Ein Mann in einem Gewand steht vor einem See

Schleswig-Holstein Zepter statt Skalpell: Rendsburger Arzt will König in Niger werden

Stand: 07.05.2025 05:00 Uhr

In diesem Frühjahr reiste Dr. Issifi Djibey zurück in seine Heimat Niger, um in einem der ärmsten Länder der Welt König zu werden. Seine Chancen stehen bestens, bald eine nigrische Provinz zu regieren.

Von Nicole Ehlert

Menschen in knallbunten Gewändern, Hütten aus Lehm, die Wege staubig. Hier ein mageres Rind, dort ein paar Ziegen. Es ist, als wäre sogar das hitzige Flimmern der Luft auf den Fotos zu sehen, die Issifi Djibey und seine Frau Angela in ihrem Rendsburger Einfamilienhaus auf dem Couchtisch ausgebreitet haben. Draußen ist es kalt an diesem Februartag 2025. "Mein Schrank ist voll von solchen bunten Gewändern", erzählt Angela - Geschenke von Freunden aus Niger, doch die Kleider könne sie hier in Rendsburg kaum tragen.

Immer mehr Fotos kommen aus den Kartons, Zeugnisse zahlreicher Afrikareisen. "Anfangs war ich alle drei Jahre dort, seit ich in Rente bin jedes Jahr", sagt Djibey, der 1970 mit einem Stipendium aus der nigrischen Provinz Kokorou nach Deutschland kam, Medizin studierte und mehr als 20 Jahre lang am Klinikum Rendsburg arbeitete. Zuletzt als Chefarzt für Gefäß- und Thorax-Chirurgie.  

Ein Mann und eine Frau auf einem Sofa

Im Rendsburger Wohnzimmer wird das Ehepaar seltener zusammensitzen, wenn Issifi Djibey König wird.

Der Ex-König regierte ein halbes Jahrhundert lang

"Da hast du ein Lamm geschenkt bekommen", sagt Angela Djibey und zeigt auf ein Foto, während sie neben ihrem Mann auf dem Ledersofa sitzt. Er nickt kurz, aber seine Aufmerksamkeit gehört einem anderen Bild. Darauf ist er in einer Gruppe von Nigrern zu sehen, im Mittelpunkt ein Mann mit grauem Bart. "Das war 2007. Da sind wir auf der Durchreise beim damaligen König vorbeigekommen", erklärt Angela. "Er war etwas überrascht von unserem Besuch - und ziemlich angespannt. Er hat in Issifi wohl schon seinen potenziellen Nachfolger gesehen."  

Eine Aufnahme einer afrikanischen Familie

Besuch beim damaligen König von Kokorou (Mitte) vor knapp 20 Jahren, rechts neben ihm sein Nachfolger in spe, Issifi Djibey.

2023 starb der König mit fast 100 Jahren, nach 52-jähriger Regentschaft. Im Februar 2025 packte Issifi Djibey im 6.500 Kilometer entfernten Rendsburg, um wieder in seine afrikanische Heimat zu fliegen - dieses Mal per One-Way-Ticket. Die Königswahlen sollen noch vor dem Sommer stattfinden und als potenzieller Thron-Nachfolger weiß er nicht, wann er wieder nach Rendsburg zurückkommen wird. 

Mehr zu Niger
Niger ist ein Binnenstaat in Westafrika, der unter anderem an Algerien, Libyen, Mali und Nigeria grenzt. 26,16 Millionen Menschen wohnen auf einer Fläche, die mehr als dreimal so groß ist wie Deutschland. Niger gehört zu den ärmsten Ländern der Welt; jedes 11. Kind stirbt vor seinem 5. Geburtstag. Mit 54 Jahren ist die Lebenserwartung sehr niedrig, ebenso die Alphabetisierungsrate (maximal 33%).  
2023 stürzten Militärs in einem Putsch den damaligen, gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum. Unter der Militärregierung ist die politische Lage des Landes sehr unsicher, die Bedrohung durch Terrorismus und Bandenkriminalität enorm groß. Zugleich ist Niger vom Klimawandel besonders betroffen: Dürren und Überschwemmungen wechseln sich ab. 
Quelle: https://www.bmz.de/de/laender/niger  

Ein Nein hätte die Familie in Niger nicht akzeptiert

Angela Djibey bleibt zunächst hier. "Schon als wir erfuhren, dass der König sehr krank ist, habe ich geahnt, was kommen wird. Dann war es soweit und mein Mann hat erstmal nachgedacht. Er hätte ja auch ablehnen können. Dann hätte sich ein anderer gefreut. Aber Issifi meint, er ist dran", sagt die Ehefrau lachend und spielt damit auf die königliche Abstammung an. Denn anders als sein Vorgänger, der von der Regierung eingesetzt wurde und somit nur politisch legitimiert war, steht Issifi Djibey in direkter Königslinie.

