Leere Tische und Stühle stehen in den Außenbereichen von Cafés und Restaurants in der Innenstadt von Koöice. (Archivbild: 04.11.2020)

Corona-Pandemie Slowakei geht in zweiwöchigen Lockdown

Stand: 25.11.2021 08:38 Uhr

In der Slowakei sprengt die Pandemie alle bisher gekannten Dimensionen: Die Kliniken sind überfüllt, die Inzidenzen steigen weiter. Die Präsidentin hat nun eine Brandrede gehalten - und die Regierung zieht die Notbremse.

"Ich habe das Gefühl, ich lebe in einem Land, das ich nicht verstehe", sagt  Zuzana Caputova nach dem Besuch in einem Krankenhaus in Bratislava. So frustriert und aufgewühlt dürften die Menschen in der Slowakei ihre Präsidentin noch nicht erlebt haben. Weiter sagt sie:

Ich weiß nicht, was man noch mehr sehen muss als überfüllte Krankenhäuser, Menschen, die an Beatmungsgeräten sterben, die nicht mehr nach Hause zurückkehren werden. Was muss man noch mehr sehen als das ermüdete Gesundheitspersonal?

Präsidentin: Lockdown "unausweichlich"

Sie verstehe auch nicht den Hass, der denjenigen entgegenschlage, die sich bemühten, Menschen zu retten. Und an die Adresse der Regierung: "Die Experten sagen und das Konsilium empfiehlt eindeutig, die Mobilität einzuschränken. Dass wir einen Lockdown brauchen. Ja, es ist keine populäre Maßnahme, aber sie ist absolut unausweichlich."

Die Vier-Parteien-Regierung hatte sich in langwierigen Beratungen bislang nur auf Einschränkungen für Ungeimpfte einigen können, ohne jedoch deren Bewegungsfreiheit einzuschränken.

Dabei steht die Slowakei in der jetzigen Pandemiewelle weltweit am schlechtesten da. Am Dienstag wurden 10.300 positive PCR-Tests registriert - wieder ein Höchstwert. Um die Relation bezogen auf eine Einwohnerzahl von 5,5 Millionen deutlich zu machen: Das würde in Deutschland etwa 150.000 Infektionen pro Tag entsprechen.

Krankenhäuser am Limit

Die Krankenhäuser in der Slowakei sind mit 3200 Covid-Patienten praktisch ausgelastet. Auf den Intensivstationen ist so gut wie kein Platz mehr. Tomas Sulik ist Chefarzt der Intensivmedizin im Krankenhaus von Trencin, einer Stadt in der Nähe der tschechischen Grenze. Er sieht das Land am Rande einer humanitären Katastrophe. Bei ihm in der Klinik können schon jetzt nicht mehr alle Patienten angemessen versorgt werden. "Vorerst selektieren wir nur Patienten, die schwer polymorbide sind und keine längere Perspektive haben, an der Beatmungsmaschine zu überleben. Wir sind am Rande der Triage", sagt Sulik.

Mangel an Personal

Was dem slowakischen Gesundheitswesen neben den vielen Patienten zu schaffen macht, ist der Personalmangel. Eine Folge der Frustration von Ärzten und Pflegepersonal nach den letzten Wellen, sagt Peter Vislolajsky, der Chef der Ärzte-Gewerkschaften. Die Regierung habe nichts getan, um die Leute zu halten: "Es fehlen uns heute über 1300 Krankenschwestern, die das Gesundheitssystem verlassen haben. Und Hunderte erfahrene Ärzte sind ebenfalls gegangen. Wir haben heute weniger Kapazitäten als während der Covid-Welle im letzten Winter", sagt Visolajsky.

Kritik an Regierung

"Es muss klar gesagt werden, dass die slowakische Regierung für die aktuelle Situation die volle Verantwortung trägt", erklärt Peter Pellegrini, Ex-Ministerpräsident und heute einer der Oppositionsführer. "Premier Eduard Heger hat in der Vorbereitung auf die dritte Welle genauso versagt, wie es ein Vorgänger bei der Vorbereitung auf die zweite Welle getan hat", fügt er hinzu.

Am späten Mittwochnachmittag, nach einem weiteren Tag zäher Beratungen, findet der Appell von Präsidentin Caputova bei der Regierung Gehör: In der Slowakei wird um Mitternacht der Notstand verhängt für zunächst 90 Tage. Und für die nächsten zwei Wochen gilt wieder ein Lockdown für alle. Nur die Schulen bleiben offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. November 2021 um 05:48 Uhr.