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marktbericht

Neue Zollhoffnungen DAX auf Rekordkurs

Stand: 09.05.2025 16:17 Uhr

Der DAX steht erneut ganz im Zeichen der Zollpolitik. Jüngste Entspannungssignale aus Washington in Richtung China und Europa sorgen für viel Fantasie und bescheren dem Index ein neues Allzeithoch.

Der DAX legt im Schlepptau des gestern verkündeten Handelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien weiter zu und erreicht dabei bei bisher 23.540 Punkten ein neues Allzeithoch. Schon seit ein paar Tagen hatte der deutsche Leitindex seine alte Bestmarke von 23.476 Zählern im Visier.

Die neue Bewegung im Zollstreit ist jetzt der Auslöser dafür, dass der bisherige Rekordstand überwunden wurde. Aktuell notiert der DAX nahe seiner neuen Bestmarke und legt dabei gut 0,8 Prozent zu. Auf Wochenbasis deutet sich damit ein Zuwachs von rund zwei Prozent an. Der MDAX der mittelgroßen Werte legt am Nachmittag rund 0,7 Prozent zu.

Seit dem Jahresschlusskurs 2024 bei 19.909 Stellen summieren sich die Kursgewinne im DAX nun auf 18,2 Prozent, allerdings unter heftigen Schwankungen. Denn noch Anfang April hatte die Zoll-Liste von US-Präsident Donald Trump Schockwellen durch die Börsen geschickt. Seitdem hat sich der Index in einer V-förmigen Aufwärtsbegung vom Tief bei 18.449 Punkten rund 5.000 Punkte nach oben bewegt, was es so in dieser Form noch nie gegeben hat.

Nach der Vereinbarung mit Großbritannien blicken die Finanzmärkte nun gespannt auf die Handelsgespräche zwischen den USA und China, die am Samstag in Genf in der Schweiz beginnen sollen. Trump sagte im Vorfeld, dass die US-Strafzölle auf Peking in Höhe von 145 Prozent wahrscheinlich gesenkt würden.

"Für den exportstarken DAX sind das durchaus positive Signale. Eine Entschärfung globaler Handelsrisiken würde sich überdurchschnittlich positiv auf deutsche Aktien auswirken", sagt Maximilian Wienke, Marktanalyst beim Broker eToro

Zumal Trump zuletzt überraschend angekündigt hatte, auch mit den Europäern Gespräche führen zu wollen. Leichte Entspannungssignale hatte auch das erste Gespräch des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) mit dem US-Präsidenten gebracht.

"Die Börsenampeln stehen weiter auf Grün", so die Helaba-Strategin Claudia Windt. "Unter den Investoren ist eine Aufbruchstimmung erkennbar, doch wie gerechtfertigt ist diese?" Denn die Hoffnung der Marktteilnehmer, dass sich das bilaterale erste Abkommen einfach auf die Schwergewichte China und Europa übertragen lässt, könnte sich als trügerisch erweisen."

Bislang gebe es noch zu wenig konkrete Ergebnisse, sagt auch Analyst Wienke. "Die Unsicherheit bleibt hoch, unberechenbare Aussagen aus Washington können jederzeit neue Zollängste schüren."

Sollte US-Präsident Donald Trump Europa wieder stärker ins Visier nehmen, wäre der DAX besonders anfällig. Die Commerzbank-Strategen gehen davon aus, dass sich der deutsche Aktienmarkt nach der Erholungsrally in den nächsten Wochen eine Verschnaufpause gönnen dürfte.

Update Wirtschaft vom 09.05.2025

Bettina Seidl, HR, Update Wirtschaft, 09.05.2025 09:00 Uhr

Unabhängig von den fundamentalen Bedenken schlägt mit dem Rekordhoch die Stunde der technischen Analysten, die sich auf die Suche nach neuen Kurszielen machen müssen. Was allerdings nach einer V-Formation nicht immer klar ist. Da der DAX aber nun innerhalb dieser Formation auf ein neues Rekordhoch gestiegen ist, spricht vieles für weiter steigenden Kurse.

Zwar sind kurzfristig Gewinnmitnahmen jederzeit möglich, mittel- bis langfristig zeigt der Trend am deutschen Aktienmarkt aber klar nach oben. Einige DAX-Experten haben bereits Kursziele jenseits der 26.000-Punkte-Marke ausgerufen.

"Die Hausse nährt die Hausse", lautet ein geflügeltes Sprichwort an der Börse. Tatsächlich dürfte die Angst, den nächsten Kursanstieg zu verpassen, ein ganz wesentlicher Treiber der laufenden Rally sein. Diese "Fear Of Missing Out" treibt den DAX immer weiter in die Höhe. Warnende Stimmen, die vor zu viel Euphorie im Markt warnen, werden nicht gehört.

