Menschen zünden Kerzen in Graz an

Amoklauf in Graz "Dieser Horror ist nicht in Worte zu fassen"

Stand: 11.06.2025 03:15 Uhr

Es ist der wohl schlimmste Amoklauf in der Geschichte Österreichs: Zehn Menschen kamen ums Leben, als an einem Grazer Gymnasium ein ehemaliger Schüler das Feuer eröffnete. Das Land trauert.

Die Glocken des Grazer Doms rufen zum Trauergottesdienst. Ein Lichtermeer auf dem Grazer Hauptplatz. Hunderte sind zusammengekommen, haben Kerzen mitgebracht, viele mit Tränen in den Augen. Denn viele kennen die Schule gut, das "Oberstufenrealgymnasium", welches so kurz vor den Sommerferien zur Todesfalle wurde, weil ein ehemaliger Schüler Amok lief, gezielt um sich schoss und tötete.

"Dieser Horror ist nicht in Worte zu fassen", so hat es Österreichs sonst so wortmächtiger Bundespräsident Alexander Van der Bellen formuliert - und trifft damit die Seelenlage Österreichs. Ganz besonders die in Graz, nach diesem "dunklen Tag in der Geschichte des Landes", wie es Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker formulierte.

Die Stimmung in Graz einen Tag nach dem Amoklauf

Nikolaus Neumaier, ARD Wien, tagesschau24, 11.06.2025 14:00 Uhr

"Graz steht zusammen"

Drei Tage Staatstrauer, sie ist auch ohne Verordnung gefühlte Wirklichkeit: "Es ist so ein schwerer Stein, den man im Magen mit sich rumträgt und immer noch nicht ganz glauben kann, dass das hier passiert ist", sagt eine Trauernde mit Tränen in den Augen.

"Graz steht zusammen", steht weiß auf dem pechschwarzen Banner, das die Nordkurven-Fans der österreichischen Fußballmeisters Sturm Graz an der Schulmauer des Gymnasiums anheften. Wortlos auch sie, die sonst so laut sein können.

Alle Veranstaltungen abgesagt

Graz steht zusammen, gerade jetzt - aber auch wie immer, sagt Elke Kahr, die Bürgermeisterin: "Etwas was unsere Stadt immer ausgezeichnet hat und die Menschen, die hier leben ist, dass man sich gegenseitig hilft." Politik habe jetzt keinen Platz, so die KPÖ-Politikerin, die Kommunistin, die in Österreichs zweitgrößter Stadt immer wieder gewählt wird.

Damit ist sich Kahr an diesem Tag einig mit dem kürzlich gewählten FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek, dem stramm rechten Ministerpräsidenten des Bundeslandes Steiermark, dessen Landeshauptstadt Graz ist:

Die Steiermark trauert heute, das grüne Herz weint. Es wird auch aus meiner Sicht heute keine politische Diskussion erfolgen. Heute geht es um das Trauern.
Mario Kunasek

Parteitage sind verschoben, alle Veranstaltungen abgesagt. Am Grazer Rathaus weht eine schwarze Fahne auf halbmast, wie alle Flaggen im ganzen Land. Pause, um einmal schwer durchzuatmen. Heute gibt es eine landesweite Gedenkminute.

Ist der Zugang zu Waffen zu einfach?

Die drängenden Fragen für danach werden aber schon jetzt gestellt: Er verstehe nicht, wie so ein Junge so eine Waffe haben könne, wo Österreich doch so strenge Waffengesetze habe, sagt dieser Mann. Und ein anderer fügt hinzu, man könnte durchaus darüber diskutieren, "ob der Zugang zu Waffen so leicht sein soll, wie es derzeit in Österreich ist".

Zu leicht, sagen die Experten schon jetzt. 21 Jahre, fester Wohnsitz, sauberes Führungszeugnis, das reicht meistens schon. 1,5 Millionen Waffen sind im Neun-Millionen-Einwohnerland Österreich registriert, überdurchschnittlich viele in der Steiermark.

Der Todesschütze, ein 21-jähriger Steirer, war mit einer Pistole und einer Schrotflinte unterwegs, die er legal besaß, sagt die Polizei. Er war arbeitslos, hatte die Schule ohne Abschluss verlassen, und zwar genau die Schule, an der er, vermutlich in seinem früheren Klassenzimmer, neun Jugendliche und eine Lehrkraft tötete.

Er fühlte sich als Mobbingopfer, heißt es. Das will die Polizei aus seinem Abschiedsbrief, den sie inzwischen fand, aber noch nicht rauslesen. Nach den Tagen der Trauer gibt es noch einiges aufzuklären.

Hilfe bei Suizid-Gedanken
Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner.

Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de

Telefonberatung für Kinder und Jugendliche: 116 111 - www.nummergegenkummer.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 10. Juni 2025 um 22:25 Uhr.