Isabel Schayani ist eine deutsch-iranische Fernseh- und Onlinejournalistin für den WDR und moderiert den ARD Weltspiegel aus Köln.

Nordrhein-Westfalen WDR-Reporterin Schayani: So geht es den Menschen im Iran

Stand: 23.06.2025 17:39 Uhr

Wie geht es den Menschen im Iran seit Israels Angriff? WDR-Reporterin Isabel Schayani hält zu vielen Kontakt. Ein Interview.

Durch die israelischen Angriffe auf den Iran und die iranischen Gegenangriffe auf Israel kommt es in beiden Ländern zu Toten und Verletzten. Mittlerweile haben auch die USA den Iran angegriffen. Was erleben die Menschen vor Ort? Unabhängige Informationen aus dem Iran sind rar. Denn Korrespondenten berichten derzeit in der Regel nicht direkt von dort. 

WDR-Reporterin Isabel Schayani hält seit Jahren Kontakt zu vielen Iranerinnen und Iranern. Sie selbst ist in Essen geboren, ihr Vater im Iran.

WDR: Wie erleben die Menschen im Iran die Angriffe Israels und der USA auf ihr Land?

Isabel Schayani: Für einige Tage konnte ich zu niemanden im Iran Kontakt herstellen. Gerade jetzt geht es einigermaßen. Heute erfuhr ich von einem Ehepaar in Teheran zum Beispiel, dass nur einen Kilometer von ihnen entfernt eine israelische Rakete eingeschlagen hat. Sie galt offenbar einem Stützpunkt der Revolutionsgarden. 

Viele flüchten aus der Hauptstadt Teheran. Aber das kann nicht jeder, zum Beispiel dieses ältere Ehepaar. Es gibt zwar genug zu Essen. Aber das Benzin ist rationiert. Außerdem kommen die Leute nur schwer an Geld. Nach israelischen Cyberangriffen funktionieren viele Geldautomaten nicht. 

In den vergangenen Nächten gab es viele Raketeneinschläge - das erzählen mir auch Menschen in anderen Städten. Sie haben große Angst. Aber ganz typisch ist für die Iraner, dass sie mir stets - wie es die iranische Höflichkeit gebietet - auch versichern: Macht euch keine Sorgen!

WDR: Wie schützen sich die Iraner gegen die Raketenangriffe? Anders als in Israel gibt es doch keine Bunker, oder?

Schayani: Das stimmt. Denn in Israel zählt das Menschenleben was. Im Iran ist das anders. Das Regime sagt den Menschen zum Beispiel, sie sollen in U-Bahn-Stationen Schutz suchen. Aber viele Leute misstrauen solchen Ratschlägen. Denn dort könnten Waffen versteckt sein, sodass eine U-Bahn-Station ein israelisches Angriffsziel sein kann.

Es könnte also eine Falle sein, sagen mir die Menschen. Denn zivile Opfer spielen dem Regime in die Karten: Sie lassen Israel in der Weltöffentlichkeit schlecht dastehen. Die Iraner werden also gerade von zwei Seiten angegriffen: von Israel und von der eigenen Regierung.

WDR: Gibt es brauchbare Schätzungen, wie viele Menschen im Iran das Regime unterstützen und ablehnen?

Schayani: Es gibt eine Umfrage vom Dezember 2022, nach der etwa 80 Prozent der Iranerinnen und Iraner das Regime ablehnen. Die niederländischen Non-Profit-Organisation Gamaan Research Foundation befragte dafür 200.000 Staatsbürger, die meisten davon direkt im Iran. Ich persönlich schätze, dass auf jeden Fall deutlich mehr als die Hälfte der Menschen im Iran das Regime ablehnt.

WDR: Die Frage ist dann, wie es zu einer anderen Regierung im Iran kommen kann. US-Präsident Trump räumt einen von außen erzwungenen "Regime Change" zumindest bislang nicht aus. Was sagen Dir die Menschen im Iran dazu, mit denen Du sprichst?

Schayani: Sie haben vor allem die Sorge, dass das Regime bleibt und noch härter gegen die eigene Bevölkerung durchgreift als ohnehin schon. Seit den israelischen Angriffen hat sich vieles noch weiter verschärft. Mir wurde zum Beispiel berichtet, dass iranische Sicherheitskräfte mitten im Park oder auf der Straße Leuten, die sich unterhielten, das Handy wegnahmen oder sie direkt mitnahmen. Einfach so. Und die Menschen fragen sich: Wenn das Regime an der Macht bleibt - wer wird dann als Nächstes im Gefängnis landen? Wer wird exekutiert? Kommt es wieder zu Massenhinrichtungen? Einige hoffen auch regelrecht auf einen "Regime Change".

WDR: In NRW leben viele Tausende Iraner. Wie geht es ihnen in Deiner Wahrnehmung?

Schayani: Im Iran gibt es trotz aller Ängste und Sorgen in diesen Tagen eine große Solidarität untereinander. Wer keine Wohnung mehr hat, bekommt von anderen einen Schlafplatz angeboten. Hat eine Bäckerei nicht genügend Brot für alle Menschen in der Warteschlange, dann teilen sich alle das wenige Brot, was da ist. Das zeigt ein Video, das gerade viral geht. Zum Dank küsst der Bäcker jeden Kunden.

Auf Persisch gibt es ein schönes Wort, es heißt: hamdeli, also Empathie. Oder wortwörtlich: Die Herzen verbinden. Ich glaube, das tut auch hier gut. Auch hier sind die Iraner in großer Sorge - um ihre Angehörigen im Iran. Ich glaube, sie würden sich sehr freuen über ein kleines Zeichen der Empathie. Über die einfache Frage: Wie geht es euch? 

Das Interview führte Jörn Seidel.

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