
Nordrhein-Westfalen Tuberkulose in Bonn: Was macht diese Krankheit so tückisch?
Tuberkulose ist weltweit immer noch die am häufigsten zum Tod führende Infektionskrankheit. Nun gibt es einen Fall in Bonn. Warum Tuberkulose so tückisch ist und warum wir in Deutschland sehr gut aufgestellt sind, erklärt Prof. Christoph Lange vom Leibniz Lungenzentrum.
Die Infektionskrankheit Tuberkulose ist weitgehend aus der deutschen Öffentlichkeit verschwunden. Sie ist aber nach wie vor die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit auf der Welt. Wir in Deutschland stehen aber sehr gut da im internationalen Vergleich. Warum ist das so und was steckt eigentlich hinter dieser rätselhaften Krankheit?
Was ist Tuberkulose?
Wie erkennt man eine Tuberkulose?
Ist Tuberkolose wieder auf dem Vormarsch?
Was ist mit einer Impfung?
Warum ist Tuberkulose in vielen Ländern ein so großes Problem?
Wer stirbt an Tuberkulose?
Was ist Tuberkulose?
Der nun an einem Bonner Gymnasium bekanntgewordene Tuberkulosefall hat die Krankheit wieder in die Schlagzeilen gebracht. Tuberkulose (TB) ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die wir in Deutschland prinzipiell sehr gut im Griff haben. "Deutschland ist ein Niedrig-Inzidenzland", erklärt Prof. Christoph Lange, Medizinischer Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum, und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) im Gespräch mit dem WDR. "2023 lag die Inzidenz bei etwa 5 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner." Im Jahr 2023 wurden in Deutschland laut Robert Koch-Institut (RKI) 4.481 Tuberkulosefälle registriert.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange
Die Ansteckung erfolgt von Mensch zu Mensch über Tröpfchen. "Die durch Abhusten aus der Lunge gelösten Tröpfchen mit den Bakterien sind sehr leicht, sie können viele Stunden in der Luft überleben. So kann man sich im Bus anstecken, auch wenn der infizierte Mensch den Bus schon lange verlassen hat", so Lange. "Die Tuberkulose betrifft meist die Lungen, es können aber auch andere Organe betroffen sein." So seien neben Meningitis Nieren- und Darmtuberkulose möglich. Auch Herzbeutel, das Rippen- oder das Bauchfell könnten befallen werden.
Wie erkennt man eine Tuberkulose?
"Die Erkrankung kommt langsam. Die allermeisten Patienten können die Bakterien selbst bekämpfen, es kommt dann nicht zur Infektion", so Lange. Das Immunsystem hält die Bakterien also in Schach. Lange erklärt das an folgenden Bild: Die Bakterien würden im Körper umschlossen wie von einer Stadtmauer. "Sie sind eingeschlossen und können da nicht raus. Wenn das Immunsystem zusammenbricht zum Beispiel durch eine HIV-Infektion, dann brechen die Ringwände auf." So kann die Krankheit noch Jahre nach der Infektion ausbrechen.
Die Diagnose ist nach wie vor schwierig. Das liegt auch an der niedrigen Fallzahl in Deutschland. "Es gibt einen Hauttest und seit etwa 25 Jahren einen Bluttest. Das Gesundheitsamt erstellt bei einem Ausbruch auch Kontaktlisten und testet dann den Personenkreis." Auch eine Röntgenuntersuchung der Lunge kann Aufschlüsse geben, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Es wird dann meist Antibiotika verabreicht. Allerdings ist der Zeitraum der Einnahmen oft sehr lang - in manchen Fällen bis zu 18 Monate. Viele Patienten litten dann unter den Nebenwirkungen, so Lange.
Ist Tuberkulose wieder auf dem Vormarsch?
Tuberkulose ist in den westlichen Industrieländern kein Problem, in vielen Entwicklungsländern aber schon. "Die Zahlen in Deutschland sind stabil. In der EU waren die vergangenen 25 Jahre eine ungeahnte Erfolgsstory. Wenn die Zahlen weiter so sinken wie bisher, dann wäre die Tuberkulose 2035 in der EU ausgerottet", blickt Lange voraus.
Aber: "Das wird leider nicht passieren." Denn in Osteuropa gebe es mehrere Hochinzidenzländer. "Die Ukraine zum Beispiel. Dort hatte man es geschafft, von 2010 bis 2022 die Inzidenz zu senken." Doch seit dem Krieg steige die Zahl. Denn die sozialen Faktoren begünstigten die Verbreitung. "Die Menschen suchen Schutz in der U-Bahn von Kiew, in schlecht belüfteten Räumen. Auch Mangelernährung fördert die Ausbrüche." In der Ukraine wurden große Erfolge also in kurzer Zeit zunichte gemacht.
