Daniela Pfeiffer und ihr Mann Tobias Siever mit Tochter Rosalie (4) und Sohn Leo (8)

Baden-Württemberg "Ich bin sein Körper": Pflegende Eltern teilen ihre Erfahrungen

Stand: 05.05.2025 08:28 Uhr

Mehr Verständnis für pflegende Eltern. Das wünscht sich der Verein "Mein Herz lacht". Auf Instagram teilen deshalb Vereinsmitglieder ihre Erfahrungen.

Daniela Pfeiffers Sohn Leo ist acht Jahre alt. Er kann nicht laufen, nicht allein sitzen. Leo kam drei Monate zu früh auf die Welt und hatte mehrere Hirnblutungen. Der Junge kann auch nicht wirklich sprechen. Er lautiere viel, erklärt seine Mutter. Gerade: "Bobo ein, Leo au". Das heiße, er wolle auch ins Trampolin zu seiner vierjährigen Schwester Rosalie, zusammen mit seinem Kuschelbär Bobo, übersetzt sie. Doch das geht nicht.

Leos Mama übernimmt, was Leos Körper nicht kann

Daniela Pfeiffer hebt Leo aus dem Rollstuhl, nimmt ihn auf den Arm, wippt dabei ein bisschen, im Gleichtakt mit Rosalie. 22 Kilo wiegt Leo mittlerweile. Trampolinspringen sei unmöglich. In solchen Momenten blute ihr das Herz. "Also Leo will ganz viel. Er möchte, aber er kann einfach nicht. Im Prinzip bin ich dann immer der verlängerte Arm und sein Körper eigentlich. Ich trage ihn, ich hebe ihn."

Vieles, was für andere Kinder und Eltern selbstverständlich ist, ist für Leo und Daniela schwer, zum Beispiel eine Betreuung in den Ferien zu finden. Da gibt es kaum Angebote, die zu Leo passen würden. Oder spontan auf einen Spielplatz zu gehen, meistens unmöglich. Die Böden dort sind häufig aus Sand, Gras oder Hackschnitzel - nicht befahrbar mit Leos Rollstuhl. Oder Treppenstufen, jede einzelne muss Daniela Pfeiffer ihn in seinem Rollstuhl hochziehen.

Hoher Pflegeaufwand und große Einsamkeit

Auch Freunde zu finden, Bekanntschaften zu schließen, ist schwieriger. Daniela Pfeiffer wünscht sich viel mehr Inklusion. Für ihren Sohn, aber auch für sich selbst. Als Leo klein war, hat sie versucht, in eine Krabbelgruppe zu gehen, dort Anschluss zu finden. Ohne Erfolg. Sie habe sich emotional völlig allein gefühlt, obwohl sie in einer Gruppe mit anderen Frauen war. Diese hatten einfach völlig andere Themen, mit ihren gesunden Kindern. "Das war für mich sehr schmerzhaft. Weil ich das Gefühl hatte, ich bin komplett isoliert und habe diese Themen. Und weiß nicht, wohin mit diesem Schmerz und mit wem man das teilen kann", sagt sie.

Vieles könnten Außenstehende nicht wissen. Leo ist dauerhaft auf Medikamente angewiesen, wenn er einen epileptischen Anfall bekommt, müssen sie sofort ins Krankenhaus. Nachts legt ihn seine Mama häufig um, damit er es bequem hat, weil er es allein nicht kann. "Ich glaube, es ist einfach die Tatsache, dass Leo rund um die Uhr betreut sein muss. Ich wickele ihn, füttere ihn. Es ist so, als ob ich mein Leben lang ein Baby hätte", sagt sie. Und es sei tatsächlich ein Leben lang. Leo wird auch mit 18 nicht selbstständig sein.

