
Bürgergeld trotz Arbeitsstelle Erstmals seit 2015 mehr Aufstocker
Wer einen Job hat, davon aber nicht leben kann, kann zusätzlich Bürgergeld beantragen. Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 war die Zahl dieser Aufstocker kontinuierlich gesunken. Nun stieg sie erstmals wieder.
Die Zahl der sogenannten Aufstocker in Deutschland ist zum ersten Mal seit 2015 wieder gestiegen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Cem Ince hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Der Staat zahlte den Regierungsangaben nach im vergangenen Jahr etwa 826.000 Erwerbstätigen zusätzlich Bürgergeld, weil ihr Einkommen nicht zum Leben reichte.
Die staatlichen Ausgaben für dieses ergänzende Bürgergeld wuchsen nach Angaben des Sozialministeriums von 6,19 Milliarden Euro 2023 auf 6,99 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Sogenannte Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Aufstocker - also etwa Familien oder Paare - wurden 2024 mit insgesamt 11,61 Milliarden Euro vom Staat unterstützt, wie aus den Daten weiter hervorgeht.
Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 war die Zahl der Aufstocker kontinuierlich gesunken: von gut 1,2 Millionen auf etwa 796.000 Menschen im Jahr 2023. Diese Entwicklung endete nun.
"Wir halten die Ausbeutung der Arbeitskraft aufrecht"
Der Linken-Abgeordnete Ince sieht die Zahlen zu Aufstockern als Argument für eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns. "Es kann nicht sein, dass Hunderttausende trotz Arbeit auf staatliche Hilfe angewiesen sind", sagte er der dpa. "Wir unterstützen damit niedrige Löhne und halten die Ausbeutung der Arbeitskraft aufrecht, anstatt in Pflege- und Kitaplätze zu investieren, die vielen Menschen den Weg aus der Teilzeitfalle ermöglichen würden."
Bei seiner Einführung lag der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro pro Stunde. Aktuell beträgt er 12,82 Euro.
Die politisch unabhängige Mindestlohnkommission berät derzeit über mögliche Erhöhungen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat eine Anhebung auf 15 Euro im Jahr 2026 als erreichbar und wünschbar bezeichnet, eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Die Arbeitgeber halten das für viel zu viel.
Aufstocker sind sehr oft Minijobber, wie die Bertelsmann Stiftung vor einigen Jahren in einer Studie mitteilte. Knapp die Hälfte der erwerbstätigen Personen, die zusätzlich Bürgergeld bekommen, seien geringfügig beschäftigt. Etwa zwei Drittel der Aufstocker verfügen über einen weit unterdurchschnittlichen Lohn.