
Baden-Württemberg Kehler Rathauschef kritisiert verstärkte Grenzkontrollen deutlich
Die neue Bundesregierung geht an den Grenzen verschärft gegen illegale Einwanderung vor. Besonders betroffen ist Kehl an der Grenze zu Frankreich. Oberbürgermeister Britz übt scharfe Kritik.
Die neue Bundesregierung macht in Südbaden Ernst. An den Grenzübergängen nach Frankreich und in die Schweiz kommt es zu verstärkten Grenzkontrollen. Während davon am Mittwochabend in Breisach am Rhein (Kreis Breisgau Hochschwarzwald) an der deutsch-französischen Grenze noch wenig zu spüren war, haben sich die Kontrollen am Donnerstag zwischen Straßburg und Kehl durchaus bemerkbar gemacht.
"Zurückgeworfen in Zeiten, die wir überwunden glaubten"
Scharfe Kritik an den verstärkten Kontrollen an der Grenze zu Frankreich kommt vom Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz (parteilos): "Wir fühlen uns zurückgeworfen in Zeiten, die wir längst überwunden glaubten". Dass die Kontrollen ausgerechnet am 8. Mai, 80 Jahre nach Kriegsende, veranlasst wurden, "zeigt nicht viel Fingerspitzengefühl", sagte Britz dem SWR.
Kehler Oberbürgemeister: Beeinträchtigungen seien nicht zu rechtfertigen
Der Oberbürgermeister der Grenzgemeinde kündigte an, sich schriftlich an den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zu wenden. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass Kontrollen das Leben von Tausenden Grenzpendlern, Schülern und Familien beeinträchtigten, sagte Britz.
Aus seiner Sicht wurde unter anderem über die Köpfe von ihm und seiner Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian entschieden: "Wir können das Vorgehen nur scharf kritisieren, weil wir immer aufgefordert wurden, gemeinsame Projekte zu machen: Wir haben eine gemeinsame Straßenbahn, gemeinsame Brücken, einen gemeinsamen Kindergarten", so Britz. Mit den verschärften Kontrollen sei er nicht einverstanden.
Straßburger arbeiten in Kehl, Kehler in Straßburg. Wir sind ein gemeinsamer Lebensraum. Wir sind das Labor von Europa. Wolfram Britz, Oberbürgermeister von Kehl
Rückstau von 30 Minuten auf französischer Seite
Am Grenzübergang von Straßburg nach Kehl hat sich am Donnerstagmittag ein längerer Rückstau gebildet mit einer Wartezeit von 30 Minuten. Immer wieder winkt die Bundespolizei Fahrzeuge aus dem Verkehr, um sie zu kontrollieren - zurückgewiesen wurde bisher noch niemand.
Wie lange die Kontrollen in dieser Intensivität fortgeführt werden, sei abhängig von der Lage und der Personalsituation, so Pressesprecher Dieter Hutt von der Bundespolizeiinspektion Offenburg: "Wir wollen natürlich den Pendelverkehr nicht über Gebühr beeinträchtigen, aber man muss grundsätzlich an allen Grenzübergängen mit Kontrollen rechnen."
Kontrollen auch im Nahverkehr zwischen Straßburg und Kehl
Es kann nicht sein, dass durch deutsche Kontrollen der Tramverkehr quer durch die Europastadt Straßburg gestört wird. Wolfram Britz, Oberbürgermeister von Kehl
Die Polizei kontrolliert auch in den aus Straßburg kommenden Straßenbahnen und Zügen. Die Tramlinie führt über den Rhein und verbindet die Städte Straßburg und Kehl. Die deutschen Kontrollen hätten den Tramverkehr quer durch die Europastadt Straßburg gestört, sagt Britz.
Ausgerechnet am 80. Jahrestag des Weltkriegsendes seien diese Maßnahmen für ihn nicht nachvollziehbar und ließen auf mangelndes Fingerspitzengefühl schließen.
Kontrollen gibt es an der Grenze zur Schweiz schon länger
Auch am Schweizer Grenzübergang an der A5 in Weil am Rhein leitet die Polizei am Donnerstag immer wieder Fahrzeuge in Richtung Deutschland aus dem Verkehr, um Ausweise zu kontrollieren. Das ist nicht neu. Vorübergehende Grenzkontrollen gibt es an den Grenzen zur Schweiz schon seit Oktober 2023.

Der Schweizer Grenzübergang an der A5 in Weil am Rhein: Hier gibt es schon seit Oktober 2023 vorübergehende Kontrollen.
Bisher galt jedoch: Wenn eine Person die Einreisebedingungen nicht erfüllt, wurde sie von der Polizei registriert, zur Anzeige gebracht und zurückgewiesen. Menschen, die jedoch um Asyl baten, brachte die Polizei zur Erstaufnahmestelle. "Das wird sie in Zukunft nicht mehr tun", sagt Pressesprecher Friedrich Blaschke von der Bundespolizei Weil am Rhein. Doch es werde Ausnahmen geben: bei Familien mit Kleinkindern oder bei Jugendlichen zum Beispiel.
Zurückweisungen an den Landesgrenzen
Bereits am Mittwoch hatte der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) wenige Stunden nach Amtsantritt angekündigt, mehr Bundespolizisten an den deutschen Außengrenzen zu stationieren. Zudem dürfen diese nun auch Asylsuchende an den Grenzen zurückweisen - eine Entscheidung, die eine mündliche Weisung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von 2015 zurücknimmt. Diese sah vor, keine Asylsuchenden an den Grenzen abzuweisen.

Seit Donnerstag wird auch der deutsch-französische Grenzübergang in Kehl verstärkt kontrolliert.
Seit dem 16. September 2024 gab es bereits deutschlandweit vorübergehende Grenzkontrollen, die die Vorgängerregierung unter Olaf Scholz (SPD) eingeführt hatte. Der damalige CDU-Vorsitzende und jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte schon im Wahlkampf angekündigt, verstärkt gegen illegale Einwanderung vorgehen zu wollen.
Schweiz bezeichnet Maßnahmen als rechtswidrig
Aus Deutschlands Nachbarländern kommt scharfe Kritik an den Maßnahmen, unter anderem aus der Schweiz. Die systematischen Zurückweisungen von Menschen an den deutschen Landesgrenzen verstoße gegen geltendes Recht, schreibt das Schweizer Justizministerium als Reaktion. Die Schweizer Behörden wollen gegebenenfalls Maßnahmen prüfen. Bislang hat sich die Schweiz nicht geäußert, wie man mit zurückgewiesenen Asylbewerbern umgehen will.
Sendung am Do., 8.5.2025 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4