
Wohnen in einer Intensivpflege-WG Leben - möglichst selbstbestimmt
Von zu Hause ausziehen und in einer WG leben - was für viele junge Menschen dazugehört, ist für Menschen mit einer Behinderung oft unmöglich. Ein hierzulande seltenes WG-Konzept in Ulm soll helfen.
Gemütliches WG-Leben in einem großen hellen Wohnzimmer im Nordwesten von Ulm: Manisha, Oli und Imanuel sitzen gemeinsam um den Tisch und kniffeln. Die drei wohnen in der Intensivpflege-Wohngemeinschaft JuWI (Junges Wohnen Intensiv) des Ulmer Pflegediensts MUKKI (Mobile Ulmer Kinder, Kranken- und Intensivpflege).
Alle sind körperlich eingeschränkt und werden teils beatmet. Beim Spiel unterstützen deshalb die Pflegerinnen Petra, Elke und Yvonne. Sie helfen beim Würfeln, lesen die erspielten Werte von den Handys der Bewohner ab und achten darauf, dass niemand schummelt.
WG-Leben als Alternative zu einem Pflegeheim
"Full House!" - Imanuel freut sich über seine gute Würfelrunde. Der 22-Jährige lebt seit September in der WG, vorher wohnte er zeitweise in einem Internat und zu Hause. Für ihn ist das Leben in der Wohngemeinschaft ein großer Schritt hin zu einem Leben mit eigener Verantwortung: "Es ist auf jeden Fall anders. Selbstbestimmter würde ich sagen. Ich durfte davor schon auch viel selber bestimmen, aber auch nicht alles."
Das WG-Konzept soll die Lücke zwischen der Versorgung durch die Familie zu Hause und den klassischen Pflegeheimen schließen. Junge intensivpflegebedürftige Menschen, die nicht mehr zu Hause leben können oder wollen, können sich auf einen Platz in der WG bewerben. Ein Team aus Pflegerinnen und Pflegern ist rund um die Uhr mit in der Wohnung und für die Bewohner da. Sie alle haben ein eigenes Zimmer, das sie auch nach ihren eigenen Wünschen einrichten dürfen.
Harmonie in der Wohngemeinschaft am Ulmer Eselsberg
In Olis Zimmer hängen Fanschals von Borussia Dortmund, und an einer Fotowand sind Erinnerungen an Ausflüge und andere schöne Erlebnisse gepinnt. Der 43-Jährige kommuniziert über ein Textprogramm auf seinem Rollstuhl. "Die WG ist ein Teil meines Lebens geworden", liest Pflegerin Petra vor. Und dieses Leben in der WG läuft laut Oli ziemlich harmonisch ab. "Wir sitzen oft zusammen in unserem schönen Wohnzimmer und schauen einfach mal Fernsehen oder spielen etwas." Und bei schönem Wetter sei die WG-eigene Terrasse der Treffpunkt der drei Mitbewohner.
JuWi-Leiter Karrer: Bewohner "am Leben teilhaben lassen"
Der Leiter des Projekts JuWI ist Heribert Karrer. Er koordiniert das zuständige Pflegepersonal. Auch Räumlichkeiten mit behindertengerechter Ausstattung werden vom JuWI gestellt. So lassen sich in der Küche der WG manche Arbeitsflächen in der Höhe verstellen und im Bad gibt es eine Duschliege. "Hier wird dann geduscht. Und man kann auch das Wasser einfach sammeln oder im Vorfeld Wasser in die Wanne geben, um zu relaxen", erklärt Karrer die blaue Liege mit den hohen Rändern und dem Wasseranschluss.

Im Badezimmer gibt es eine Duschliege, wie Projektleiter Karrer zeigt.
"Wir versuchen hier intensiv zu versorgen, was die Pflege anbelangt", sagt Karrer. Gleichzeitig sei es aber auch Ziel des Projekts, intensivpflegebedürftige Menschen möglichst viel "am Leben teilhaben zu lassen." So verbringen die Bewohner ihre Tage in einer Werkstatt, in der Tagesgruppe "Freizeit- und Lebensgestaltung" oder bei Aktivitäten, die sie sich selbst gewünscht haben.
Damit mehr Mitbewohner einziehen können, braucht es Personal
Das WG-Projekt im Nordwesten Ulms gibt es nun seit über einem Jahr. Finanziert wird es aktuell über die Kranken- und Pflegekasse, bald soll zusätzlich über die staatliche Eingliederungshilfe Geld in die WG fließen. Und auch der Pflegedienst MUKKI selbst investiert in die Wohngemeinschaft. Für Heribert Karrer war das Jahr eine lehrreiche Zeit. "Weil wir gemerkt haben, viele Ideen, viele Gedanken lassen sich nicht so umsetzen."
Ein wichtiges Ziel habe die WG aber trotzdem erreicht: "Was die Bewohner angeht, sind wir sehr positiv gestimmt. Weil ich den Eindruck habe, sie sind gerne hier, sie fühlen sich wohl hier. Es ist mittlerweile ihre Heimat geworden."
Und zukünftig soll sich die Zahl der WG-Bewohner sogar noch erhöhen. "Interessenten gibt es genug", berichtet Karrer. Damit diese aber auch einziehen können, benötigt der Pflegedienst aber erst mehr Personal, das dann auch noch geschult werden müsse. "Und wenn wir soweit sind, können wir den nächsten Bewohner oder die nächste Bewohnerin vielleicht auch aufnehmen." Darüber würden sich dann auch Manisha, Oli und Imanuel freuen.