Ein Stahlarbeiter im Schutzanzug entnimmt eine heisse Roheisenprobe beim Abstich am Hochofen, Duisburg

Nordrhein-Westfalen "Tag der Industrie" - Was NRW-Unternehmer erwarten

Stand: 23.06.2025 17:03 Uhr

Ab heute lädt der BDI in Berlin zum "Tag der Industrie". Präsident Peter Leibinger sieht unter der neuen Bundesregierung einen "Silberstreifen am Horizont". Industrievertreter aus NRW haben große Erwartungen.

In Berlin ist heute der "Tag der Industrie" gestartet und noch bis morgen treffen sich dort Politiker und Wirtschaftsvertreter aus vor allem kleinen und mittelständigen Unternehmen. Sie sprechen dort über die aktuell schwächelnde Wirtschaftslage in Deutschland, mögliche Impulse für eine Wende und die geplanten Investitionen der Regierung.

Sowohl Bundeskanzler Friederich Merz (CDU) als auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sind auf der Veranstaltung und in Podiumsdiskussionen mit Wirtschaftsvertretern zu hören. Der Fokus der zweitägigen Veranstaltung im vergangenen Jahr lag auf den Themen Sondervermögen sowie Schuldenbremse und ihrer möglichen Reform. Nun ist sie reformiert und Milliarden-Schulden sind aufgenommen. Zurecht liegt der finanzielle Fokus in diesem Jahr nun auf der Frage: Wo und wie wird nun sinnvoll investiert?

Wirtschaftlicher Tiefpunkt und baldiger Aufschwung

Nach aktuellen Einschätzungen von Wirtschaftsexperten droht die deutsche Wirtschaft auch 2025 zu schrumpfen. Damit wäre es das dritte Rezessionsjahr in Folge. In der Konjunkturprognose des ifo-Institut vom 12. Juni hieß es: "Zahlreiche Indikatoren deuten darauf hin, dass die Krise der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr 2024/25 ihren Tiefpunkt erreicht hat". Nun jedoch rücke die Erholung näher. Eine sichere Einschätzung sei jedoch aufgrund der nicht berechenbaren Zollpolitik der USA unter Präsident Donald Trump schwierig.

BDI-Präsident Peter Leibinger auf der Jahrespressekonferenz 2025 in Berlin

BDI-Präsident Peter Leibinger

Nach dem erreichten Tiefpunkt scheint der Weg jedoch vorerst bergauf zu führen. Peter Leibinger, seit 2025 neuer BDI-Präsident, sieht in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mittlerweile "einen Silberstreifen am Horizont" und ist "zunehmend optimistisch, dass wir einen Stimmungsumschwung hinbekommen". Und dies kein halbes Jahr nachdem er die Stimmung im Januar noch als "miserabel" bezeichnet hatte.

BDI-Präsident attestiert der Merz-Regierung einen "guten Start"

Die Rezessions-Prognose des BDI hat Leibinger mit seiner nun positiveren Sicht der Dinge nicht kassiert, aber er lobte die neue Regierung kurz vor dem am Montag beginnenden "Tag der Industrie", zu dem der BDI Kanzler Merz nach Berlin geladen hat. "Die Bundesregierung hat einen guten Start hingelegt, sie spricht die richtigen Dinge an", sagt Leibinger, der nicht nur BDI-Präsident ist, sondern als Miteigentümer des Maschinenbaukonzerns Trumpf auch zu den Milliardären in Deutschland gehört.

Zu den richtigen Dingen zählt laut Leibinger, dass die Regierung etwa an steuerlichen Entlastungen mit Blick auf Abschreibungen arbeite und sich zum Bürokratieabbau verpflichtet habe. Das dürfte auch bei der Industrie- und Handelskammer NRW Zustimmung finden, aber dort sind die Erwartungen im dritten Jahr ohne Wachstum größer.

Bereits im Mai hatte die IHK-Mitgliederversammlung in einem Forderungspapier zusammengefasst, was sie von der neuen Regierung unter Merz erwartet. Drei Tage nach dem Amtsantritt von Merz forderte IHK-Präsident Ralf Stoffels ein "Sofortprogramm als Wachstumsimpuls für die ersten 100 Tage".

Unternehmer Ulrich Haverkamp sieht Merz internationales Auftreten überwiegend positiv. Haverkamps Unternehmen entwickelt und vertreibt international Produkte im Bereich der Sicherheitsbranche -und Sonnenschutztechnologie.

Am Ende ist Deutschland wie ein Unternehmen - weltweit zu sehen - im Wettbewerb mit anderen Ländern.

Unternehmer Ulrich Haverkamp (HAVERKAMP GmbH in Münster)

Aus seiner Sicht besteht das Probleme nicht in den Verbesserungsvorschlägen der Regierung - diese waren in der alten Regierung sehr ähnlich. Es scheitere an der Umsetzung. "Es gibt immer mehr Bürokratie, immer mehr Beamte - von EU bis auf die Gemeinde. Und da sehe ich den ersten Punkt - das man nicht nur drüber redet, sondern konkret macht."

NRWs Industrievertreter haben große Erwartungen

Industrievertreter aus NRW erwarten weitaus mehr als steuerliche Entlastungen und Bürokratieabbau. Sie fordern unter anderem die Modernisierung der Infrastruktur, Senkung der Energiekosten und die Fachkräftesicherung durch Einwanderung. Jedoch betreffen nicht alle Punkte alle Branchen.

Während es in der Metall- und Elektroindustrie kriselt, können sich die Pharmazeutische Industrie und die Hersteller von Kraftfahrzeugteilen über höher Produktionszahlen freuen. So die Zahlen des Verbandes Unternehmer NRW. Einzelne Sparten sollten nicht gesondert gefördert werden, da eine nachhaltige Wirtschaft auf zuverlässige Lieferketten aufbaue, sagte Thorsten Lang vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) am Montag im WDR-Interview.

Vor dem Hintergrund der Souveränität sollte die Frage beantwortet werden, welche Rahmenbedingungen die deutsche Wirtschaft braucht. Diese zwei Veranstaltungstage bieten dafür die Gesprächsplattform.

Es ist ja letztendlich eine Schnittstelle zwischen der Industrie und der Politik - und zwar auch sehr hochrangig. Und dieser Austausch kann sicherlich wichtige Impulse setzen, um Weichen so zu stellen, dass die Rahmenbedingungen für die Industrie passen.

Thorsten Lang, Institut der Deutschen Wirtschaft

Steuererleichterungen bedeuten Milliarden-Ausfälle

Bundeskanzler Merz (CDU) äußerte am Montag in einer Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie die Erwartung, dass die geplanten Erleichterungen des sogenannten Investitions-Boosters am 11. Juli abschließend vom Bundesrat beschlossen werden. Wie in der Länderkammer abgestimmt wird, bleibt abzuwarten. Immerhin werden durch die Maßnahmen Steuerausfälle in Höhe von mehr als 45 Milliarden Euro in den Jahren bis 2029 erwartet. Davon müssen Länder und Kommunen in etwa zwei Drittel stemmen.

Unsere Quellen:

  • Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
  • Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
  • ifo-Institut
  • Statistische Bundesamt in Wiesbaden
  • Nachrichtenagentur Reuters
  • Milliardärsliste des US-Magazins Forbes
  • Interview mit Thorsten Lang (IW) im WDR 5 Morgenecho
  • Interview mit Ulrich Haverkamp im WDR 5-Interview