
Niedersachsen Mit Lastenrad statt Auto: So arbeiten Handwerker auf Baltrum
Auf der autofreien Insel Baltrum müssen Handwerker ihre Einsätze besonders gut vorbereiten. Viele Ferienwohnungen, besondere Hausnummern und fehlende Autos machen jede Reparatur zu einer Herausforderung.
Hanko Darmstädter wartet geduldig in der Schlange vor der Inselfähre nach Baltrum. Der hochgewachsene Enddreißiger hebt sich schon ein bisschen von den anderen Passagieren ab: Während die meisten Tagestouristen mit bunten Windjacken und kleinen Rucksäcken ausgerüstet sind, trägt Darmstädter blaue Arbeitskleidung und schiebt ein offensichtlich gut gefülltes Lastenrad vor sich her. Aber er will ja auch nicht in den Urlaub. Er fährt zur Arbeit auf die Insel. Der gelernte Heizungsbauer mit Meisterbrief muss heute im Auftrag eines großen Energieversorgers ein knappes Dutzend Gas- und Wasserzähler in Baltrumer Haushalten überprüfen oder auswechseln. Eigentlich ein Routineeinsatz - aber auf der Insel ist eben alles ein bisschen anders. Auch für Handwerker.
Autofreie Inseln sind für Handwerker echte Herausforderungen
"An sich ist der Job ja ein Massengeschäft", erzählt er, während sich die Fähre langsam aus dem kleinen Hafen von Neßmersiel schiebt. "Wir überprüfen und installieren mehrere Tausend Zähler pro Jahr - aber auf einer autofreien Insel wie Baltrum musst du eben doch eine ganze Menge Dinge beachten, die auf dem Festland keine Rolle spielen." Das gehe schon beim Packen los: Alles, was er an Werkzeug und Geräten brauche, müsse er auch dabeihaben, erzählt Darmstädter. Einfach mal schnell zurückfahren und ein vergessenes Werkzeug holen - auf der Insel unmöglich.

Hanko Darmstädter muss oft kreative Lösungen finden, um auf der autofreien Insel als Handwerker arbeiten zu können.
Termine einladen: Das A und O des Handwerkers
30 Minuten später - die Fähre legt auf Baltrum an, und Hanko Darmstädter und sein Lastenrad rollen in Richtung Inselort. Das stabile Dreirad ist ein E-Bike, entsprechend zügig ist der Handwerker unterwegs, überholt Tagestouristen und Pferdefuhrwerke auf dem Weg zu seinem ersten Einsatz. Zwar hat er heute nicht so viele Termine, wie er auf dem Festland hätte, aber Pünktlichkeit ist das A und O auf der Insel, erzählt Darmstädter: "Du hast hier ja ganz viele Ferienwohnungen. Im Sommer sind die belegt, und im Winter ist oft niemand da, der dir aufmachen kann. Deswegen müssen wir unsere Termine lange vorausplanen, und am besten schon vorher klären, ob die Vermieter, Hausmeister oder Nachbarn auch wirklich da sind, um uns aufzumachen".
Gaszähler überprüfen, wenn die Touristen nicht da sind
Bei seinem ersten Einsatzort klappt das. In einem kleinen, holzverkleideten Ferienhaus am Ortseingang beginnt Darmstädter mit der Überprüfung des Gaszählers. Mit geübten Handgriffen schraubt er den grauen Kasten von den Rohrleitungen los, während neben ihm ein kleines rotes Messgerät die Gaskonzentration im Raum überprüft. Darmstädter ist hochkonzentriert - auch wenn er diesen Job täglich macht: "Wir arbeiten hier immer noch mit Gas", erklärt er, während er vorsichtig an den Rohren schraubt.

Auf Baltrum gibt es viele Ferienwohnungen, deswegen müsse alle Termine weit im voraus geplant werden.
Schnacken? Erst nach der Arbeit!
"Im schlimmsten Fall kann dabei ein explosives Gas-Luft-Gemisch entstehen. Deshalb sage ich den Kunden auch immer, dass sie mich während dieses Arbeitsschrittes nicht stören sollen. Vorher oder nachher Schnacken mache ich gerne, aber hier muss ich mich wirklich konzentrieren". Nach 15 Minuten konzentrierter Arbeit ist klar: Der Zähler ist in Ordnung. Darmstädter montiert ihn wieder an seinem alten Platz, klebt eine blaue Prüfplakette obendrauf - fertig.
Keine Straßennamen und Baujahre als Hausnummer
Bevor Hanko Darmstädter weiterradeln kann, muss er sich mit einer weiteren Baltrumer Besonderheit auseinandersetzen: Auf der Insel gibt es keine Straßennamen, alle Häuser haben einfach nur Hausnummern. Und die werden traditionell nach Baujahr vergeben - und nicht nach Standort. Sprich: Auf Baltrum ist es gut möglich, dass Hausnummer 16 neben der Hausnummer 47 steht, und danach die 219 kommt. Für Darmstädter bedeutet das vor jedem Baltrum-Einsatz eine genaue Vorbereitung: "Ich recherchiere meine Einsatzorte auf der Insel immer schon genau im Vorfeld. Wenn du erst die ganze Insel abfahren musst, um das eine Haus zu finden, das du suchst, schaffst du gar nichts!"
Arbeiten auf der Insel: Weniger Stress, mehr schöne Landschaft
Insgesamt sieben Termine hat Darmstädter heute auf Baltrum - deutlich weniger, als er auf dem Festland schaffen würde. Aber der Aufwand ist eben hier viel höher als auf dem Festland, und die verfügbare Arbeitszeit wird durch die Abfahrt der Fähre zurück nach Neßmersiel festgelegt. Doch gerade diese Besonderheiten mag er gerne an den Inseleinsätzen: "Es gibt Kollegen, die fahren nicht so gerne auf die Insel, weil es eben immer etwas mehr Arbeit ist. Aber ich finde es super auf den autofreien Inseln: niemand, der dich anhupt, weniger Stress, eine tolle Landschaft - das ist immer eine andere Welt hier draußen.".