Seine Legitimation für den Thron reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, als Kaiser Mohammed Askia I. ein riesiges westafrikanisches Reich regierte. "Man nannte ihn auch Kalif von Songhai", sagt Djibey stolz über seinen royalen Ahnen. Als 1591 das Großreich zerfiel, floh die Königsfamilie nach Niger, behielt aber ihre Privilegien und die Prinzen teilten die Provinzen unter sich auf. So kam es, dass später auch Djibeys Urgroßvater 33 Jahre lang über Kokorou herrschte.

Mit der Wahl des Mediziners soll nach einem halben Jahrhundert die Nachfolge-Ordnung wiederhergestellt werden. "Ein Nein zur Kandidatur hätte meine Familie in Niger niemals akzeptiert", sagt Djibey.   

Islamisten terrorisieren das ganze Land

Die Provinz Kokorou im Westen des Niger ist etwa so groß wie das Saarland und hat gut 150.000 Einwohner. Der königliche "Emir" fungiert als Mittelsmann zwischen dem Volk und der Landesregierung. Er darf zum Beispiel Steuern eintreiben und richterliche Entscheidungen treffen. Niger wird von einer Militärregierung verwaltet; islamistische Terrorgruppen wüten. In Kokorou ist die Lage besonders angespannt. Um nicht sein Leben zu riskieren, hat Djibey seinen Wohnsitz in der Landeshauptstadt Niamey und würde im Falle seines Wahlsieges auch aus dem Exil regieren.  

Eine Aufnahme eines afrikanischen Wohnhauses

Sein Wohnhaus in Niamey wird auch der Regierungssitz sein, sollte Djibey die Wahl gewinnen.

Kein Kandidat war jemals so gebildet und weitgereist

Für einen Wahlsieg reicht eine einfache Mehrheit der 80 Wahlmänner, den Dorfoberhäupter von Kokorou. Sie gilt es von seiner Eignung für das hohe Amt zu überzeugen. Jetzt, in der heißesten Wahlkampfphase, sucht der Spitzenkandidat also das Gespräch mit den Entscheidern. Da spielen auch Geschenke eine Rolle, aber vor allem Argumente.

Warum also er - und nicht einer seiner zehn ebenfalls legitimierten Konkurrenten, darunter ein Neffe? Laut Issifi Djibey hat er etwas, das kein Kandidat jemals vorweisen konnte: höhere Bildung.

Mit meiner Karriere und meiner Lebenserfahrung bringe ich einen Schatz mit. Ich habe viele Länder auf der ganzen Welt bereist. Die brauchen dort jemanden, der Führung und Weitblick hat, der mit Entwicklungshilfe-Institutionen und der Regierung verhandeln kann."
— Issifi Djibey

Sein Ziel: Wasser und Strom für die arme Bevölkerung

Djibey will in der Region, in der es teilweise an Wasser und Strom fehlt, die Infrastruktur entwickeln, die Landwirtschaft modernisieren - und vor allem die gesundheitliche Versorgung verbessern. Große Aufgaben, aber er ist optimistisch. Das Amt, das sein Großvater einst innehatte, ist ihm nicht fremd. Und er habe auch ohne Krone schon einiges bewegt. "Wenn ich in Niamey lande, kommen die Leute und wollen etwas von mir", erzählt er.

Tonnenweise Medikamente sowie Tausende Brillen bringen die Djibeys seit den 1990er-Jahren in Niger unter das bedürftige Volk. "Alle vier Monate kommt ein Transporteur, der es verschifft", erklärt das Ehepaar und zeigt seine Garage, in der sich Kartons mit medizinischem Material bis unter die Decke stapeln. "Die Medizin wird mich weiter begleiten, bis an mein Lebensende", sagt Djibey.

Djibey: "Ich werde Rendsburg nicht für immer verlassen"

Arzt zu werden, war sein Traum. Dass er wahr wurde, verdanke er Deutschland. "Die Arbeit war wunderbar, ich habe viele Freunde hier." Doch Niger ist ebenfalls seine Heimat, und als König würde er wohl zwei Drittel des Jahres dort verbringen. "Ich werde also Rendsburg nicht für immer verlassen", erklärt er und klingt erleichtert.

Ein Mann sitzt auf einer Bank und gibt ein Interview

Seine regelmäßigen Spaziergänge an der Eider wird Issifi Djibey im heißen Niger vermissen.

Auch Angela wird zwischen den Welten pendeln, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Spätestens zur Wahl geht es los - im Koffer viele bunte Gewänder aus ihrem Schrank. In Afrika kann sie sie tragen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 08.05.2025 | 19:30 Uhr