
Nordrhein-Westfalen Nach US-Angriff auf Iran: Droht der nächste große Krieg?
Wie geht es weiter im Iran? Wird der Konflikt weiter eskalieren, nachdem nicht nur Israel, sondern nun auch die USA den islamischen Staat militärisch angegriffen haben? Welche Folgen kann das für Europa haben? Einschätzungen von Experten.
Nach dem Großangriff Israels auf den Iran haben in der Nacht auf Sonntag nun auch die USA iranische Atomanlagen bombardiert. Der Konflikt droht weiter zu eskalieren. Ob es so kommt und wie stark, ist völlig offen.
Nahost-Experte Steinberg: Entscheidend, wie Iran reagiert

Guido Steinberg, Nahost-Experte
"Wir können das noch nicht so ganz abschätzen", sagte Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, am Montagmorgen dem WDR. "Wenn die Iraner nun reagieren, so wie sie angekündigt haben, und US-Ziele im Persischen Golf angreifen, beispielsweise das US-Militär dort, dann stehen wir vor einer weiteren Eskalation dieses Krieges."
Eine andere Möglichkeit, so Steinberg: Wenn die Iraner jetzt "klein beigeben und die amerikanischen Bedingungen akzeptieren, also beispielsweise auf das Atomprogramm vollständig verzichten", dann könne der Schlag der Amerikaner "zu einer schnellen Beruhigung der Lage führen".
Iran droht USA erneut mit Vergeltung
So gesehen stehen die Zeichen erst mal auf Eskalation. Denn zumindest droht das iranische Regime den USA weiterhin mit Vergeltung. "Die Kämpfer des Islam werden Ihnen mit starken und gezielten (militärischen) Operationen ernste, unvorhersehbare Konsequenzen zufügen", erklärte der Sprecher der iranischen Streitkräften Ebrahim Solfaghari, am Montag im iranischen Staatsfernsehen.
Und weiter: "Dieser feindselige Akt wird das Spektrum der legitimen Ziele der Streitkräfte der Islamischen Republik Iran erweitern und den Weg für die Ausweitung des Krieges in der Region ebnen", so Solfaghari.
In einer Fernsehansprache am Sonntag hatte US-Präsident Donald Trump dem Iran vor einer Vergeltung gewarnt: "Es wird entweder Frieden geben oder eine Tragödie für den Iran, die weitaus größer ist als das, was wir in den vergangenen acht Tagen erlebt haben."
Trump habe allerdings "klargemacht, dass er eigentlich der Meinung ist, dass das jetzt ein einmaliger Militärschlag war, dass damit das Atomprogramm zerstört ist", sagte Steinberg. "Und er hat Signale gesendet, dass er keinen größeren Krieg will."
Nahost-Expertin Scheller: US-Angriff bringt neue Risiken

Bente Scheller, Nahost-Expertin
Man könne die Folgen einfach noch nicht absehen, sagte Bente Scheller, Referatsleiterin Nahost und Nordafrika bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, am Montag dem WDR. "Es ist ein klarer Schritt der Eskalation", sagte sie über den US-Schlag auf die iranischen Atomanlagen. "Wir haben hier möglicherweise eines der Risiken, die in der Region vorhanden waren, das Atomprogramm, sehr stark zurückgeworfen. Das ist ja per se keine schlechte Nachricht."
Gleichzeitig seien durch die Angriffe Israels und der USA, deren Legitimität von Völkerrechtlern stark in Zweifel gezogen werden, neue Risiken für die Region entstanden, so Scheller. Problematisch findet sie auch, dass nicht klar sei, auf welche politische Lösung es letztlich hinauslaufen soll. "Dementsprechend fürchte ich, dass die Zeichen weiterhin nicht gut stehen für Frieden in der Region."
Schwerwiegende Folgen für Europa nicht ausgeschlossen
Mit dem US-Schlag auf die iranischen Atomanlagen ist aber auch das Risiko gestiegen, dass die Folgen des Konflikts weit über die Nahost-Region hinaus zu spüren sein werden.
Zum Beispiel könnte eine Eskalation massive wirtschaftliche Folgen für Europa haben. Denn die Sorge ist, dass Teheran als Vergeltung die für den Handel wichtigen Seestraße von Hormus sperrt. Die Straße von Hormus verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean. Rund ein Fünftel der weltweiten Ölproduktion wird täglich über diese Handelsroute transportiert.
Eine Schließung der Schiffsroute wäre "extrem gefährlich und für niemanden gut", sagte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Montag.
Es sei also auch im Interesse Europas und vieler weiterer Staaten, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden und auf Verhandlungen zu setzen, sagte Scheller. "Das alles aber ist schwierig, wenn die USA weiterhin keine klare Linie erkennen lassen und nicht im Boot sind."
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik
- WDR Interview mit Bente Scheller, Referatsleiterin Nahost und Nordafrika, Hans-Böckler-Stiftung
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa
Über dieses Thema berichten wir am 23.06.2025 auch im WDR-Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr