Beverungener Ortsschild

Nordrhein-Westfalen Was Beverungen für Familien attraktiv macht - und was passieren muss

Stand: 10.05.2025 18:26 Uhr

Pure Idylle für Naturfans, öde Langeweile für Jugendliche: Der kleine Ort Beverungen hat viele Seiten. Was macht die Stadt für junge Familien attraktiv - und was muss wirtschaftlich noch passieren? Wir haben uns vor Ort umgehört.

Von Nina Magoley

Ganz am östlichsten Rand NRWs liegt das 13.000-Seelen-Städtchen Beverungen, eingebettet in saftig grüne Wiesen und Felder. Gemächlich fließt die Weser durch schöne Auen vorbei Richtung Nordsee, das gegenüberliegende Ufer gehört bereits zu Niedersachsen.

Die Weser fließt durch die Landschaft

Gemächlich fließt die Weser

Der 520 Kilometer lange Weser-Radweg zählt zu den schönsten Flussradwegen Deutschlands, in den weiten Wäldern der Region gibt es zahllose Wanderwege und uralten Baumbestand. "Gar nicht mal so schlecht hier" - das Motto, das Beverungen für sich selbst gefunden hat, kann alles oder nichts bedeuten.

Viel schöne Natur, eine ehemals florierende Möbelindustrie, die es kaum noch gibt, viele kulturelle Highlights - die aber eher ein reiferes Publikum als ein jüngeres ansprechen. Wie attraktiv kann das Leben in Beverungen für jüngere Menschen und Familien sein?

WDR aktuell war zum "Blütenfest" am Samstag in dem Weser-Städtchen zu Gast.

Aus Köln nach Beverungen

Peter Vohwinkel am WDR Cube

Peter Vohwinkel

Für Peter Vohwinkel heißt Beverungen eher alles: Vor drei Jahren zog der ehemalige Kölner hierher, ans Ende von Nordrhein-Westfalen. Es sei "genau die richtige Entscheidung" gewesen, sagt der 31-Jährige. Er liebe das Weserbergland, für ihn als E-Mountainbike-Fahrer sei es "ein wahres Paradies". Auch das kulturelle Angebot mit Theaterstücken und Konzerten sei sehr gut. Bald wollen sogar seine Eltern nachkommen.

Alles da: Kinder und Job

Auch für Ricarda Tesmer ist Beverungen so ziemlich alles: Die 33-Jährige ist hier geboren und aufgewachsen, mittlerweile hat sie zwei Kinder. Die Natur drumherum, das schöne Wesertal - sie würde niemals woanders hin wollen. Als vor ein paar Monaten zur allgemeinen Freude der Beverunger eine McDonalds-Filiale im Ort eröffnete, fand sie dort einen Job.

Ricarda Tesmer im Interview mit dem WDR

Nie woanders hin: Ricarda Tesmer

Sie lebe gerne hier, sagt die junge Frau mit blonder Kurzhaarfrisur und wachen Augen. Auch mit Kindern fühle sie sich hier besser aufgehoben als anderswo. Und das, obwohl genau hier einige der Probleme liegen, mit denen der kleine Ort hinter seiner idyllischen Kulisse offenbar auch kämpft.

Licht und Schatten in Beverungen

Denn die WDR-Umfrage "Beverungen - wo brennt's?" hatte ergeben, dass es neben einem funktionierenden ÖPNV vor allem an Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche fehlt.

Das spürt auch Ricarda Tesmer, deren zwei Jungen jetzt drei und neun sind. "Sobald die Kinder aus dem Grundschulalter raus sind, wissen sie nicht mehr, was sie hier im Ort mit sich anfangen sollen."

Es gebe schlicht kaum Angebote für Kinder. "Der Spielplatz wurde so gebaut, dass er ungeeignet ist für kleine Kinder und langweilig für größere", zählt sie auf, "das neue Hallenbad ist ohne Kinderbecken und ohne Rutsche geplant". Ärgernisse, von denen viele Beverunger erzählen an diesem Samstag.

Kaum Bürgerengagement beim Thema Schwimmbad

Allerdings, das räumt sie ein, hätten sich die Bewohner bei diesen Themen ihrer Wahrnehmung nach kaum stark gemacht: "Alle meckern darüber, aber niemand hat sich dagegen engagiert."

Zum Thema Schwimmbäder befragt, wird der parteilose Bürgermeister Hubertus Grimm später im WDR-Interview sagen, dass es alles auch eine Frage der Finanzierung sei: Priorität bei der Planung sei gewesen, "dass unsere Kinder schwimmen lernen". Deswegen sei ein Schwimmbecken wichtiger gewesen als beispielsweise ein Sprungturm, der das Projekt "um ein Drittel teurer" gemacht hätte.

Der Rathausplatz in Beverungen

Der Rathausplatz in Beverungen

Es fehle aber auch an geeigneten Treffpunkten für den Nachwuchs, sagt Ricarda Tesmer. Als sie selber Jugendliche war, gab es noch die legendäre Disco "Saloon" erzählt sie, unten am Fluss. "Da traf sich einfach alles." Heute gebe es nichts dergleichen mehr. "Die Jüngeren cruisen tagsüber mit E-Scootern auf dem Rathausplatz, lungern einfach herum, die Älteren treffen sich privat oder fahren am Wochenende abends ins Umland, sobald sie mobil sind."