Die Wall Street setzt derweil zur Eröffnung ihre jüngste Aufwärtsbewegung fort und legt moderat zu. Der Leitindex Dow Jones zieht leicht um 0,2 Prozent an. Der marktbreite S&P 500 gewinnt 0,3 Prozent und die Nasdaq knapp 0,6 Prozent.

Anleger scheinen nach der vorherigen Erholungsjagd abwarten zu wollen, wie am Wochenende die ersten hochrangigen Gespräche im Handelskonflikt zwischen den USA und China ausgehen. Auslöser war das Statement von Präsidenten Trump, dass Zölle auf chinesische Waren in Höhe von 80 Prozent richtig erschienen. Das wäre zwar weniger als aktuell, aber immer noch ein großes Handelshemmnis.

Tags zuvor hatten die US-Börsen erfreut, aber nicht euphorisch auf das Handelsabkommen der USA mit Großbritannien reagiert. Der Standardwerteindex Dow Jones verabschiedete sich mit einem Plus von 0,6 Prozent bei 41.368 Punkten aus dem Handel.

Die steigende Risikofreude der Anleger spiegelt sich auch am Kryptomarkt wider. Bitcoin verteuert sich in der Spitze um 1,6 Prozent auf 104.324 Dollar und ist damit so teuer wie seit Januar nicht mehr. Erst gestern hatte die umsatzstärkste Kryptowährung erstmals seit drei Monaten wieder die Marke von 100.000 Dollar überwunden. Viel fehlt nun nicht mehr zum Rekordhoch bei gut 108.000 Dollar.

"Der Bitcoin-Bullenmarkt bleibt intakt, genauso wie der stufige Anstieg", kommentiert Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. "Bitcoin könnte auf dem Weg zu einem neuen Allzeithoch dem S&P 500 vorauslaufen."

Der Euro steigt am Nachmittag um 0,3 Prozent auf 1,1262 Dollar. Die europäische Gemeinschaftswährung kann damit einen Teil ihrer jüngsten Verluste wieder wettmachen. Gestern hatte der Dollar von der Aussicht auf eine weitere Entspannung im globalen Zollkonflikt sowie anhaltend hohen Zinserwartungen profitiert; im Gegenzug war der Euro unter Druck geraten.

Die Commerzbank ist überraschend mit einem Gewinnzuwachs in das Jahr gestartet. Das von der italienischen UniCredit umworbene Geldhaus hat im ersten Quartal einen Nettogewinn von 834 Millionen Euro erwirtschaftet - ein Zuwachs von 11,7 Prozent und zugleich der höchste Quartalsgewinn seit 2011. Analysten hatten im Schnitt mit einem Rückgang auf 698 Millionen Euro gerechnet.

Aktien der deutschen Autobauer gehören zu den Gewinnern im DAX. Sie profitieren wie das gesamte europäische Branchenumfeld von einem vorsichtigen Zolloptimismus. Papiere von BMW, VW und Mercedes-Benz ziehen merklich an, im Nutzfahrzeugbereich fallen Daimler Truck und Traton mit überproportionalen Kursgewinnen auf.

Der Finanzinvestor CVC und die Eigentümerfamilie Gotthardt machen ernst mit dem angekündigten Rückzug der Koblenzer Medizinsoftwarefirma CompuGroup Medical (CGM) von der Frankfurter Börse. Die übrigen Aktionäre bekommen daher wie vorgeschrieben noch einmal die Möglichkeit, ihre Anteile an CVC zu verkaufen. Das öffentliche Delisting-Angebot liegt bei 22 Euro je Aktie.

Die Fluggesellschaft Air Canada bekommt die Verstimmung der Kanadier wegen des Streits mit den USA zu spüren. Die größte kanadische Airline meldete einen größeren Verlust für das erste Quartal und führte dies auch auf ein schwächeres Passagieraufkommen auf dem wichtigen US-Markt zurück.

Trumps Handelspakt mit Großbritannien kommt bei der US-Autoindustrie schlecht an. Der Grund ist die Senkung der Einfuhrzölle für 100.000 britische Autos von 25 auf 10 Prozent. Damit würden Hersteller aus Großbritannien gegenüber der eigenen Industrie bevorzugt, kritisierte der Branchenverband AAPC, der die Autobauer Ford, General Motors und Stellantis vertritt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Mai 2025 um 09:00 Uhr in "Update Wirtschaft".