
Sabotage-Verdacht Entscheidender Hinweis soll aus dem Ausland gekommen sein
Die Bundesanwaltschaft hat drei Männer wegen Sabotageverdachts festnehmen lassen. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ soll der entscheidende Hinweis von einem ausländischen Nachrichtendienst gekommen sein.
Am Anfang der Ermittlungen soll ein sogenannter Tracker gestanden haben, ein kleines technisches Gerät, dessen Position sich elektronisch nachvollziehen lässt. Ein solcher Tracker soll sich nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) in einem Paket befunden haben, dessen Spur sich offenbar zu jenem Mann zurückverfolgen ließ, der nun in Köln festgenommen wurde.
Jener Vladyslav T. und zwei weitere Ukrainer in Konstanz und in der Schweiz werden verdächtigt, als Agenten im Auftrag Russlands Sabotageakte vorbereitet zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Offenbar Testpakete verschickt
Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, sich bereit erklärt zu haben, Brand- und Sprengstoffanschläge auf den Gütertransport in Deutschland auszuführen. Das genaue mögliche Ziel ist derzeit unbekannt. Solche Gütertransporte werden jedoch beispielsweise für den Export von militärischem Gerät in die Ukraine genutzt.
Wie die Karlsruher Behörde mitteilte, sollen die Pläne beinhaltet haben, Pakete mit Spreng- oder Brandvorrichtungen aus der Bundesrepublik in die Ukraine zu schicken. Während des Transports, so die Ermittlungen, sollten sie sich dann entzünden. Um vor dem Verschicken von tatsächlichen Brandsätzen geeignete Transportwege zu erkunden, soll Vladyslav T. Ende März in Köln zwei Testpakete aufgegeben haben. In diesen, so der Generalbundesanwalt, hätten sich unter anderem jene GPS-Tracker zum Nachverfolgen befunden.
Offenbar Gefährderansprache
Nach Informationen von WDR, NDR und SZ soll der Hinweis auf die mutmaßlichen Sabotagevorbereitungen von einem ausländischen Nachrichtendienst stammen. In Deutschland sollen diesen Hinweisen zunächst Verfassungsschützer aus Nordrhein-Westfalen und Staatsschützer der Polizei Köln nachgegangen sein.
Vladyslav T. soll dann überwacht worden sein. Dabei habe er sich konspirativ verhalten. Deshalb wollten die Ermittler den Ukrainer offenbar festnehmen. Doch ein Richter, so heißt es aus Sicherheitskreisen, soll zunächst keine ausreichenden Gründe für eine Festnahme zu diesem Zeitpunkt gesehen haben. Schließlich soll es zu einer direkten Gefährderansprache gekommen sein.
Koordinator in der Schweiz?
Wie die Recherche ergibt, entfaltete sich den Ermittlern dann durch das Gespräch mit Vladyslav T. ein offenbar umfassenderer Plot. Er soll ihnen erzählt haben, dass er Geld bekommen habe. Er sei instruiert worden, Pakete über einen Dienstleister zu verschicken.
Am Ende kamen die Ermittler offenbar auf einen weiteren Mann, der jetzt in der Schweiz verhaftet wurde. Die Ermittler sollen davon ausgehen, dass dieser Verdächtige eine koordinierende Rolle gespielt hat.
Der Generalbundesanwalt glaubt, dass dieser Mann, Yevhen B., den Auftrag zum Verschicken der Testpakete erteilt habe. Über den dritten Ukrainer, der in Konstanz festgenommen wurde, habe Yevhen B. die Paketinhalte zur Verfügung gestellt.
Die Verhaftungen und die mutmaßlichen Anschlagspläne zeigen, wie sehr auch Deutschland Ziel von Sabotageversuchen ist, deren Auftraggeber die Bundesanwaltschaft in Russland vermutet.
Zahlreiche Sabotagefälle
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist besonders in Polen und im Baltikum eine Vielzahl von Sabotagefällen bekannt geworden, die Russland zugeschrieben werden. Dutzende Personen wurden dort bereits verhaftet oder verurteilt. In Deutschland dagegen gibt es bislang nur wenige solcher Ermittlungserfolge.
Der Fall erinnert an eine Serie von Brandsätzen, die im Sommer 2024 bei Warschau, in Leipzig und in Birmingham in per Luftfracht verschickten Versandpaketen gefunden wurden. Mehrere Brandsätze waren in Flammen aufgegangen. Sicherheitsbehörden bezeichneten es als glücklichen Zufall, dass bei den Vorfällen keine Menschen verletzt wurden oder ums Leben kamen.
Auch damals wurden weitere Pakete ausgemacht, in denen keine Brandsätze, sondern Tracker waren. Mit ihnen sollten wohl die Transportwege von Europa nach Nordamerika erkundet werden.
Russischer Militärgeheimdienst unter Verdacht
Ermittlungen zu diesen Sabotagefällen laufen in mehreren Ländern. Verschiedene Personen wurden bereits festgenommen. Wie eine Recherche von WDR, NDR und SZ zeigte, gehen europäische Sicherheitsbehörden davon aus, dass hinter der länderübergreifenden Operation der russische Militärgeheimdienst GRU steckt.
Über Messenger-Dienste angeheuert
Es gibt noch eine weitere Ähnlichkeit zwischen den jetzt offenbar aufgedeckten Sabotageplänen und den damaligen Brandsätzen in der Luftfracht: Ähnlich wie der in Köln festgenommene Vladyslav T. erklärten Beteiligte immer wieder, dass sie die genauen Hintergründe nicht kennen würden und sie nur einzelne Handlangertätigkeiten verrichtet hätten. Es kann also sein, dass auch Vladyslav T. ein "Wegwerf-Agent" ist.
Als "Wegwerf-Agenten" oder "Low Level-Agenten" bezeichnen Ermittler Personen, die keine offiziellen Mitarbeiter eines Geheimdienstes sind. Solche Personen werden oft über Messengerdienste wie Telegram angeworben, um für einen geringen Geldbetrag eine vielleicht harmlos erscheinende Aufgabe zu erfüllen.
Russland soll seit einigen Jahren verstärkt auf diese Methode setzen, da Hunderte professionelle Spione nach dem Start des russischen Angriffskrieges ihre Botschaftsposten verlassen mussten. Zudem kann der Einsatz der "Wegwerf-Agenten" dazu dienen, die eigentlichen Urheber zu verschleiern.