Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, M), sitzt zwischen Alexander Dobrindt (CSU, r), designierter Innenminister, und Jens Spahn (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, im Bundestag bei der Kanzlerwahl.

Bayern Waigel: "Scheitern dieser Regierung wäre Katastrophe"

Stand: 08.05.2025 07:20 Uhr

Der Schock nach der zuerst verpatzten Kanzlerwahl sitzt tief. Im Kontrovers-Interview mahnt Theo Waigel, ein Scheitern der Regierung wäre "eine Katastrophe für die Demokratie und das Land". Ex-CSU-Chef Huber sieht auch seine Partei in der Pflicht.

Von Anna Feininger, Hans Hinterberger, Mira Barthelmann

Er gehörte fast zehn Jahre dem Bundeskabinett an und war noch länger Parteivorsitzender der CSU. Theo Waigel kennt das politische Geschäft und sämtliche Spielchen drumherum. Er ist überzeugt, dass sich unter den Abweichlern auch enttäuschte, verärgerte Bundestagsabgeordnete befunden haben, die sich eine größere Rolle in der neuen Bundesregierung vorgestellt hatten.

Der ganze Vorgang – "ein Schönheitsfehler", aber: "Die Politik ist nicht auf Schönheit angewiesen, sondern sie muss funktionieren. Und jetzt geht es darum, was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten passiert. Das ist entscheidend und nicht die Performance von gestern", erklärt Waigel im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.

Söder: "Die Gefahr eines Scheiterns"

Diese Performance hat auch Markus Söder gestern nachdenkliche Töne anschlagen lassen. "Die Gefahr eines Scheiterns eines stabilen demokratischen Prozesses kann am Ende ein Vorbote von Weimar sein. Denn die Folgen sind unabsehbar. Drum ist es wichtig, dass wir jetzt in dieser Situation vernünftig bleiben." Das traditionelle Gerangel zwischen Unions-Schwesterparteien – es ist vorerst verstummt. Dabei hatte Söder bis vor ein paar Tagen noch mit Querschüssen kokettiert.

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD ließ Söder süffisant verlauten: "Sie werden von mir hören!". Wohl ein Versuch des CSU-Vorsitzenden, den eigenen Machtanspruch zu unterstreichen, obwohl er sich gegen einen Posten in Berlin und für das Verbleiben in München als bayerischer Ministerpräsident entschieden hatte.

Video: Theo Waigel im Interview

Theo Waigel im Kontrovers-Interview

Huber: "Harte Bandagen"

Wer Friedrich Merz am Dienstag die Stimmen im ersten Wahlgang verweigert hat, wird wohl nie geklärt werden. Ex-CSU-Parteivorsitzender Erwin Huber hat das Debakel von München aus verfolgt. Er analysiert die Situation in Kontrovers so: "Die Union war in den letzten dreieinhalb Jahren eine knallharte Opposition – hat mit wirklich harten Bandagen gekämpft. Und die SPD hat es natürlich genauso getroffen. Ich glaube, die Schlussfolgerung muss sein, dass man die politische Kultur der Parteien der Mitte mehr pflegt. Da muss die CSU sicher auch an sich arbeiten."

Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel stellt den Spitzen der Regierungsfraktionen zwar ein gutes Zeugnis aus, sie hätten sich in den vergangenen Wochen bereits bewährt, aber: "Jeder von ihnen ist sich der Verantwortung bewusst, dass ein Scheitern dieser Regierung eine Katastrophe für die Demokratie und für das Land wäre. Und in dem Bewusstsein bin ich überzeugt, dass auch die Zukunft gelingen wird und gelingen kann."

Der Start für Kanzler Merz – mehr als holprig und auch Tag eins nach der Kanzlerwahl lief in Berlin alles andere als harmonisch.

Nächster Streitpunkt: Migration

Kaum kündigte der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, er werde mehr Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen veranlassen, kam Widerspruch aus den Reihen des Koalitionspartners. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese entgegnete, niemand könne ein Interesse daran haben, an mancher Stelle über das Ziel hinauszuschießen und Gerichtsentscheidungen nötig zu machen. Wer nach Deutschland komme und laut Grundgesetz einen Asylanspruch besitze, müsse auch die Möglichkeit haben, dass dieser geprüft werde.

Theo Waigel hält Wieses Aussagen für nicht besonders hilfreich und erklärt im Kontrovers-Interview: "Das sind die kleinen Scharmützel, die immer wieder stattfinden, die aber das, was stattfinden muss und was im Koalitionsvertrag steht, ganz sicher nicht beeinträchtigen werden."

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Quelle: Kontrovers 07.05.2025 - 21:15 Uhr