Schleswig-Holstein Kolumne: Warum das Radeln mit Kind gefährlich bleibt

Stand: 17.05.2025 17:59 Uhr

63 Millionen Euro flossen in Schleswig-Holsteins Radwege - ein Rekord, der Hoffnung macht. Doch unsere selbsternannte Radelprofi-Kolumnistin weiß: Zwischen gutem Willen und gutem Radweg liegt oft noch ein Schlagloch.

Von Stella Kennedy

Im engen Kellergang bücke ich mich, um mein Fahrradschloss zu öffnen - und zack: Die Brille fällt runter. Natürlich. Ich kann sie erst wieder aufsetzen, nachdem ich halb blind mein sperriges Rad inklusive Kindersitz durch den Flur geschoben habe. Ich hieve das Fahrrad die Kellertreppe hoch und heraus in die Sonne. Oben wartet schon meine Zweitklässlerin mit ihrem Rad. Nun aber schnell. Zwanzig Minuten bleiben uns, bis die Schule beginnt. Ich versuche, das Auto stehen zu lassen - so oft es geht. Nach einem Artikel über die BiciBus-Initiative in Bad Segeberg habe ich mir das fest vorgenommen. Mehr Rad, weniger Diesel. Klingt gut, oder? Aber dafür nehmen wir einiges in Kauf - vor allem unsere Sicherheit.

Hindernisparcours der Extraklasse

Denn seitdem ich selbst auch Nachrichten schreibe und den "Polizeiticker" zu gut kenne, weiß ich leider auch, wie gefährdet wir Radler sind. Fast schon fahrlässig erscheint mir darum im Nachhinein die Seelenruhe, mit der meine Eltern mich damals schon als 7-Jährige allein am Rand der Landstraße zu meiner Grundschule radeln ließen. Aber nun gut: Es geht um das Vertrauen in die Welt und das Leben. Das möchte ich ja auch haben, weswegen ich auch in diesen Tagen einfach viel mehr und viel tiefer atme.

Zum Beispiel wenn ein weißer Amazon-Lieferwagen mit quietschenden Reifen vor meiner Lütten, die mit ihrem Rad die Kreuzung passiert, eine Vollbremsung macht. Wenn ein SUV plötzlich vor ihr aus einer Parklücke schert und sie haarscharf nicht mitnimmt. Wenn der Radweg an einer Bushaltestelle vorbeiführt und die Leute ihr dabei gedankenlos in den Weg treten - dann atme ich ein und aus. Alles wird gut. Hoffe ich zumindest.

Die Sache mit der Sicherheit

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Schleswig-Holstein fordert schon seit langem eine Neuausrichtung der Infrastuktur- und Verkehrsplanung. Denn eine essenzielle Voraussetzung dafür, dass mehr Menschen aufs Rad steigen wollen sei, dass sie sich sicher fühlen, sagte die Landesvorsitzende Stephanie Meyer. Dann könne Schleswig-Holstein zumindest darüber nachdenken, sich Fahrradland zu nennen. Unser flaches Land hat ja eigentlich die besten Bedingungen.

Nicht der Schutzengel - die Politik muss ran

Am Ende des Tages sind wir zwar heile und kaum zu spät an der Schule angekommen. Dennoch bin ich wütend und durchgeschwitzt. Ich will, dass meine Kinder irgendwann allein zur Schule fahren können und dafür will ich nicht an ihren Schutzengel appellieren, sondern an die Politik. Denn ja: Die Landesregierung hat im vergangenen Jahr so viel Geld für die Radwege in Schleswig-Holstein ausgegeben wie nie zuvor. Insgesamt wurden in die Sanierung und den Ausbau des Radwegenetzes rund 63 Millionen Euro investiert. Aber das war auch dringend nötig und darf auf keinen Fall abreißen - auch wenn Minister Madsen leider schon angekündigt hat, im laufenden Jahr vermutlich nicht ganz so viel Geld in Radwege investieren können. Für mehr Sicherheit, mehr Bewegung, saubere Luft und entlastete Eltern, die nicht mehr Taxi fahren wollen: Bitte, Madsen, lassen Sie das Geld fließen!

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein - Mein Wochenende | 17.05.2025 | 08:32 Uhr