Ursula von der Leyen

Europa und Trump beim G7-Gipfel Viele wichtige Themen - aber niedrige Erwartungen

Stand: 12.06.2025 06:47 Uhr

Ukraine, Handel, Sanktionen: Gesprächsthemen für die EU und die USA beim G7-Gipfel gibt es einige. Doch obwohl einige EU-Staatschef persönliche Beziehungen zu US-Präsident Trump aufgebaut haben, bleiben die Erwartungen niedrig.

Vor acht Jahren haben europäische Staats- und Regierungschefinnen und -chefs im sizilianischen Taormina zum ersten Mal US-Präsident Donald Trump bei einem G7-Gipfel erlebt. Einige waren sichtlich beeindruckt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte danach beim Auftritt in einem Bierzelt bei München, dass die Zeiten vorbei seien, in denen sich Europa auf andere verlassen könne. Stattdessen, so Merkel, müssten die Europäer ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen.

Diese Erkenntnis von 2017 hat sich längst in der Europäischen Union durchgesetzt - spätestens seitdem Trump zum zweiten Mal ins Weißen Haus eingezogen ist und sich der wichtigste Handelspartner und frühere Sicherheitsgarant USA immer mehr von Europa abwendet.

Preisobergrenze für russisches Rohöl soll runter

Aber Zollfragen oder der Ukraine-Konflikt lassen sich nur gemeinsam lösen. Um Kiew im Krieg gegen Russland beizustehen, hat der G7-Gipfel in Italien vor einem Jahr einen Kredit über 50 Milliarden Dollar beschlossen, der mit Erträgen aus eingefrorenem russischen Vermögen abgesichert wird. Vom kommenden G7-Treffen in Kanada mit Trump am Tisch - und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als Gast - ist ein ähnlich starkes Signal nicht zu erwarten.

Während sich die Europäische Union weiter zur uneingeschränkten Unterstützung der Ukraine bekennt, benennt der US-Präsident Russland nicht einmal klar als Aggressor. Trotzdem setzt die EU darauf, beim G7-Gipfel Anfang kommender Woche zusammen mit den USA den Druck auf Moskau zu erhöhen. So will Brüssel im Rahmen des 18. Sanktionspakets die Preisobergrenze für russisches Rohöl senken - von 60 auf 45 Dollar pro Barrel. Doch erklärtes Ziel von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist es, dies gemeinsam im G7-Rahmen zu tun.

Kreml-Geldflüsse austrocknen

Die Preisobergrenze für den Seehandel mit russischem Rohöl haben G7 und EU vor zweieinhalb Jahren eingeführt, um Moskaus Kriegskasse zu schmälern. Demnach dürfen westliche Unternehmen entsprechende Lieferungen nur noch versichern, wenn dafür ein Preis unterhalb der Schwelle gezahlt wurde. Nach EU-Angaben machen Ölexporte immer noch ein Drittel der russischen Staatseinnahmen aus.

Kommissionschefin von der Leyen ist außerdem mit US-Senator Lindsey Graham im Gespräch, der ein großes Paket von US-Strafmaßnahmen vorbereitet. Es soll die Geldflüsse des Kreml austrocknen und zielt auf Länder, die weiter russisches Öl und Gas kaufen - vor allem große Abnehmer wie China und Indien. Auch dafür braucht es grünes Licht von Trump. Bundeskanzler Friedrich Merz erkannte bei seinem Gespräch mit dem US-Präsidenten vor einer Woche in Washington Bewegung in dieser Hinsicht.

Europa drängt auf einen Platz am Verhandlungstisch

Seit Trumps Amtsantritt dringt Europa auf einen Platz am Verhandlungstisch, wenn es um die Beendigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geht. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und zuletzt Merz haben persönliche Beziehungen zum US-Präsidenten aufgebaut.

Im G7-Format sitzen sie demnächst alle mit ihm am Tisch. Aber das garantiert ihnen nach Ansicht von Majda Ruge von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) keinen größeren Einfluss auf die US-Ukraine-Politik: "Bisher gibt es keine gemeinsame Strategie und ehrlich gesagt scheinen im Moment die strategischen Ziele der USA in Bezug auf Ukraine und Russland nicht mehr mit den EU-Zielen übereinzustimmen."

Gemeinsame ökonomische Ziele

Dafür verfolgen die G7-Staaten aber ökonomisch ähnliche Ziele. Sie erbringen ein knappes Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung und sind im Handel eng verflochten. Umso mehr belastet sie der von Trump losgetretene Zollstreit. Brüssel und Washington verhandeln weiter über eine Lösung, die Frist dafür endet in knapp vier Wochen. Die EU setzt auf eine gütliche Einigung und bereitet daneben Gegenmaßnahmen vor.

Gleichzeitig bietet Brüssel den USA an, in der Halbleiterfertigung enger zusammenzuarbeiten, etwa bei Chips für Künstliche Intelligenz. Die EU will noch mehr Flüssigerdgas kaufen, gemeinsam gegen die weltweiten Überkapazitäten beim Stahl vorgehen und einen "fairen Deal" für die Autoindustrie erreichen. Beim Gipfel vertritt Kommissionschefin von der Leyen die EU als G7-Mitglied zusammen mit Ratspräsident Antonio Costa, im Zollstreit spricht sie für die 27 Mitgliedsstaaten.

Viele sind bereits ernüchtert

Einige der bisherigen G7-Treffen unter Trumps Beteiligung ließen die übrigen Mitglieder ernüchtert zurück. Der letzte G7-Gipfel in Kanada 2018 endete im Eklat, weil der US-Präsident nach seiner Abreise gegen den Gastgeber, den damaligen kanadischen Premierminister Justin Trudeau, austeilte.

Diesmal rechnet ECFR-Expertin Ruge nicht mit enttäuschten Erwartungen der Europäer - die seien ohnehin gering: "Die Ernüchterung ist, glaube ich, auf der Seite der amerikanischen Verbündeten schon passiert. Sie machen sich keine Illusion darüber, wer Trump ist, und ich denke, sie haben alle den disruptiven außenpolitischen Kurs Trumps zu spüren bekommen." Sie hätten aber keine andere Wahl, als weiter diplomatisch vorzugehen und den Schaden für das Bündnis zu minimieren, so Ruge.

Für Merz, Meloni und Macron bildet das G7-Treffen in den kanadischen Rocky Mountains den Auftakt zu einem Gipfel-Marathon im Juni: Eine Woche später treffen sie beim NATO-Gipfel in Den Haag wieder auf den US-Präsidenten, um das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg formell zu beschließen. Ende des Monats kommen dann die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Brüssel zusammen.