viele von ihnen "stecken seit Jahren in tiefroten Zahlen", so Immel. Dazu gehört auch der Flughafen in Friedrichshafen. 2021 hatte der Bodensee-Airport Schulden von weit über 30 Millionen Euro angehäuft und musste Insolvenz anmelden. Erst vor drei Jahren konnte das Insolvenzverfahren abgeschlossen werden.

Jetzt sieht es erneut düster aus, denn es droht die nächste Insolvenz. Dem Flughafen fehlt schon wieder Geld, um seine laufenden Kosten zu decken. Die Stadt Friedrichshafen und der Bodensee-Kreis schießen als Haupteigentümerinnen nun erneut 2,5 Millionen Euro zu, um den Airport am Leben zu halten.

Kein einfaches "Weiter so"?

Ein einfaches "Weiter so" solle es nicht geben, betont Friedrichshafens Bürgermeister Simon Blümcke. Doch der Flughafen sei wichtig für den Wirtschafts-, Messe- und Tourismusstandort und habe "für die gesamte Bodenseeregion unverändert eine große Bedeutung", sagt Blümcke.

Nun sollten "alternative Betriebsmodelle" für den Flughafen erarbeitet werden, die die Steuerzahler weniger Geld kosten. Flughafen-Chef Claus-Dieter Wehr warnt vor einer vorschnellen Schließung, denn "die Entscheidung, diese Infrastruktur aufzugeben, wäre irreversibel".

Innerdeutscher Luftverkehr massiv eingebrochen

Doch die Zahlen sprechen für sich: Von 490.000 Passagieren in 2019 ist die Passagierzahl in Friedrichshafen auf nur noch 230.000 im vergangenen Jahr gesunken - ein drastischer Rückgang um mehr als die Hälfte. Neben der Corona-Krise, die Geschäftsführer Wehr eine "echte Zäsur" nennt, hat auch der Weggang der Lufthansa aus Friedrichshafen im vergangenen Jahr den Standort erneut hart getroffen.

Unter dem Einbruch des innerdeutschen Flugverkehrs leiden viele Regionalflughäfen besonders. Damit ist ihnen ein lange Zeit bestehendes Kerngeschäft fast vollends verloren gegangen. Nach den neuesten Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft liegt der dezentrale innerdeutsche Luftverkehr - also ohne die großen Drehkreuze Frankfurt am Main und München - bei nur noch 20 Prozent des Niveaus von 2019. Claus-Dieter Wehr hofft, so bald wie möglich eine Drehkreuzverbindung nach Friedrichshafen zurückholen zu können. Ob das gelingt, ist zweifelhaft.

Erfolgsmodell Memmingen

Um die laut Flughafenverband ADV insgesamt 28 bestehenden Passagier- und Frachtflughäfen in Deutschland weiter erfolgreich betreiben zu können, braucht es funktionierende Geschäftsmodelle - so wie am Allgäu-Airport in Memmingen. Hier sind die Passagierzahlen seit 2019 um 88 Prozent gestiegen - von 1,7 Millionen Fluggästen in 2019 auf 3,2 Millionen in 2024.

Grund dafür sind "die guten Rahmenbedingungen", erklärt Geschäftsführer Ralf Schmid. "Wir haben ein tolles Einzugsgebiet mit über elf Millionen potenziellen Gästen. Wir haben die Verkehrsachsen zu großen Metrolregionen hier. Und wir haben Deutschlands größte Tourismusregion Allgäu im Rücken", erklärt Schmid. Der Flughafen Memmingen setzt zudem auf Low-Cost-Airlines wie Ryanair und Wizzair, um erfolgreich Flüge von und nach Osteuropa anzubieten. Mit großem Erfolg.

Und noch etwas ist in Memmingen anders als an den meisten anderen Regionalflughäfen in Deutschland: Er ist privat betrieben und damit nicht in öffentlicher Hand. "Wirtschaftliches und unternehmerisches Knowhow hilft sicherlich, die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz von manchen Verkehrsinfrastrukturen zu verbessern", glaubt Memmingens Airport-Chef Schmid.

Privater Betrieb als Schlüssel?

Ein privater Betrieb sei nicht für alle Flughäfen das "Allheilmittel", findet Verkehrsexperte Alexander Eisenkopf. Aber dies könne "ein Ansatzpunkt sein, um einen Flughafen effizienter zu machen". Die Standortfaktoren sind für jeden Regionalflughafen in Deutschland unterschiedlich. Doch die finanziellen Probleme spitzen sich vielerorts zu. Trotzdem hält die Politik bisher weiter an den vielen unrentablen Flughäfen fest. Den Airport Erfurt-Weimar bezeichnet Professor Eisenkopf beispielhaft als "politisches Prestigeprojekt". Dort sei der Flughafen "einfach nur da, weil die Landesregierung ihn für wichtig hält".

Laut dem ARD-Luftfahrtexperten Immel müssten die öffentlichen Interessen im deutschen Luftverkehr neu sortiert werden: "Wir brauchen dringend ein nationales Flughafenkonzept, aus dem klar hervorgeht, dass einige Regionalflughäfen geschlossen werden sollten", so Immel. "Und andere in wirtschaftsstarken Regionen müssen auch weiterhin gefördert werden."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD-Sendung "Plusminus" am 19. Mai 2025 um 21:45 Uhr.