
Rheinland-Pfalz Mehr rechtsextreme Straftaten an Schulen gemeldet - woran liegt das?
Hakenkreuz, Hitlergruß und rassistische Gesänge auf dem Schulhof: Rechtsextremistische Straftaten an Schulen nehmen bundesweit zu. Auch in Rheinland-Pfalz steigen die Zahlen.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl rechtsextremistischer Straftaten an rheinland-pfälzischen Schulen mehr als verdoppelt. Das belegen Zahlen der Polizei Rheinland-Pfalz. Auch bundesweit wurden mehr solcher Vorfälle erfasst. Darüber hatte zuletzt der "Stern" berichtet.
Während in Rheinland-Pfalz 2019 noch 21 rechtsextremistische Straftaten erfasst wurden, waren es 2024 schon 45. Aber: Der Anstieg spiegelt laut Innenministerium nicht zwangsläufig eine tatsächliche Zunahme wider. Es könnte auch sein, dass durch eine höhere Sensibilisierung solche Fälle häufiger gemeldet werden als früher.
In den meisten Fälle handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte. Darunter fallen zum Beispiel Parolen wie "Heil Hitler" oder Hakenkreuz-Schmierereien. Aber auch Volksverhetzungen, Körperverletzungen, Beleidigungen und Sachbeschädigungen gab es vereinzelt an Schulen in Rheinland-Pfalz.
Schulleiterin aus Mayen berichtet aus dem Schulalltag
Von solchen, rechtsextremistischen Vorfällen kann auch Alexandra Birk-Märker berichten. Sie ist Schulleiterin der Berufsbildenden Schule in Mayen (Kreis Mayen-Koblenz). Aktuell beschäftigt die Schule der Fall eines Schülers, der Kleidung trägt, die der rechten Szene zuzuordnen ist – also zum Beispiel schwarze Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, rote Hosenträger, Handschuhe und Shirts mit verschiedenen Aufdrucken. Alles klar der rechten Szene zuzuordnen, aber ohne verfassungswidrige Symbole und deswegen nicht so einfach zu verbieten.
Auch in solch schwierigeren Fällen ist es Birk-Märker wichtig zu reagieren: "Wir versuchen, in jeglicher kleinsten Art und Weise Haltung zu bewahren." Auch, weil ihre Schule Teil des bundesweiten Netzwerks "Schule ohne Rassismus" ist, bei dem sich Schulen selbst verpflichten, aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen.
Schülergruppe grölt Hitler-Parolen in Mayen
Ihr bislang krassester Fall: Vor rund zwei Jahren zog eine Gruppe ihrer Schüler nachts durch Mayen und rief "Heil Hitler"-Parolen. "Da sind wir sehr, sehr gnadenlos vorgegangen mit der Polizei, haben die ADD informiert und das Krisenteam mit reingebracht", so die Schulleiterin. In solchen Fällen gibt es laut Birk-Märker ein festes Prozedere: Es findet eine Höhrung der Betroffenen mit Schul-, Abteilungs- und Klassenleitung statt. Dann werden die Eltern informiert und bei Berufsschülern in der dualen Ausbildung auch ihre Betriebe.
Und je nach Fall werden eben auch Polizei, ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) und Jugendamt über den Fall unterrichtet. Auch in den jeweiligen Klassen werden die Vorfälle gemeinsam mit Schulsozialarbeitern thematisiert. In Bezug auf den Vorfall vor zwei Jahren war dieses Vorgehen erfolgreich, sagt Birk-Märker: "Es war eine intensive Auseinandersetzung mit allen Beteiligten, hat viele Stunden gebraucht, aber danach ist nie wieder was vorgefallen."
Einen Trend kann die Mayener Schulleiterin aber nicht bestätigen: "Ich mache das fünfeinhalb Jahre und in dieser Zeit ist es kontinuierlich gleichgeblieben." Pro Jahr gebe es etwa zwei bis drei Vorfälle – wie Fotos mit aufgemalten Hitlerbärten oder ähnliches. Was Birk-Märker allerdings schon wahrnimmt: In einer bestimmten Altersgruppe sei die Gesinnung weiter nach rechts gerutscht. "Ich glaube, das ist ein gesamtgesellschaftlicher Trend."
Warum steigen die Zahlen?
Das rheinland-pfälzische Innenministerium erklärt sich die deutliche Zunahme der gemeldeten Straftaten mit diesen drei Gründen.
- Erstens: die zunehmende "Polarisierung in Gesellschaft und Politik" und die "verstärkte Aktivität von rechten Einzelpersonen und Gruppen". Diese Entwicklung schlage sich auch im Schulumfeld nieder. Schülerinnen und Schüler seien zum Beispiel in den sozialen Medien schneller mit extremistischen Inhalten und Propaganda konfrontiert – ohne die Inhalte so genau einordnen zu können.
- Zweitens: die Vielzahl an weltweiten Krisen. Auch Kinder und Jugendliche seien diesen sogenannten Polykrisen verstärkt ausgesetzt. Zum Beispiel der Nahost-Konflikt oder der russische Krieg gegen die Ukraine – mit möglichen "Stellvertreterkonflikten" im direkten Umfeld, wie dem Schulhof. Dazu zählten aber auch Zukunftsängste oder die Angst vor einem sozialen Abstieg.
- Drittens: die erhöhte Sensibilisierung und Meldebereitschaft. Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler würden durch Präventionsprogramme an Schulen zu extremistischen, diskriminierenden und verfassungsfeindlichen Inhalten sensibilisiert, sodass entsprechende Symbole, Schmierereien oder verbale Äußerungen schneller erkannt und gemeldet werden könnten.
Hier wurden die meisten rechtsextremen Vorfälle in RLP gemeldet
Im vergangenen Jahr wurden die meisten solcher rechtsextremen Straftaten in Rheinland-Pfalz an Schulen im Raum Koblenz erfasst. Dahinter kommen Mainz, Trier und die Rheinpfalz. Deutlich weniger Vorfälle wurden im Raum Kaiserslautern gemeldet.
Um solchen Vorfällen vorzubeugen, betont das Bildungsministerium, wie wichtig die Prävention an Schulen sei. "Demokratiebildung, Europabildung, die Vermittlung von historisch-politischem Wissen und aktive Gewaltprävention sind die wirksamsten Mittel, Extremismus im schulischen Raum gar nicht erst entstehen zu lassen", heißt es. Ein Mittel: Die Erhöhung der Stundenzahl in den Fächern Sozialkunde und Gesellschaftslehre in Sekundarstufe 1 und 2.
Schulleiterinnen und Schulleiter sind laut Bildungsministerium außerdem dazu verpflichtet, "schwere politisch oder religiös motivierte Straftaten" zu melden - der Polizei und der Schulbehörde. Für alle anderen Vorfälle aus dem Bereich des Extremismus bestehe eine Informationspflicht gegenüber der Schulaufsicht.