
Tusk gewinnt Vertrauensabstimmung Verschnaufpause statt Aufbruchstimmung
Polens proeuropäischer Regierungschef Tusk hat die wichtige Abstimmung im Parlament klar überstanden. Der Konflikt mit dem neuen rechtskonservativen Präsidenten Nawrocki liegt aber noch vor ihm.
Sogar Aleksandra Uznanska-Wisniewska war aus Florida zurückgekommen. Ihr Mann sollte heute von dort als zweiter polnischer Astronaut überhaupt ins All starten, aber die Abstimmung im polnischen Sejm sei wichtiger, findet sie. Uznanska-Wisniewska ist Abgeordnete der Bürgerkoalition von Premierminister Donald Tusk - und der gewinnt am Ende überraschend deutlich.
453 Abgeordnete stimmten ab. 243 gaben ihre Stimme für die Regierung von Premierminister Tusk ab und gaben ihr damit das Vertrauen, 210 stimmten dagegen.
243 Stimmen, das ist eine mehr, als die Koalitionsparteien Abgeordnete haben. Darauf hatte Tusk gehofft, denn der Premierminister ist angeschlagen, seit bei der Präsidentenwahl die rechtspopulistische PiS gewann. Tusk aber will trotz der zu erwartenden Blockade durch den neuen Präsidenten weitermachen.
Tusk erwartet schwierige Regierungszeit
Die Herausforderungen seien größer, als man erwartet habe, sagt Tusk vor der Abstimmung. Die Regierung erwarte zweieinhalb Jahre schwerer Arbeit unter Bedingungen, die nicht besser würden. Ein Präsident, der die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen ablehnte, werde durch einen Präsidenten ersetzt, der mindestens genauso unwillig sei, sagt der Regierungschef.
Er kenne den Geschmack des Sieges, aber auch die Bitterkeit der Niederlage, hatte Tusk vor der Abstimmung erklärt - nur Kapitulation kenne er nicht. Es war eine Verteidigungsrede gegen den Tiefschlag, den die Wählerinnen und Wähler ihm und seiner Regierung bei der Präsidentenwahl erteilten.
Man hätte die eigenen Erfolge deutlicher vorzeigen müssen, sagt Tusk, dabei seien die vergangenen anderthalb Jahre ein großer Erfolg. Wirtschaftlich stehe das Land gut da, die Grenzen seien sicher, die Infrastruktur werde ausgebaut. Polen sei zurück auf der internationalen Bühne, und auch die versprochene Aufarbeitung der Rechtsbrüche unter der PiS-Regierung bis 2023 komme voran, wenn auch langsam.
Überhaupt ging es immer wieder um Tusks alten Gegner, um die PiS-Partei.
PiS greift Tusk in der Debatte scharf an
Der PiS-Abgeordnete Marcin Przydacz hält Tusk genüsslich vor, er habe über eine Stunde lang gesprochen, um die Vertrauensfrage zu stellen - aber eigentlich habe er nur über die PiS gesprochen. Seine Partei würde gern mehr über die Pläne Tusks hören.
In vielen anderen Redebeiträgen wiederum geben PiS-Vertreter ihr Bestes, um den Dauerkonflikt weiter anzuheizen - immer und immer wieder wird Tusk beschuldigt, in Wahrheit für Deutschland und gegen polnische Interessen zu arbeiten.
Aber auch die linke Opposition beklagt, dass sich Tusk mal wieder nur an der PiS abgearbeitet habe. So kritisiert die Razem-Abgeordnete Marcelina Zawisza, dass nichts darüber zu erfahren gewesen sei, was die Regierung im Gesundheitswesen plant. Die Menschen schrieben dramatische Nachrichten, wie schwer es sei, einen Arzttermin zu bekommen, die Wartezeiten in den Krankenhäusern würden immer länger. Und Tusk rede lediglich darüber, dass die PiS böse sei.
Menschen haben genug von Auseinandersetzung
Dabei war ein Ergebnis der Präsidentschaftswahl, dass viele Polinnen und Polen genervt sind vom sogenannten Duopol - davon, dass Tusks Bürgerkoalition und die PiS seit Jahrzehnten die polnische Politik mit ihrer Dauerfehde dominieren.
Mit der überstandenen Vertrauensfrage hat Donald Tusk sich und seiner Regierung eine Verschnaufpause verschafft. Aufbruchsstimmung hat er nicht verbreitet.