
Gamer erobern Trosky Analoges Abenteuer für digitale Ritter
Mittelalter trifft Game-Controller: Seit der Spiele-Hit "Kingdom Come: Deliverance II" Millionen Gamer begeistert, verzeichnet die Burgruine Trosky im Norden Tschechiens auffällig steigende Besucherzahlen.
Viel Leben in alten Mauern, an einem sonnigen Maiwochenende drängen sich Besucherscharen durch die spektakulären Überreste der Burg Trosky im Böhmischen Paradies. "Früher ging es hier deutlich ruhiger zu", erzählt Burgverwalterin Pavlína Suchomelová.
Doch zu den klassischen Familienausflüglern ist ein ganz neuer Besuchertyp hinzugekommen: Junge Menschen in Hoodies und Basecaps, die aufmerksam die alten Mauern absuchen, Wege abschreiten und Aussichten vergleichen. Sie sind auf den Spuren von Heinrich von Skalitz, der Hauptfigur des tschechischen PC-Spiele-Hits "Kingdom Come: Deliverance II" unterwegs. Die Burg ist einer der zentralen Orte des Spiels, akribisch und nach realen Vorlagen rekonstruiert - Böhmen im Jahr 1403. Und was auf dem Bildschirm fasziniert, zieht nun Gamerinnen und Gamer vom Monitor in die Realität.
Spiel kurbelt Tourismus an
Diese Steine, dieser Ausblick - Michal kennt alles hier. Er hat schon Stunden auf der Burg verbracht und ist heute dennoch zum ersten Mal hier. "Wir wollten einfach sehen, wie es in echt aussieht", sagt der begeisterte Gamer. Burgen interessierten ihn sonst eher nicht, "aber Trosky muss man gesehen haben". Diesmal sei es ausnahmsweise gar nicht schwer gewesen, den Ausflug durchzusetzen, erzählt seine Freundin Martina mit stillem Grinsen. "So ein Trip in die Realität ist mir allemal lieber, als ihm beim Zocken zuzusehen."

Burgherrin Suchomelová freut sich über den Andrang, auch wenn der nicht immer leicht zu bewältigen ist. "Manche erwarten hier mehr Infos, mehr Interaktivität - aber wir sind eben eine echte Ruine, kein Museum mit Touchscreen." Zwischen Denkmalschutz und Besucheransturm ist nicht alles so schnell nachzurüsten wie ein Patch im Spiel.
Tobias Stolz-Zwilling von Warhorse Studios kennt den Zwiespalt von digitaler und analoger Welt. "Wir haben das Spiel nicht gemacht, um den Tourismus anzukurbeln", sagt er. "Aber wenn es passiert, freuen wir uns natürlich." Drei Millionen verkaufte Exemplare in drei Monaten - "Kingdom Come II" ist ein voller Erfolg, rund um den Globus. Und für viele Fans ein Reiseanreiz. "Wir bekommen Videos von Leuten, die mit der Landkarte des Spiels durch Böhmen wandern."
Burg aus dem 14. Jahrhundert
Die Burgruine Trosky gehört zu den markantesten Wahrzeichen Nordböhmens. Nicht nur wegen ihrer Lage, sondern auch wegen ihrer dramatischen Szenerie: Zwei Türme thronen auf zwei steilen Basaltkegeln - der eine dick und niedrig, der andere hoch und schlank. Sie heißen im Volksmund "Baba" (die Alte) und "Panna" (die Jungfrau).
Erbaut wurde die Festung Ende des 14. Jahrhunderts. Strategisch war sie ideal: Uneinnehmbar, mit freiem Blick über das Böhmische Paradies. Heute ist sie ein beliebtes Ausflugsziel - und dank Warhorse Studios auch ein digitaler Wallfahrtsort für Mittelalter-Fans.

Die Burg Trosky - wie sie die Gamerinnen und Gamer aus dem PC-Spiele-Hits "Kingdom Come: Deliverance II" kennen.
"Wie eine Zeitreise"
Trosky ist für Warhorse ein besonderer Ort. "Schon im ersten Teil des Spiels brachte unser Held Heinrich einen geheimen Brief dorthin - im zweiten Teil setzen wir die Geschichte fort." Im Spiel sei die Burg "gerade frisch fertig gebaut", erzählt Stolz-Zwilling. "Das ist wie eine Zeitreise. Man sieht die Orte, wie sie damals ausgesehen haben könnten - nicht verfallen, sondern neu."
Das Entwicklerteam hat dafür intensiv recherchiert, mit Historikern, Universitäten, Museen und alten Karten. Die Spielwelt basiert auf Satellitendaten - leicht angepasst, um die Wege spielgerecht zu verkürzen. "Aber im Prinzip kann man sich mit dem Wissen aus dem Spiel auch im echten Leben durch die Region navigieren."
Region wird von Touristen überrollt
Ein Besuch auf Trosky beginnt heute noch ganz klassisch: Mit steinernen Stufen und einem grasbewachsenen Burghof. Manche Besucherinnen und Besucher sind irritiert. "Im Spiel sah das größer aus", murmelt einer. Für viele ist es ein Moment des Abgleichs: Wie nah kommt die Realität dem Spiel? Und was ist eigentlich authentischer - der bröckelnde Stein von heute oder die digital rekonstruierte Burg des 13. Jahrhunderts?
Pavlina Suchomelová sieht darin eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Schutzbestimmungen müssen beachtet werden, manche Dörfer rund um die Burg fühlen sich von dem Ansturm überrollt. "Natürlich wünschen wir uns manchmal mehr Unterstützung, um mit dem wachsenden Interesse Schritt zu halten. Aber dass so viele junge Menschen den Weg zu uns finden, ist einfach schön."
Großes Potential
Was bislang fehlt, ist die digitale Aufbereitung vor Ort. Stolz-Zwilling sieht enormes Potenzial: "VR-Brillen, historische Einblendungen, Führungen mit Game-Bezug - das könnte richtig spannend sein." Als Vorbild nennt er Dubrovnik, das seinen Popularitätsschub durch die HBO-Serie "Game of Thrones" aktiv nutzt. "Auch Trosky hätte dieses Potenzial - wenn man es wahrnimmt."
Noch ist die Burg analog. Was hier 3D ist, das war es auch im 14. Jahrhundert schon. Aber die Besucherinnen und Besucher kommen zunehmend aus der digitalen Welt - und bringen frisches Interesse mit. Vielleicht ist das ja das Update, auf das die Burg gewartet hat.