Familien ziehen mangels Angeboten weg

Wenn sie nicht arbeite, sagt die junge Mutter, sei sie eigentlich immer damit beschäftigt, ihre Kinder zu bespaßen. "Am Wochenende geht's nach Höxter zur Tanzgruppe, ins Spaßbad, zum Indoorspielplatz." Sie kenne viele Familien, die deswegen mittlerweile weggezogen seien aus Beverungen.

Einer, der versucht, den Jugendlichen von Beverungen etwas zu bieten, ist Christopher Knop. Der 38-Jährige ist Lehrer am örtlichen Gymnasium. Geboren und aufgewachsen in der Region, kam er nach dem Studium wieder zurück. "Der Menschenschlag hier ist einfach authentisch", sagt er.

Wanderer stehen auf dem Skywalk und betrachten die Landschaft

Weser Skywalk unweit von Beverungen

Gemeinsam mit dem Lehrerkollegium seiner Schule versuchen sie, den Jugendlichen regelmäßig Veranstaltungen zu bieten, die im Ort nicht stattfinden: Schülerfeste mit DJ, Kreativworkshops, Spieleabende. "Das funktioniert nur mit viel persönlichem Engagement der Kollegen", sagt Knop, der selber Vater von drei Kindern ist.

Billig wohnen und parken

Unterm Strich lebe es sich in Beverungen ganz gut, sagt Polizist Uwe Bartolles. Mieten seien erschwinglich, Parkgebühren gering, "Kinder haben Platz". Heute Vater von zwei Söhnen, hat er selber einige Jahre in Köln gelebt - und kam doch zurück nach Ostwestfalen.

Uwe Bartolles sitzt auf einer Bank am Rathaus

Polizeibeamter Uwe Bartolles

Sein Gehalt als Polizeibeamter sei hier "mehr wert" als in der Großstadt. Wer allerdings einen Job in der Industrie hat, verdiene anderswo möglicherweise besser als hier in der Region, wo Küchenmöbel-Hersteller einst groß waren, heute aber längst im Ausland produzieren - oder gar nicht mehr.

Sportvereine mit Nachwuchsproblemen

Die Beverunger müssten einfach mehr "selber auf die Beine stellen", meint Lehrer Knop, "auch die Jugendlichen". Ein Problem dabei ist allerdings: Mehr Jugendliche gibt es auch in dieser Region nicht mehr. Gab es früher noch einen Basketball- und einen Handballverein, sind die mangels Nachwuchs inzwischen eingegangen - genauso, wie die einstmals zahlreicheren Diskotheken und Jugendkneipen. Dafür feiert der Beverunger Wassersportverein aber gerade sein 75-jähriges Jubiläum.

Bürgermeister Hubertus Grimm wird vom WDR interviewt

Bürgermeister Hubertus Grimm

Beverungen hat viel zu bieten - für Erwachsene: die überbordende Schönheit der Natur und die damit verbundenen Freizeitangebote, schnuckelige Fachwerkhäuser, Musikkonzerte, Feste wie das Blütenfest. Nur für die Heranwachsenden Beverunger scheint es an Einigem zu fehlen.

"Ich kann niemanden zwingen, hier eine Gastronomie aufzumachen", sagt Bürgermeister Grimm im WDR-Gespräch ein wenig ratlos. Jugendliche hätten zudem "ihr Freizeitverhalten verändert", träfen sich "lieber privat". Die zwei kirchlichen Jugendtreffs würden kaum frequentiert. "Es ist immer eine Frage der Wahrnehmung."

Eine andere Perspektive hat der 23-jährige David Peters: Was der Bürgermeister beschreibt, bestätigt auch er - nämlich, dass sich seine Freunde und er meist privat treffen. Aber als Grund nennt er nicht nur die fehlenden Treffpunkte für junge Erwachsene. Zwar gebe es Kneipen, aber da "gehen eher die Alten hin", sagt er. Und wenn er sich mit seinen Freunden trotzdem mal in der Stadt trifft, "wird das nicht gern gesehen". Das sei sehr schade.

Beverungen als neues Zuhause?

Lisa Wetter aus Unna steht in der Touristeninfo

Lisa Wetter gefällt der Ort

Immerhin: Lisa Wetter ist heute eigens mit dem Zug aus Unna angereist. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, sich den Ort anzuschauen - als mögliche neue Heimat. Der Ort sei ihr sympathisch, das Umland wunderschön, sagt sie nach einer ersten Inspektion.

Und auch die Wohnungspreise sind mit denen in anderen Lagen kaum vergleichbar, wie der Blick ins Angebot eines örtlichen Immobilienmaklers zeigt: Wohnungen im Ortskern sind für vier bis fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zu haben, ein Einfamilienhaus mit großem Garten wird für 140.000 Euro zum Kauf angeboten. Eigentlich "gar nicht mal so schlecht hier" ...

Über die WDR aktuell Tour berichten wir am 10.05.2025 auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde ab 18.45 Uhr.

Quellen:

  • Interviews mit Beverungern
  • WDR-Interview mit Bürgermeister Hubertus Grimm
  • Umfrage "Beverungen, wo brennt's"