Passanten laufen in einer Einkaufsstraße.

Länderindex des IW In Deutschland geht es vergleichsweise gerecht zu

Stand: 05.05.2025 10:30 Uhr

Im neuen Gerechtigkeitsindex des IW Köln landet Deutschland unter 34 Ländern im vorderen Mittelfeld. Am gerechtesten gehe es in Nordeuropa zu, so die Forscher.

Wie lässt sich messen, ob es in einem Land gerecht zugeht? Das IW Köln nähert sich der Frage mit einer Reihe von Indikatoren. In seiner aktuellen Ausgabe des Gerechtigkeitsindex, der 34 entwickelte Staaten untersucht, schneidet Nordeuropa am besten ab.

Dabei belegen Norwegen, Schweden und Dänemark die ersten drei Plätze, gefolgt von Island und Finnland. Deutschland liegt auf Platz zehn, hinter Österreich und vor der Schweiz, womit die deutschsprachigen Länder sehr nah beieinander im vorderen Mittelfeld rangieren. Auf dem letzten Platz landete die Türkei, auch Japan und die USA sind auf den Plätzen 29 und 30 in der Schlussgruppe.

Sechs Kategorien der Gerechtigkeit

Die Studienautoren verweisen ausdrücklich darauf, dass das Gerechtigkeitsempfinden in vielerlei Hinsicht von persönlichen Präferenzen abhängt. Um dennoch einen möglichst objektiven Index aufzustellen, verglichen der federführende Ökonom Dominik Enste und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 43 einzelne Indikatoren in sechs Kategorien: Bedarfsgerechtigkeit, Regelgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Einkommensgerechtigkeit und Generationengerechtigkeit.

Unter das Stichwort Bedarfsgerechtigkeit etwa fällt die Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse unabhängig vom Einkommen, unter Einkommensgerechtigkeit die Frage nach gleichmäßiger Verteilung von Einkommen und Lasten. Grundlage der Vergleiche waren Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat, der Weltbank, der OECD und anderer Organisationen zu Einkommen, Sozialfürsorge, Renten- und Bildungssystemen.

Das IW Köln wird hauptsächlich getragen von Wirtschafts- und Arbeitsgeberverbänden. Auftraggeber des Gerechtigkeitsindex war die Stiftung Familienunternehmen in München, die die Untersuchung veröffentlichte.

Unterschiedliche Vorstellungen über Gerechtigkeit

Wie eine begleitende Umfrage zeigte, gehen die Vorstellungen zur Gerechtigkeit in der deutschen Bevölkerung auseinander. Knapp 87 Prozent der 3.267 Befragten war die Regelgerechtigkeit am wichtigsten, also der Gedanke, dass für alle Mitglieder einer Gesellschaft gleiches Recht gelten soll. Knapp 49 Prozent halten eine möglichst gleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen für gerecht. Doch stimmten knapp drei Viertel - gut 74 Prozent - auch dem Satz zu: "Eine Gesellschaft ist gerecht, wenn Personen, die im Beruf viel leisten, mehr verdienen als andere."

Die auftraggebende Stiftung Familienunternehmen zog den Schluss, dass es in Deutschland kein grundlegendes Gerechtigkeitsproblem gebe. "Es ist gut, von Wissenschaftlern zu hören, dass es in Deutschland im Kern gerecht zugeht. Dies ist auch für den gesellschaftlichen Frieden essenziell. Dafür stehen unsere soziale Marktwirtschaft und der Rechtsstaat", sagte Vorstand Rainer Kirchdörfer.

Nicht auf dem Erreichten ausruhen

Dennoch sollte die Politik sich nicht zurücklehnen, erklärte das Forscherteam des IW: Bildung sei der Schlüssel zu beruflichem Erfolg und gerechter Einkommensverteilung, weshalb das Angebot verbessert werden müsse. Der Ausgleich der kalten Progression im Steuersystem sowie Anreize für Mehrarbeit und privaten Vermögensaufbau könnten die Gerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen verbessern. Für Transferleistungen müsse stets das Lohnabstandsgebot gelten. Überschießende verteilungspolitische Maßnahmen lähmten das Wirtschaftswachstum und erzeugten Widersprüche zu anderen gleichwertigen Gerechtigkeitsnormen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 05. Mai 2025 um 15:40 Uhr.