Therapie und Pflege: Persönliche Einblicke auf Instagram

Um anderen Menschen einen besseren Einblick zu ermöglichen, teilen Familien wie die von Daniela Pfeiffer, jetzt ihre ganz persönlichen Erfahrungen auf Instagram. In einem Ausschnitt ihres Videos sieht man Leo, bei der Therapie. Danielas Text dazu: "Wir organisieren zahlreiche Therapien, wöchentlich haben wir vier Stück. Groß ist auch die Sorge, was geschieht, wenn die eigene Kraft einmal nicht mehr reicht, um die Pflege des Kindes zu gewährleisten."

Sohn Leo bei der Therapie

Der Instagram-Kanal von "Mein Herz lacht e. V." - für Daniela Pfeiffer "ihr starker Rücken"

Finden kann man ihr Video auf der Instagram Seite des Vereins "Mein Herz lacht". Dort sind Eltern pflegender Kinder miteinander verbunden, rund 800 Familien. Der Verein sei ihr Auffangnetz, ihr starker Rücken. "Wenn ich Hilfe brauche, wenn ich irgendetwas habe. Das sind Leute, die verstehen mich, die wissen, was ich für Nöte habe und für Sorgen", erklärt Daniela Pfeiffer.

"Mein Herz lacht" - ein Verein für pflegende Eltern

Gegründet hat den Verein Gail McCutcheon, die mittlerweile auch eine Freundin für Daniela geworden ist. Gail McCutcheos Sohn wurde mit einem schweren Herzfehler geboren, auch sie fühlte sich allein. Nach Jahren der Isolation und Verzweiflung hat sie den Verein gegründet. Der vernetzt Eltern lokal untereinander, bietet Onlineseminare und einen riesigen Wissensfundus. Dabei liegt der Fokus auf den Eltern.

Portraitfoto: Gail McCutcheon

Mit Sebstfürsorge gegen den Pflegeburnout: Mein Herz lacht e.V.-Gründerin Gail McCutcheon

Es gibt viele Achtsamkeitstrainings und auch Yoga- oder Pilates-Angebote. Den Kindern könne es nur gutgehen, wenn es Mama und Papa gutgehe, so Gail McCutcheon. Deshalb sei er auch diagnoseübergreifend und nicht zum Beispiel ein Verein nur für herzkranke Kinder. So würden die Eltern sich nicht nur über medizinische Themen austauschen, sondern könnten auch auf sich schauen.

Selbstfürsorge sei mit großer Scham verbunden

Das sei oft mit großer Scham verbunden, erzählt Gail McCutcheon: "Viele haben so ein schlechtes Gewissen. Denken, wenn ich etwas für mich mache, bin ich egoistisch. Und wir versuchen, das zu drehen. Du bist egoistisch, wenn du das nicht tust. Aber es ist nicht immer so einfach, weil die Eltern es so gewöhnt sind, sich immer hintenanzustellen." Doch langfristig führe das zum Pflege-Burnout. Jeder brauche Unterstützung.

So wie auch Daniela und ihr Mann sich gegenseitig unterstützen. Tobias Siever ist gerade heimgekommen, wird kurz von Leo gekuschelt. Er ist voll berufstätig. Manchmal falle ihm das auch schwer, weil er wisse, dass seine Frau viel stemmen müsse, damit er arbeiten gehen kann. Doch er versuche, zu unterstützen, wo es geht. Sein Arbeitgeber sei da verständnisvoll. "Manchmal komme ich dann früher nach Hause, weil es wichtig ist. Zum Beispiel wenn Leo eine Therapie hat." Dann unternimmt er etwas mit Rosalie, damit sie als Geschwisterkind nicht zu kurz kommt.

Beide Eltern versuchen, den Alltag so gut wie möglich zu machen, auch wenn sie oft an den Rand ihrer Kraft kommen. "Es macht es nicht besser, wenn ich in Trauer versinke, obwohl es genug gibt, was ich betrauern könnte. Wir machen das Beste draus und versuchen offen und mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen", sagt Daniela Pfeiffer. Und schaut dabei zu Leo, der gerade von seiner Schwester einen Spielzeugpapagei in die Hand gedrückt bekommt. Wie das unter Geschwistern eben so üblich ist.

Sendung am Mo., 5.5.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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