
Nach umstrittener Entlassung Brandenburger Innenministerin Lange tritt zurück
Wegen der Entlassung von Verfassungsschutz-Chef Müller stand die Brandenburger Innenministerin Lange heftig in der Kritik. Ministerpräsident Woidke hatte sie bis zuletzt verteidigt. Nun erklärte Lange ihren Rücktritt.
- Lange begründet Rücktritt mit gefährdeter Stabilität der Landesregierung
- Die SPD-Poltikerin räumt Fehler ein, spricht aber auch von Diffamierungen
- Lange fühlte "hintergangen" vom geschassten Verfassungsschutzchef Müller
- Die 53-Jährige will Mitglied im Landtag bleiben
Die Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) hat ihren Rücktritt erklärt. Das hat sie am Freitagnachmittag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Staatskanzlei in Potsdam bekanntgegeben.
Zuvor hatte es in Land und Partei Debatten über Langes Rolle bei der Entlassung von Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller gegeben. Die 53 Jahre alte SPD-Politikerin hatte Müller vor rund eineinhalb Wochen entlassen, weil sie nach eigenen Aussagen von der Entscheidung zur Hochstufung der AfD in Brandenburg erst Wochen später unterrichtet wurde. Es gab jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Darstellung - und nach mehreren Medienberichten Hinweise, dass sie vorher informiert worden war, aber die Hochstufung der Landes-AfD habe bremsen wollen.
Lange bemängelt "Geheimniskrämerei" des Verfassungsschutz
Müller habe sie "über bedeutende Sachverhalte nicht ordnungsgemäß und viel zu spät unterrichtet", konkretisierte Lange nun. Durch den "zeitlichen Ablauf der Ereignisse" habe sie ihre Fraktion aber vor den Kopf gestoßen. Der daraus entstandene Unmut sei berechtigt.
Dennoch fühle sie sich "hintergangen", sagte Lange. Die Gründe für die Hochstufung des Verfassungsschutzes habe die Öffentlichkeit bis heute nicht erfahren. Der Verfassungsschutz lehne eine Veröffentlichung des Einstufungsvermerks auch in teilgeschwärzter Form ab. "Auch eine solche Geheimniskrämerei möchte ich nicht verantworten, denn nur eine informierte Öffentlichkeit kann das Handeln der Regierung kritisch hinterfragen", so Lange.

"Diffamierungen und offener Hass"
Ihren Rücktritt begründet Lange einerseits damit, sie wolle der "notwendigen Geschlossenheit" in der Koalition nicht im Weg stehen. Andererseits sei ausschlaggebend, dass ihr Unterstellungen und Diffamierungen, - auch aus der eigenen Partei - entgegengebracht wurden. Sie sei nicht länger bereit, das zu akzeptieren.
Bezüglich der AfD kommentierte Lange, die Partei müsse politisch gestellt, deren Wählern entsprechende Angebote gemacht werden. Die Partei sei gesichert rechtsextrem, Lange sei aber nicht bereit, ein Drittel der Brandenburger abzuschreiben. "Für eine solche Haltung schlägt mir offener Hass entgegen", auch aus der eigenen Partei würden ihr "unmöglichste Dinge unterstellt", so Lange.

Woidke: Lange dient mit dem Schritt dem Land
Am Ende bedankte sich Lange bei Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): Brandenburg könne sich glücklich schätzen, einen "echten roten Preußen zu haben". Sie werde weiterhin für die SPD im Landtag sitzen, allerdings nicht mehr für den stellvertretenden Vorsitz der Brandenburger Partei kandidieren. Bis eine Nachfolge für die Ministerin gefunden sei, werde die Ministerin und Chefin der Staatskanzlei, Kathrin Schneider, das Innenministerium führen, teilte die Staatskanzlei mit.
Woidke erklärte bei der Pressekonferenz, er sei "emotional angefasst". Er respektiere die Entscheidung und sei überzeugt, dass sie dem Land mit diesem Schritt diene. Bis zuletzt hatte der Brandenburger Ministerpräsident Lange den Rücken gestärkt.
Opposition: Notwendiger und unabwendbarer Schritt
Der Vorsitzende der Brandenburger CDU, Jan Redmann, teilte mit, Langes Rücktritt sei nach den Entwicklungen der letzten Tage unabwendbar gewesen. Im rbb24 Spezial sagte er, Lange sei einem Trugschluss aufgesessen: "Sie war sehr zurückhaltend, was die Einstufung der AfD angeht. Bei der AfD, gerade beim Landesverband Brandenburg, kann man keinen Zweifel haben: Dieser Landesverband ist durch und durch rechtsextremistisch." Extremisten von rechts, von links, auch Islamisten, müsse man beim Namen nennen, wenn man der Demokratie ein Gefallen tun wolle, so Redmann.
Langes Koalitionspartner, das Bündnis Sarah Wagenkneckt (BSW), bedauerte die Entscheidung der SPD-Politikerin "sehr". Der BSW-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Niels-Olaf Lüder, erklärte: "Wir hatten stets eine konstruktive und respektvolle Zusammenarbeit im Interesse Brandenburgs. Diese hätten wir gerne fortgesetzt."
Der Brandenburger Landesvorsitzende der vom Verfassungschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuften AfD, René Springer, sagte über Lange: "Sie war eine der wenigen in der SPD, die die Auseinandersetzung mit der AfD politisch suchen wollte und nicht mit polizeistaatlichen Mitteln." Jetzt habe sich der ideologische Flügel durchgesetzt.
Laut Sebastian Walter, Landesvorsitzender der Brandenburger Linken, hat Lange mit dem Rücktritt selbst verdeutlicht, dass sie Fehler gemacht habe. "Deshalb muss Dietmar Woidke sich jetzt öffentlich beim ehemaligen Verfassungsschutz-Chef Müller entschuldigen und ihn wieder einstellen. Nur so kann weiterer Schaden abgewendet werden."
Der grüne Landesvorsitzende Clemens Rostock bezeichnete Landes Rücktritt als notwendige Konsequenz. "Wir fordern die Wiedereinsetzung von Jörg Müller als Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes." Er stehe für eine glaubwürdige und konsequente Beobachtung verfassungsfeindlicher Kräfte – insbesondere der AfD.

Lange galt als mögliche Nachfolgerin Woidkes
Das Amt der Innenministerin trat die 53-Jährige vor rund fünf Monaten nach der Landtagswahl 2024 an. Zuvor war Lange Finanzministerin in Brandenburg. Ihr wurden vor der Verfassungsschutz-Affäre große Chancen eingeräumt, Brandenburgs Ministerpräsidenten Woidke zu beerben. Sie galt als seine Vertraute und ist seine Stellvertreterin an der Spitze der Landes-SPD.
Lange war bereits Staatssekretärin im Infrastrukturministerium und Innenministerin, bis sie 2019 als Ministerin das Finanzressort und nach der Landtagswahl 2024 das wichtige Innenressort übernahm.
Die 53-Jährige ist für eine klare Kante und manch kernige Aussagen bekannt. Im Landtag hatte sie vor einiger Zeit eine AfD-Forderung nach ihrer Entlassung zurückgewiesen mit den Worten: "Das können Sie sich von der Backe putzen. Ich bin aus der Prignitz. Ich lasse mich nicht provozieren." Lange ist in ihrer Heimat Pritzwalk verwurzelt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.05.2025, 19:30 Uhr