Verhältnismäßig selten betroffen sind deutsche Staatsbürger. Der Anteil im Ausland geborener Patienten lag 2023 in Deutschland laut RKI bei 76,8 Prozent. Zu den drei am häufigsten genannten Geburtsländern zählten demnach Afghanistan, Rumänien und die Ukraine.

Geschätzte Tuberkulose Inzidenzraten 2023
Wenn die Verhältnisse stabil sind, sinken die Fallzahlen. Lange präsentiert ein weiteres Beispiel: "In Dänemark lag die Inzidenz lag im Jahr 1880 bei 700. In den 1950er Jahren lag sie schon unter 100 durch bessere Hygiene und bessere Ernährung."
Was ist mit einer Impfung?
Die gibt es. Und es ist sogar die häufigste Verimpfung der Welt. "88 Prozent der Bevölkerung werden gegen Tuberkulose geimpft, meist ganz früh im Leben. Die Impfung ist aber nur sehr schwach wirksam, nur Kinder unter 5 Jahren sind geschützt", erläutert Lange. Die Impfung schütze vor schweren Verlaufsformen wie Hirnhaut-Tuberkulose. "Der Schutz vor einer Lungentuberkulose, die bei weitem häufigste Form der Tuberkulose ist jedoch bei Kindern und Erwachsenen gering. Auch hält der Impfschutz nicht lebenslang an", schreibt das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) auf seiner Webseite. An der Entwicklung eines neuen und besser wirksamen Impfstoffes werde allerdings intensiv geforscht.
In Deutschland setze man auf gezielte Maßnahmen wie die Früherkennung und Behandlung von Tuberkulose, um die Krankheit einzudämmen, so das DZK.
Warum ist Tuberkulose in vielen Ländern ein so großes Problem?
In Ländern, in denen Mangelernährung, Hunger und Not herrschen und die Menschen auf engem Raum zusammenleben, ist die Gefahr einer Infektion wesentlich höher. Laut Lange trägt auch ökonomischer Druck zur Verbreitung der Krankheit bei. Viele könnten sich den Gang zum Arzt nicht leisten. Und in vielen Ländern sei die ärztliche Versorgung schlecht.
Wo es Wohlstand gibt, gibt es kaum Tuberkulose. Deshalb wird die Tuberkulose immer noch als die Krankheit der Armut bezeichnet. "Der fehlende oder eingeschränkte Zugang zu Diagnose und Therapie erhöht auch die Sterblichkeit deutlich", so die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW).
Deshalb, so Lange, sei es katastrophal, wenn US-Aid nun die Arbeit einstelle. "Wenn die US-Administration das Geld abstellt, wird die Tuberkulose wieder florieren, weil dann eine ganze Infrastruktur wegbricht, um die Tuberkulose in Ländern mit Hochinzidenz zu bekämpfen. Wir haben uns da zu lange auf die USA verlassen", erklärt der Experte.
Wer stirbt an Tuberkulose?
Tuberkulose zählt bis heute zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sind 2023 rund 1,3 Millionen Menschen daran gestorben, etwa 10 Millionen haben sich neu infiziert. "95 Prozent der Kinder, die sterben, haben nie eine Therapie erhalten", glaubt Lange. Es gebe keine Röntgenbilder, das Immunsystem der Kinder sei noch nicht so stark: "Die Kinder werden schwächer und sterben. Daher rühre auch der alte deutsche Name der Krankheit: Die Schwindsucht.
Aber wer stirbt in Deutschland? "Früher starb jeder Dritte im erwerbsfähigen Alter an der Tuberkulose, heute sind es nur noch ganz wenige", sagt Lange. Oft seien es Osteuropäer, die in der Fleischindustrie arbeiteten "bis sie umfallen. Vielleicht hatten sie die Tuberkulose schon als junger Mann, gingen nicht zum Arzt, weil sie sich die Ausfallzeiten nicht leisten konnten", so Lange.
"Dass jemand bei uns an Tuberkulose stirbt, ist bedauerlich, aber nicht zu verhindern. Wir werden absehbar die Tuberkulose nicht eliminieren." Die allermeisten Patienten könne man aber gut behandeln.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Prof. Christoph Lange
- RKI-Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland
- Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
- Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)
- Website der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe