
Rheinland-Pfalz Missbrauchsstudie Bistum Speyer: Bischof Wiesemann bittet Opfer um Vergebung
Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat sich in Speyer sehr emotional zur Studie zu sexuellem Missbrauch in katholischen Einrichtungen im Bistum geäußert. Der Betroffenenbeirat lobt das Bistum für die Aufarbeitung der Verbrechen.
Nichts kann das, was passiert ist, ungeschehen machen. Die schrecklichen Taten seien ein beschämendes Geschehen in der Geschichte des Speyrer Bistums, sagte der sichtlich emotionale Bischof Karl-Heinz Wiesemann in seiner Erklärung. "Ich kann nur aus ganzem Herzen um Vergebung bitten".
Bischof Wiesemann reagierte am Freitag auf die Missbrauchsstudie der Uni Mannheim, deren erster Teil am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Speyerer Bischof erschüttert vom Leid der Opfer in kirchlichen Heimen
Der Bischof sagte vor allen Medienvertretern, er sei beim Lesen der Missbrauchsstudie immer wieder ins Stocken geraten "insbesondere bei den Schilderungen der Betroffenen, welch himmelschreiendes Unrecht und Leid ihnen angetan wurde, gerade auch in den in der Studie als Hotspots identifizierten kirchlichen Heimen; wie wenig ihnen geglaubt wurde; wie unangemessen die Kirche mit ihnen umgegangen ist."
Wiesemann: Zunächst auch von Einzeltätern und Einzelfällen ausgegangen
Zum Zeitpunkt der ersten großen Veröffentlichungen über das Missbrauchsgeschehen ab 2010 sei er auch persönlich der Überzeugung gewesen, dass jeder Fall zwar sehr ernst zu nehmen sei, dass es sich aber um Einzeltäter und Einzelfälle handele, sagte Karl-Heinz Wiesemann. Erst durch die Missbrauchsstudie sei ihm das Ausmaß des Skandals klar geworden: "Dafür schäme ich mich persönlich", so der Bischof.
Er habe sich beim Lesen auch die Frage gestellt: "Inwieweit bin ich durch falsch verstandenen Gehorsam, durch Wegschauen und Verdrängen, durch fehlende Anteilnahme und Einfühlung mitschuldig an so manchem Leid geworden?"
Bischof erschüttert: Geistliche in Leitungsfunktionen waren Beschuldigte
Was ihn auch erschütterte, sei das Versagen von Geistlichen gewesen, die Leitungsfunktionen in der Diözese Speyer hatten, so Wiesemann: "Besonders vor dem Hintergrund, dass vor allem in den 1950er und 60er Jahren eine Reihe von Geistlichen, die mit Leitungsaufgaben betraut waren, selbst Beschuldigte waren". Mit ihren konkreten Namen sei eine erschütternd schreckliche Wirklichkeit verbunden, die nicht ungeschehen gemacht werden könne.
"Einen Schlussstrich unter das Thema Missbrauch darf es nicht geben"
Bischof Wiesemann versicherte, er werde sich weiter für die Aufarbeitung der Verbrechen im Bistum Speyer einsetzen. "Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Einen Schlussstrich unter das Thema Missbrauch kann und darf es nicht geben," forderte das Kirchenoberhaupt des Bistums Speyer. Wiesemann machte auch deutlich, wie ihn der Prozess der Aufarbeitung persönlich weitergebracht hat: "Gespräche mit den Betroffenen gehören zu den größten und entscheidensten Lernerfahrungen meines Lebens", sagt der Speyerer Bischof.
Generalvikar Magin: "Mahnmal im Bistum errrichten"
Auch der Generalvikar des Speyerer Bistums Markus Magin äußerte sich zum weiteren Vorgehen. "Wir möchten ein Mahnmal in unserem Bistum errichten", sagte er. Alle Mitarbeiter des Bistums und der Caritas sollen außerdem einen Leitfaden bekommen, aus dem hervorgeht, wie man Missbrauch erkennen und verhindern kann. Menschen, die beim Bistum arbeiten, müssten regelmäßig ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Und es werde eine Datenbank erstellt, in der Personen aufgeführt sind, die schon mal des Missbrauchs beschuldigt worden seien, damit sie sich nicht erneut unerkannt bei einer kirchlichen Einrichtung bewerben könnten, so Magin.
Sprecher vom Betroffenenbeirat lobt Arbeit des Bistums Speyer
Der Sprecher des Betroffenenbeirats Bernd Held hat die Verantwortlichen im Bistum für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und Präventionsbemühungen gelobt. Speyer sei da sehr viel weiter als andere Bistümer, so Held. "Ich bin zufrieden mit der Studie. Sie ist für Betroffene nützlich. Weil es immer noch viele Betroffene gibt, die glauben, dass sie ein Einzelfall sind", so Held. Doch es gebe wirklich viele Betroffene. Er hoffe, dass sich nun auch Menschen äußern und melden, die sich bislang nicht getraut haben.
Nach der Pressekonferenz ging Bernd Held kurz raus. Vor dem Priesterseminar standen zwei Demonstranten mit einem Schild. Darauf stand ein Zitat von Johannes: "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen"
In der Studie der Uni Mannheim ist von 150 mutmaßlichen Tätern die Rede, darunter 109 Geistliche. Rund 300 von sexuellem Missbrauch Betroffene haben sich bisher beim Bistum gemeldet. Die Studie wurde im April 2023 von einer Unabhängigen Kommission initiiert und ist auf vier Jahre angelegt. Finanziert wird sie vom Bistum.
Die Kosten für die Studie liegen nach eigenen Angaben bei 1,2 Millionen Euro, mehr als 400.000 Euro wurden bereits ausgegeben. Das Bistum hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Missbrauchsfälle eingeräumt. Bis heute wurden dem Bistum zufolge rund 3,6 Millionen Euro inklusive Therapiekosten an 96 Betroffene gezahlt. Das Bistum Speyer umfasst die Pfalz und den Saarpfalz-Kreis mit mehr als 430.000 Katholiken.
Sendung am Fr., 9.5.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4