Aufkleber liegen während einer Pressekonferenz auf einer Ausgabe des Kurzberichts zu antiziganistischen Vorfällen 2024.

Bericht für 2024 Mehr Fälle von Diskriminierung von Sinti und Roma

Stand: 23.06.2025 12:48 Uhr

Angriffe, Beleidigungen und Ausgrenzung - die Meldestelle für Antiziganismus hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Fälle von Diskriminierung und Gewalt gegen Sinti und Roma registriert als im Vorjahr. Oft komme es im Kontakt zu Behörden oder im Bildungsbereich zu Diskriminierung.

In Deutschland ist die Zahl gemeldeter Fälle verbaler und körperlicher Gewalt gegen Sinti und Roma im vergangenen Jahr erneut stark gestiegen. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) dokumentierte in ihrem dritten Jahresbericht 1.678 Vorfälle, wie sie mitteilte. 2023 waren es 1.233 registrierte Vorfälle. Es handele sich um einen besorgniserregenden Anstieg, hieß es von MIA.

Bei 856 und damit etwa der Hälfte der dokumentierten Fälle handelte es sich laut MIA um verbale Stereotypisierungen. Dies sind demnach antiziganistische Äußerungen, die Betroffene diffamieren und herabwürdigen. Zudem wurden 57 Angriffe, 50 Bedrohungen, 37 Sachbeschädigungen und zehn Fälle extremer Gewalt registriert. Unter "extremer Gewalt" wurden Fälle erfasst, bei denen Menschen physisch angegriffen wurden. Die Vorfälle waren so schwerwiegend, dass dabei Menschen getötet oder schwer verletzt wurden.

Oft Diskriminierung bei Behörden

MIA-Geschäftsführer Guillermo Ruiz geht von einer hohen Dunkelziffer aus. "Das ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Vorfälle", sagte er. Für die Zunahme sei nicht nur der gestiegene Bekanntheitsgrad der Meldestelle verantwortlich, sondern auch eine feindseligere Stimmung gegen Sinti und Roma. "Antiziganismus ist in Deutschland Alltag", betonte Ruiz.

Was ist Antiziganismus?
Für den Begriff "Antiziganismus" gibt es mehrere, etwas variierende Definitionen. Der Duden schreibt dem Begriff die Bedeutung einer "Abneigung oder Feindschaft gegenüber Sinti und Roma" zu.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes folgt der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Demnach "manifestiert sich Antiziganismus in individuellen Äußerungen und Handlungen sowie institutionellen Politiken und Praktiken der Marginalisierung, Ausgrenzung, physischen Gewalt, Herabwürdigung von Kulturen und Lebensweisen von Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzelpersonen oder Gruppen gerichtet sind, die zur Zeit des Nationalsozialismus und noch heute als 'Zigeuner' wahrgenommen, stigmatisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe vermeintlich Fremder behandelt werden, und ihnen eine Reihe negativer Stereotypen und verzerrter Darstellungen zugeordnet wird, die eine bestimmte Form des Rassismus darstellen."

Die Bundeszentrale für politische Bildung weist darauf hin, dass der Begriff Antiziganismus heute teilweise umstritten ist, da "er die abwertende Fremdbezeichnung 'Zigeuner' beinhaltet". Allerdings werde er "trotzdem von einigen Roma-Organisationen verwendet, auch um die darin enthaltenen rassistischen Zuschreibungen sichtbar zu machen, die von tatsächlichen Lebenswirklichkeiten völlig unabhängig sind".

Fast 22 Prozent oder 369 der Fälle hätten sich im Kontakt mit Behörden wie der Polizei ereignet. Im Bildungskontext - etwa in Schulen - wurden 313 Vorfälle registriert, auch Lehrkräfte hätten antiziganistische Beleidigungen geäußert. Im Wohnbereich verzeichnet der Bericht 295 Fälle, so erleben Sinti und Roma zum Beispiel oft Diskriminierungen bei der Wohnungssuche. Bei der Arbeit oder in Bus und Bahn dokumentierte die Meldestelle ebenfalls Vorfälle.

In 94 Fällen war ein direkter Bezug zur NS-Vergangenheit erkennbar: Wohnungstüren und Hauswände wurden mit rechter Propaganda beschmiert, Friedhöfe und Denkmäler geschändet, der nationalsozialistische Völkermord an Sinti und Roma geleugnet, verharmlost oder sogar glorifiziert.

Ruiz kritisierte zudem antiziganistische Reden in der Politik. Für viele davon seien Vertreterinnen und Vertreter der AfD verantwortlich, sagte er.

Forderung nach Meldestellen

In sechs Bundesländern hat die Informationsstelle Antiziganismus einen regionalen Sitz. Ruiz fordert auch in den zehn übrigen Ländern eine Meldestelle. Die Länder müssten sich an der Finanzierung beteiligen. Oft fehle der politische Wille. Als Vorbild nannte er Schleswig-Holstein, wo vergangenes Jahr eine Meldestelle eröffnet wurde.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. Juni 2025 um 12:00 Uhr.