CDU-Chef Friedrich Merz (l) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)

Nordrhein-Westfalen Merz: Bundeskanzler mit NRW-Wurzeln

Stand: 06.05.2025 16:30 Uhr

CDU-Chef Merz hat es geschafft - wenn auch nicht stolperfrei. Als erster Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik ist der Sauerländer erst im zweiten Wahlgang gewählt worden. Wer ist er und wie viel Nordrhein-Westfalen steckt in ihm? Ein Porträt aus NRW-Sicht.

Von Martin Teigeler

Viele Kanzler mit nordrhein-westfälischen Wurzeln gab es bisher nicht. Es begann mit der langen Regierungszeit des Kölners Konrad Adenauer (CDU). Willy Brandt trat bei Bundestagswahlen teils auf der SPD-Landesliste NRW an. Gerhard Schröder ist gebürtiger Lipper - aber sein politischer Weg führte über Niedersachsen. Die Kanzlerkandidaturen der NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau und Armin Laschet scheiterten. Nun also Bundeskanzler Friedrich Merz - wenn auch erst im zweiten Wahlgang.

Spricht man mit Christdemokraten über Merz, kommen immer mal wieder Bemerkungen wie, "besonders verwurzelt" sei der Parteichef in der CDU-NRW ja nicht. Das mag auch an Merz' wechselvoller Laufbahn liegen.

Merz kam 1955 im Sauerland zur Welt. In seiner Heimatstadt Brilon wuchs er als ältester Sohn einer sehr konservativen Familie auf. Nach Abitur, Jura-Studium und ersten Jobs etwa als Amtsrichter schlug Merz, seit 1972 CDU-Mitglied, eine politische Laufbahn ein.

Von Brüssel nach Bonn

1989 gewann der Familienvater bei der Europawahl ein Mandat. Einige Jahre später ging es für den Mann aus Brilon von Brüssel nach Bonn. 1994 kandidierte Merz im Hochsauerlandkreis für den Bundestag. Als direkt gewählter Abgeordneter kam er in Bonn - es war die späte Kohl-Ära - mit anderen jungen CDU-Abgeordneten wie Laschet oder Norbert Röttgen zusammen.

Friedrich Merz im alten Bundestag im Bonner Wasserwerk

Friedrich Merz im alten Bundestag im Bonner Wasserwerk

Merz machte sich früh einen Namen als scharf formulierender Debattenredner. Anfang 1996 gewann er einen Rhetorik-Wettbewerb im Bundestag. "Wir dürfen erst ans Rednerpult, wenn die Älteren geredet haben. Wir müssen deswegen Streit anfangen", sagte Merz in Richtung der Altvorderen.

Inhaltlich vertrat Merz von Anfang wirtschaftsfreundliche und konservative Positionen: von der Rente ab 70 bis zur "deutschen Leitkultur". Damit zog er viel Kritik auf sich. Nach der Abwahl der Kohl-Regierung und der CDU-Spendenaffäre wurde er 2000 Fraktionschef der Union. Im Bundestag war er fortan Gegenspieler von Rot-Grün und Kanzler Schröder (SPD).

Abgelöst von Merkel

2002 musste Merz den Posten des Fraktionschefs abgeben. Parteichefin Angela Merkel griff nach der Wahlniederlage Edmund Stoibers bei der Bundestagswahl nach dem Amt. Den Mut, gegen Merkel anzutreten, brachte er nicht auf. Merz war nur noch Fraktionsvize. Manche Beobachter sagen, dieses Trauma war ein Auslöser für Merz' späteres Comeback.

2003 schlug Merz ein dreistufiges Steuermodell vor. Die "Bierdeckel"-Reform sorgte dafür, dass er als Finanzexperte im Gespräch blieb. 2004 geriet Merz im NRW-Kommunalwahlkampf in die Kritik. Vor Parteifreunden in Brilon rief der CDU-Politiker dazu auf, das "rote Rathaus" der Stadt "zu stürmen". Zur Begründung verwies er auf seinen Großvater, der dort einst als Bürgermeister regiert hatte. Medien veröffentlichten daraufhin Belege für die Nazi-Vergangenheit des Opas, der vorher bei der Zentrumspartei war.

Comeback in NRW

Bei der Bundestagswahl 2009 kandidierte Friedrich Merz nicht mehr. Er arbeitete als Anwalt und ging in die Wirtschaft, etwa zum amerikanischen Vermögensverwalter Blackrock, wo er Aufsichtsratschef für Deutschland wurde. Wenn sich Merz politisch äußerte, dann oft mit Kritik an Merkels Politik.

Jahrelang rankten sich Gerüchte um ein Merz-Comeback. Der Sauerländer wurde zur Projektionsfigur für den konservativen Flügel der CDU. In NRW erlebte Merz ein kleines Comeback. Er wurde 2010 "Veräußerungsbevollmächtigter" der maroden WestLB. Sein Tageshonorar von 5.000 Euro sorgte für Kritik und Schlagzeilen. 2018 wurde Merz Brexit-Beauftragter der NRW-Landesregierung.

Auf Bundesebene gestalteten sich seine Comebackversuche zäh. Zweimal scheiterte Merz im Rennen um den CDU-Bundesvorsitz. Erst im dritten Anlauf klappte es nach Ende von Merkels Kanzlerschaft und Laschets Scheitern. Im heimatlichen Hochsauerlandkreis drängte Merz den CDU-MdB Patrick Sensburg zur Seite.

Was für ein Kanzler wird Merz?

Merz polarisiert. Für seine Anhänger personifiziert er die Rückkehr der Union zu ihrem wertkonservativen Kern und eine Abkehr von der Merkel-Ära. In der Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik sind die Erwartungen an der murrenden CDU-Basis hoch - gerade angesichts der AfD, die die Union nicht nur in Umfragen vor sich her treibt.

Laut Umfragen lehnt eine Mehrheit der Wähler Merz als Kanzler ab. Kritiker werfen ihm seine impulsive Art, abfällige Aussagen über Migranten und "linke Spinner" sowie seine Inkaufnahme von AfD-Stimmen im Bundestag vor. Mit Blick auf NRW bleibt abzuwarten, wie sich Merz' Verhältnis zu Ministerpräsident Wüst (CDU) entwickelt.

Merz kombiniert die Bodenständigkeit (für Gegner ist es Miefigkeit) des hausmusizierenden bürgerlichen Familienvaters mit der Aura eines Unternehmensberaters. Sein Vorname taucht auf Social Media teils in nicht zitierfähigen Verballhornungen auf. Merz fliegt Privatjet - aber halt von Arnsberg aus.

Als Kanzler wird der CDU-Chef viel im Flieger sitzen - eher nicht im Cockpit. Wohin die Reise dieser Republik mit einem Kanzler Merz geht, erscheint völlig ungewiss.