
Parteispitze und Kabinett Verjüngungskur für die "alte Tante SPD"
Bei der SPD dominieren neue Gesichter in Spitzenposten. In der Bundesregierung ist sie jünger und weiblicher, beim Parteivorsitz setzt sie auf eine klassische Aufsteigergeschichte.
Führungswechsel bei der SPD: Heute hat die Parteispitze zwei neue Kandidaten vorgestellt. Arbeitsministerin Bärbel Bas soll auf dem Parteitag im Juni als Co-Parteichefin antreten, neuer Generalsekretär soll Tim Klüssendorf aus Schleswig-Holstein werden.
Was gerade bei der SPD abläuft, hat schon einige Spitznamen bekommen: "Die Klingbeilisierung der SPD" oder "The House of Lars". Tatsächlich hat Parteichef Lars Klingbeil durchgezogen, was er angekündigt hat: einen Generations- und Gesichterwechsel bei den Führungspositionen. Ausnahmen sind nur Verteidigungsminister Boris Pistorius, Bas und Klingbeil selbst.
Pistorius versteht sich von selbst. Niemand bei Verstand würde den beliebtesten Politiker des Landes in die Wüste schicken, erst recht nicht in der aktuellen Weltlage.
Bei Bas überzeugt auch der Lebensweg
Bas hat eine klassische SPD-Aufsteigergeschichte, die es so auch bei der SPD nicht mehr so oft gibt. Die Tochter eines Busfahrers mit Hauptschulabschluss arbeitete sich hoch, bildete sich weiter und wurde als Bundestagspräsidentin zur Nummer zwei im Staat.
Das hat Bas heute auch noch einmal selbst betont: Durch ihren Lebensweg habe sie ganz konkret erfahren, wie wichtig soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit sind.
Bas hat sich in nur knapp vier Jahren an der Spitze des Parlaments großen Respekt erarbeitet. Nicht nur als Parteilinke in der gesamten SPD, sondern auch parteiübergreifend. Niemand zweifelt daran, dass Bas im Juni beim Parteitag von einer großen Mehrheit als Co-Chefin an der Seite von Klingbeil gewählt werden wird.
Die Machtkonzentration kommt nicht bei allen gut an
Auch Klingbeil gehört zu den bekannten Gesichtern in der sonst so neuen Führungsriege. Er wird mit großer Sicherheit wieder als Parteichef antreten. Ob er beim Parteitag aber auch ein fulminantes Ergebnis einfahren wird, ist nicht so sicher.
Die Art und Weise, wie er die Macht auf sich konzentriert, kommt nicht bei allen gut an. Vor allem natürlich nicht bei denen, die jetzt nicht mehr dabei sind: Hubertus Heil, Svenja Schulze, Klara Geywitz, Nancy Faeser, Karl Lauterbach, Rolf Mützenich - sie alle sind raus. Und nicht alle tragen das mit so großer Souveränität wie Saskia Esken, die auf den letzten Metern echte Größe zeigte. Die nicht nachtritt und ohne mit der Wimper zu zucken ihren eigenen Abgang öffentlich moderiert.
Ein junger neuer Generalsekretär
Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Erneuerung die Alten gehen müssen. Das ist schmerzhaft, aber konsequent. Genauso konsequent, wie den Neustart mit einer eigenen Mannschaft zu beginnen, der man vertraut.
Bei den Neuen sind wie von Klingbeil versprochen viele junge Frauen dabei. Vier der Ministerinnen und Regierungsbeauftragten sind unter vierzig Jahre alt.
Dazu kommt der 33-jährige Tim Klüssendorf als designierter Generalsekretär. Ein echter Generationswechsel. Was Klüssendorf außer einem Master in Betriebswirtschaft und einem Intermezzo als Sprecher der SPD-Linken an Kompetenz für die Parteizentrale mitbringt, ist noch unklar.
Klüssendorf hat Klingbeil aber offenbar überzeugt. Auch mit seiner Vision, dass die SPD wieder cool werden muss, attraktiv für die Jungen. So wie damals bei Willy Brandt, erzählt der neue Generalsekretär, der damals noch lange nicht geboren war, in einem Interview. In den Jahrzehnten nach Willy Brandt ist die Partei dann zur "alten Tante SPD" mutiert. Jetzt steht offenbar ein großes Lifting an.