
Baden-Württemberg Meinung zur Kanzlerwahl: Scheitern hat Merz sich größtenteils selbst zuzuschreiben
Der Bundestag hat Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler gewählt - allerdings erst im zweiten Wahlgang. Das sollte sich Merz zu Herzen nehmen, findet SWR-Redakteur Henning Otte.
Habemus Bundeskanzler. Noch bevor es einen neuen Papst gibt, ist Friedrich Merz zum Kanzler gewählt worden. Halleluja. Doch seine Wahl war eine nervenzehrende Angelegenheit.
Offensichtlich wurden im ersten Wahlgang bei Union und SPD alte Rechnungen beglichen - trotz des enormen Drucks. Sofort suchten Union und SPD die Schuld beim jeweils anderen - auch in Baden-Württemberg.
Kanzlerwahl: Wahlschlappe ist größtenteils Merz' Schuld
Ich finde, das Scheitern im ersten Wahlgang hat sich Merz größtenteils selbst zuzuschreiben. Zur Erinnerung: Im Wahlkampf war er der größte Polarisierer der politischen Mitte.
Warum sollten alle Sozialdemokraten schnell vergessen, dass Merz sie vor kurzem noch linke Spinner genannt hat? Warum sollten alle Christdemokraten akzeptieren, dass er die Schuldenbremse in Rekordtempo über den Haufen geworfen hat? Auch bei der CDU in Baden-Württemberg kam das gar nicht gut an.

SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
Schafft es Merz, über sich hinauszuwachsen?
Natürlich haben die Nein-Sager bei Union und SPD heute einen kapitalen Fehlstart verursacht. Aber auch das darf man in einer Demokratie, in der es mehrere Wahlgänge gibt. Ich meine, Merz wird es verschmerzen. Um CDU-Chef zu werden, hat er über die Jahre drei Anläufe gebraucht.
Doch die Warnung des ersten Wahlgangs, die sollte er sich zu Herzen nehmen. Um Vertrauen zu gewinnen, reicht es nicht, sich mit SPD-Chef Klingbeil zu duzen. Als Kanzler der politischen Mitte muss er sich mehr um die Menschen bemühen. Er muss Orientierung geben in diesen Krisenzeiten. Und realistische Lösungen anbieten - anders als die AfD. Bleibt die Frage: Schafft es Friedrich Merz über sich hinauswachsen?
Sendung am Di., 6.5.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW