
Baden-Württemberg Anwohner in Grenzach-Wyhlen sollen teuren Lärmschutz bezahlen
Manche kämpfen lange für eine Schallschutzwand gegen Bahnlärm. In Grenzach-Wyhlen aber haben Anwohner nie eine solche Wand gefordert - und werden trotzdem dafür zur Kasse gebeten.
Die drei Meter hohe Wand steht bereits zwischen den Gleisen und den Häusern. Nun sollen deren elf Besitzerfamilien die Kosten für den Wandbau übernehmen - insgesamt mehr als 300.000 Euro.
Die Anwohnerinnen und Anwohner sind fassungslos: Didem Bariskan fürchtet, dass sie einen Kredit aufnehmen muss. Benedikt Adrian, sagt: "Es ist ein komisches Gefühl, wenn man jetzt für etwas zur Kasse gebeten wird, was man nicht bestellt hat, nicht gewollt hat, was einen nicht interessiert."

Die betroffenen Familien sollen zwischen 18.000 und 53.000 Euro für die Wand zahlen.
Rechnungen für Lärmschutzwand gehen bald an Anwohner
Die Gemeinde Grenzach-Wyhlen will die Rechnungen bald an die Anwohner schicken. Dabei sollen manche rund 18.000 Euro zahlen, eine Familie sogar 53.000 Euro. Gleichzeitig betonen mehrere Anwohner, dass sie der Bahnlärm nie gestört habe. Ilka Demirkaya: "Viele Jahre haben wir hier gut ohne die Mauer gelebt und uns an den Lärm gewöhnt. Wir sehen jetzt auch keinen großen Unterschied."
Sie zweifelt den Nutzen der Wand an - zumal es zwischen ihr und den Häusern noch eine Straße gibt, die ebenfalls Lärm verursacht. Und dann endet die Wand mitten im Wohngebiet - steht nur auf der einen Seite der Gleise, obwohl auf beiden Seiten Wohnhäuser stehen. Wie konnte es dazu kommen?

Die Schallschutzwand endet in Grenzach-Wyhlen mitten im Wohngebiet.
Warum Anwohner für den Lärmschutz zahlen müssen
Bürgermeister Tobias Benz erklärt, dass es genau an der Stelle, wo die Anwohnerfamilien leben, vor elf Jahren eine Bebauungsplananpassung gegeben hat. Dabei habe ein Lärmgutachten ergeben, dass dort gesetzlich festgeschriebene Lärmgrenzwerte überschritten wurden. Und deshalb habe die Gemeinde als Gegenmaßnahme eine Schallschutzwand gebaut - als sogenannte Erschließungsanlage.
Erschließungsanlagen sind neue bauliche Maßnahmen, die Grundstückeigentümern einen klaren Vorteil bringen - hier eine messbare Lärmminderung. In der Folge dürfe die Gemeinde die Kosten auf die Anwohner umlegen, sagt Benz. Er verstehe die Sorgen der Betroffenen. "Nur wir als Gemeinde haben halt leider keine Alternative, als diese Abrechnung der Erschließungseinlagen durchzuführen." So wolle es das Gesetz.

Bürgermeister Tobias Benz sagt, die Gemeinde müsse die Kosten mit den Anwohnern verrechnen.
Betroffene Anwohner können vor Gericht ziehen
Dass die Gemeinde den Bau grundsätzlich als Erschließungskosten abrechnen kann, bestätigt auch Rechtsanwalt Sebastian Nothacker vom Eigentümerverband Haus & Grund in Stuttgart.
Er rät den betroffenen Hausbesitzern aber von einer Fachperson überprüfen zu lassen, ob richtig berechnet wurde und ob ihre Bescheide inhaltlich richtig seien. Gegebenenfalls könnten sie dagegen vor Gericht ziehen - ihr Erfolg dabei sei aber unklar. Rechtlich sei es egal, ob die Anwohner die Schallwand wollten oder nicht.
Erschließungskosten sind für Eigentümer keine Seltenheit, sagt Nothacker. Sie sollten deshalb generell darauf vorbereitet sein. Normalerweise handle es sich bei den Erschließungsanlagen aber um Baumaßnahmen wie neue Straßen oder einen Anschluss ans Stromnetz, bei denen Anwohner einen klaren Vorteil sähen.
Kein Rechtsanspruch auf Fördergelder
Für Schallschutzwände an Bahnlinien gibt es zwar auch Fördergelder vom Bund, aber nicht überall. In Grenzach-Wyhlen gebe es keinen Rechtsanspruch darauf, heißt es vom Bundesministerium für Verkehr in Berlin.
Denn dort sei die Bahn schon vor dem Wohngebiet da gewesen und es habe keine größeren Änderungen an der Strecke gegeben. So sei die Gemeinde für den Lärmschutz zuständig. Der Bund hilft zudem bei besonders lauten Bahnstrecken mit vielen Betroffenen - Grenzach-Wyhlen habe hier aber keine hohe Priorität.

Grenzach-Wyhlen liegt gerade an der Schweizer Grenze - und ist auch bei Grenzgängern beliebt.
Gemeinde könnte mehr Kosten übernehmen
Die Gemeinde selbst könnte allerdings mehr Kosten der teuren Schallschutzwand übernehmen. Derzeit will sie fünf Prozent übernehmen - das gesetzliche Minimum. So hätten sie das auch in vergleichbaren Fällen getan, sagt Bürgermeister Benz. Trotzdem hoffen die Anwohner auf mehr Unterstützung und sie überlegen sich nun, einen Anwalt zu nehmen.
Sendung am Mi., 30.4.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW