Regenbogenflagge

Welttag gegen Homophobie Queer auf dem Dorf

Stand: 17.05.2025 14:11 Uhr

Im ländlich-konservativen Norden Baden-Württembergs organisiert eine Gruppe queerer Menschen die "Dorfprides", angelehnt an die großen CSD-Paraden. Es ist auch ein steter Kampf um Toleranz.

Zeutern ist ein kleines Dorf im Landkreis Karlsruhe, mit knapp über 3.000 Einwohnern. Ein nagelneues Haus der Freiwilligen Feuerwehr steht am Ortseingang, direkt neben dem Sportplatz mit der Vereinsgaststätte. Ein paar Meter weiter hält die S-Bahn von und nach Karlsruhe - sogar alle 20 Minuten.

Hier scheint die Welt noch in Ordnung: zwei Kirchen, ein historischer Ortskern mit Fachwerkhäusern, ein Wirtshaus, eine Pizzeria, ein kleines Industriegebiet am Ortsrand. Wie viele Gemeinden im Norden Baden-Württembergs ist Zeutern konservativ geprägt, die meisten Menschen sind katholisch.

Am 31. Mai erlebt der Ort aber eine Premiere: die erste queere Kundgebung in der über 1.250 Jahre alten Geschichte des Dorfes. "Dorfpride“ nennen die Organisatoren die Veranstaltung. Das Ziel: Toleranz und Gleichberechtigung; deutlich machen, dass es überall queere Menschen gibt - auch auf dem Land. Und nicht nur in den großen Städten, wo es alljährlich riesige Christopher-Street-Day-Paraden gibt.

Angebote für die Community aufs Land holen

"In den Städten gibt es feste Strukturen der Community - Beratungsstellen und 'Safe Spaces', wie etwa in Mannheim das 'Queere Zentrum'“, sagt Vanessa Seidel. Seidel gehört zum Orga-Team, kommt selbst vom Land. Hier sollen durch die "Dorfprides“ langfristig ähnliche Strukturen geschaffen werden wie in den Städten. "Früher fuhr ich oft auf größere CSDs in die Stadt. Ich fand es cool, dieses Konzept auch aufs Land zu bringen", sagt Seidel. Fünf "Dorfprides“ gab es bisher seit 2020. Alle im benachbarten Rhein-Neckar-Kreis. Der in Zeutern wird der erste im Landkreis Karlsruhe sein. Die "Dorfpride" expandiert sozusagen.

Los ging es im August 2020 in Mühlhausen im Kraichgau, gut neun Kilometer von Zeutern entfernt. Noch unter scharfen Corona-Auflagen zogen 500 Teilnehmende durch die rund 8.700 Einwohner zählende Gemeinde. Der Bürgermeister sprach, das Rathaus hatte die Regenbogenfahne gehisst, zahlreiche Schaulustige säumten die Straßen, über die sogar bunt geschmückte Demowagen rollten - ganz wie bei den großen Christopher-Street-Day-Paraden (CSD) in der Stadt. Die Stimmung: offen, interessiert. Seit 2020 sind die Teilnehmerzahlen am Zug selbst sowie am Straßenrand stetig gewachsen.

17.05.2025 • 13:04 Uhr

Menschen sollen sich annähern

Die erste "Dorfpride“ in Mühlhausen war Patrick Albertis allererste Pride überhaupt. Alberti hat vor einigen Jahren gemerkt: Geschlechtsbezeichnungen - das passt nicht so richtig. "Ich habe dann auch rausgefunden, dass ich nicht-binär bin“, sagt Alberti. In kleinen Gemeinden gebe es aber oft das Problem, dass die Menschen kein Verständnis dafür hätten, wenn die geschlechtliche Identität etwas von der anderer Menschen abweiche. Auch in Oftersheim, der Gemeinde, in der Alberti im Gemeinderat saß, sei das so gewesen. Die zweite "Dorfpride“ holte Alberti 2021 nach Oftersheim.

"Die Menschen in den Dörfern, in denen wir sind, nehmen ganz oft ganz positive Eindrücke mit“, sagt Vanessa Seidel. Die Menschen kämen an die Straße, an die Fenster, verfolgten die Kundgebung. Am Ende habe man sich angenähert.

"Kein Rückfall in alte Denkmuster“

Doch nicht alle sind offen für die "Dorfprides“. Im vergangenen Jahr in Ketsch wurden Bierbänke beschmiert mit Parolen wie "Ihr Schwulen, verpisst euch“. Es gab Anfeindungen auf Social Media, eine Gegendemo der NPD. "Leider ist ein Punkt erreicht, an dem die Rechte, die wir uns über viele Jahre erkämpft haben, wieder gefährdet sind“, sagt Patrick Alberti.

Der Rechtsruck sei spürbar, es gebe einen starken Anstieg von Hasskriminalität gegen queere Menschen. Politische Meilensteine wie das im vergangenen Jahr verabschiedete neue Selbstbestimmungsgesetz stünden unter der neuen Bundesregierung wieder auf dem Prüfstand. "Wir wollen keinen Rückfall in alte Denkmuster“, sagt Alberti.

Das Organisationsteam der "Dorfprides“ kämpft für ein offenes und tolerantes Miteinander, auch im ländlichen Raum. In der Gemeinde Ubstadt-Weiher, zu der Zeutern gehört, war die CDU bei der vergangenen Bundestagswahl mit mehr als einem Drittel der Stimmen stärkste Kraft, gefolgt von der AfD mit über 20 Prozent.

"Wir haben uns für Zeutern entschieden, weil eine Mitorganisatorin dort wohnt“, erzählt Patrick Alberti. Und nicht nur sie sei überzeugt, dass die "Dorfpride“ gut zu Zeutern passe - auch die übrigen Verantwortlichen. Ob sie am Ende recht behalten, ist allerdings eine offene Frage. Der Kampf um Toleranz wird immer schwieriger - gerade im ländlichen Raum. Die Menschen in Zeutern können sich in zwei Wochen ihr eigenes Bild machen. Seit heute, dem internationalen Tag gegen Homophobie, hängen die Einladungsplakate.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 1 Niedersachsen am 17. Mai 2025 um 12:34 Uhr.