
Bayern Windkraft: Beckstein widerspricht Kritik an Bürgerentscheiden
Mit höheren Hürden für Bürgerentscheide will Bayerns Ministerpräsident Söder der "Blockade" von Windparks vorbeugen. Laut seinem Vorgänger Beckstein verhinderte aber eher die Politik Windräder. Änderungen bei Bürgerentscheiden soll es trotzdem geben.
Es waren 928 Bürger-Stimmen, die zum offenem Streit in der Staatsregierung führten: Nach dem Nein der Bürger von Mehring (Kreis Altötting) zum größten Windpark Bayerns schoben sich im vergangenen Jahr Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gegenseitig die Schuld zu. Die Pläne für das Großprojekt mussten abgespeckt werden. Wochen später beklagte Söder in einer Regierungserklärung, Bürgerentscheide würden "zunehmend als Blockade eingesetzt", beispielsweise bei Solar- und Windparks. Deswegen solle die direkte Demokratie in Bayern "weiterentwickelt" werden.
Opposition und Verbände warnten vor Einschnitten bei Bürgerentscheiden, die Staatsregierung setzte einen Runden Tisch unter Leitung von Günther Beckstein (CSU) ein. Im BR-Interview kündigt der Ex-Ministerpräsident nun an, im Juli Ergebnisse zu präsentieren. Noch ist nichts beschlossen, doch Beckstein gibt schon einen Ausblick auf mögliche Empfehlungen.
Bürgerentscheide: Beckstein schlägt Modifikation vor
Söders Kritik an Bürgerentscheiden zu Windrädern will sich Beckstein nicht anschließen: Seiner Meinung nach bremste jahrelang eher die Staatsregierung den Bau neuer Anlagen, insbesondere durch die mittlerweile reformierte 10-H-Abstandsregel. "Das war ein bayerisches Gesetz, das die Ausbreitung der Windkraft behindert hat", erläutert der 81-Jährige. "Wir halten es deswegen in einer breiten Übereinstimmung der meisten Teilnehmer des Runden Tisches nicht für sinnvoll, jetzt hier Bürgerentscheide zu verbieten."
Bürgerbeteiligung sei ein "wichtiges Element der Demokratie", betont er. Allerdings werde der Runde Tisch Präzisierungen vorschlagen, zum Beispiel die Verkürzung von Fristen, um Verfahren zu beschleunigen. So könne beispielsweise festgelegt werden, dass ein Bürgerentscheid nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eines Projekts auf den Weg gebracht werden könne – nicht mehr am Ende, "wenn alles durch Gutachten geklärt ist".
Werden Krankenhäuser ausgeklammert?
Künftig ausgeschlossen sein könnten laut Beckstein Bürgerentscheide zum Erhalt kommunaler Krankenhäuser, denen eine Schließung droht. Laut Gemeindeordnung kann ein Bürgerentscheid zu "Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde" beantragt werden. Für die Krankenhausplanung aber gebe der Bund häufig Kriterien vor, an die sich die Länder halten müssten, schildert der Ex-Ministerpräsident. "Und da glauben wir, dass ein Bürgerentscheid nicht zielführend ist, weil wir den Bürgern nur vorgaukeln würden, dass sie eine Entscheidung tragen, die aber nicht von der kommunalen Ebene zu treffen ist."
SPD: Strittige Punkte
In diesem Punkt stimmt SPD-Rechtsexperte Horst Arnold zu. Wenn es bei einem Bürgerentscheid Erwartungen gebe, die wegen Bundesvorgaben nicht erfüllt werden könnten, "dann ist er sinnlos". Darüber hinaus aber gibt es laut Arnold unter den Teilnehmern des Runden Tisches noch höchst strittige Punkte. Er habe den Eindruck, dass Staatsregierung und Teile der CSU Bürgerentscheide bei überregional bedeutenden Projekten als "Querulanten-Institution" betrachteten. "Wir sehen das nicht so."
Kritik der AfD
Deutliche Kritik kommt von der AfD-Fraktion, die nicht zum Runden Tisch eingeladen wurde: Die AfD lehne "jeden Versuch der Staatsregierung, Bürgerentscheide einzuschränken, ab", sagt Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner. "Das gilt auch für Abstimmungen zum Erhalt oder zur Schließung kommunaler Krankenhäuser." Ihre Fraktion sei gegen thematische Beschränkungen oder verschärfte Fristen bei Bürgerentscheiden.
Land der Bürgerentscheide
Bayern ist das Land der direkten Demokratie in Deutschland. 40 Prozent aller Bürgerentscheide finden hier statt. Der Grund laut Jahresbericht Bürgerbegehren: lockere Regeln, kaum ausgeschlossene Themen, moderate Quoren.
Roman Huber, geschäftsführender Bundesvorstand des Vereins "Mehr Demokratie", will, dass das so bleibt: "Wir brauchen ein Gesamtpaket: Wenn es auf der einen Seite eine Einschränkung gibt, braucht es auf der anderen Seite auch eine Verbesserung."
Freie Wähler warnen
Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl stellt klar, dass für den kleineren Koalitionspartner Einschnitte bei der direkten Demokratie nicht in Frage kommen. Zwar sei ein "zeitgemäßes Update" sinnvoll. "Allen Ansätzen jedoch, die ein Weniger an Demokratie zur Folge hätten, stehen wir Freien Wähler im Landtag ablehnend gegenüber." Die Krankenhausversorgung sei für die Menschen existenziell und hochemotional. "Sie kann nur im demokratischen Konsens gesichert werden."
Der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek sagt dem BR, er wolle dem Ergebnis des Runden Tisches nicht vorgreifen. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass Bürgerbeteiligung im Kern erhalten bleiben, die Rahmenbedingungen aber angepasst werden sollten. Noch wichtiger sei jedoch, Verbandsklagerechte einzuschränken. "Letztlich geht es darum, dass wir Planungen beschleunigen wollen."
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Quelle: BR24 im BR Fernsehen 22.06.2025 - 18:30 Uhr